Tanz unter dem Galgen Sprech(er)stunden München und Hainsfarth - Nachlese
Werke politisch verfolgter Autoren und Komponisten standen jeweils bei der Sprech(er)stunde am 12. Mai 2014 in München und am 26. Mai 2014 in der ehemaligen Synagoge Hainsfarth auf dem Programm. Dieses Mal waren Text und Musik besonders eng miteinander verwoben.
Sie haben ihre Kunst unter extremen Umständen geschaffen und betrieben – die verfemten Künstler während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Ihre Werke wurden nicht mehr veröffentlicht, wurden verboten, vernichtet – gegen einige Künstler wurde ein offizielles Auftrittsverbot verhängt.
Doch ihr Wille, sich künstlerisch auszudrücken, konnte nicht gebrochen werden. Die einen arbeiteten im Exil weiter, andere in Konzentrationslagern oder auch im Ghetto Theresienstadt, wo sie buchstäblich den „Tanz unter dem Galgen“ wagten. Und mancher konnte so sein Leben retten.
Neben Ernstem auch Platz für Heiterkeit
Ein Abend mit Werken dieser Künstler kann aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds zur schweren Kost werden – das muss aber nicht so sein. Die Sprecherinnen und Sprecher des BR bewiesen das – mit einer abwechslungsreichen Auswahl an Texten, souverän verbunden durch die Moderationen von Martin Fogt.
Michael Schneider (in München) und Frank Manhold (Hainsfarth) lasen die witzig-pointenreichen Chansons von Fritz Löhner-Beda,. Launig auch der Text von Kurt Tucholsky „Lehár am Klavier“ , in dem er über den berühmten Operetten-Komponisten vom Leder zieht – gelesen von Petra Mörk.
Texte des österreichischen Komponisten Ernst Krenek haben Anna Greiter und Andreas Dirscherl präsentiert - und dabei eine wunderbar-freche Charakterisierung von Komponisten-Gattin Alma Mahler und eine nachdenkliche Liebeserklärung Kreneks an die Berge seiner Heimat zu Tage gebracht.
Gedanken über Tod und Leben prägen die metaphorischen Gedichte von Viktor Ullmann, die Clemens Nicol vorgetragen hat.
Und der Beginn von Klaus Manns Roman „Der Vulkan“, gelesen von Margarita Wolf-Lenz (München) bzw. Sylvie-Lisa Sperlich (Hainsfarth), offenbarte einen historischen Konflikt: In Zeiten der Verfolgung in der Heimat bleiben? Oder doch emigrieren und als „Vaterlandsverräter“ gescholten werden?
Julia Cortis schließlich erinnerte an den Jazz-Musiker Coco Schumann – den „Ghetto-Swinger“ – in Theresienstadt.
Brettl-Lieder und Zigeunergeigen
Als ein absoluter Glücksfall hat sich die musikalische Umrahmung dieser Sprech(er)stunden erwiesen: die Sopranistin Stefanie Smits, der Cellist Hans-Peter Besig und Eva Pons am Klavier haben mit ihrem vielfältigen Repertoire die Texte gefühlvoll und farbenreich ergänzt – unter anderem mit frechen „Brettl-Liedern“ von Arnold Schönberg, einer Hommage „An den kleinen Radioapparat“ von Hanns Eisler oder der feurigen Arie „Höre ich Zigeunergeigen“ von Emmerich Kalman. Auch hier war der „Tanz unter dem Galgen“, der fröhlich, aber auch mal gedankenvoll sein kann, deutlich zu spüren.
Spenden für Kinder in Not
Ein herzliches Dankeschön geht an alle Besucherinnen und Besucher. Für die Benefizaktion "Sternstunden" des Bayerischen Rundfunks, die Kinder in Not unterstützt, kam in München eine Spendensumme von 1.012,17 Euro zustande, in Hainsfarth konnten wir 809,- Euro sammeln.
Insgesamt also eine Spendensumme von 1.821,17 Euro!
Ein herzliches Dankeschön allen Spendern!
Die Texte im Einzelnen
Klaus Mann: Der Vulkan.
Überarbeitete u. erweiterte Neuausgabe, 3. Auflage Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Reinbek bei Hamburg 2004.
Ernst Krenek: Im Atem der Zeit (Ausschnitte).
Hoffmann und Campe, Hamburg 1998.
Viktor Ullmann: Ballade vom Schachspiel, Ohne Titel (Teufel müssen böse sein), Narr-Doppelgänger, Der Bastard, Trost.
in: Hans-Günter-Klein (Hrsg.): Viktor Ullmann – Materialien. "Tagebuch in Versen", 2. erw. und korr. Auflage. Von Bockel Verlag. Hamburg 1995.
Ernst Krenek: Motiv, Wetter, Auf und Ab, Alpenbewohner, Heimkehr.
in: Reisebuch aus den österreichischen Alpen. Liederzyklus für mittlere Stimme, op. 62.
Universal Edition Wien
Coco Schumann: Der Ghetto-Swinger (Auszug).
in: Coco Schumann: Der Ghetto-Swinger Eine Jazzlegende erzählt. DTV premium, 7. Aufl. München 2011.
Fritz Löhner-Beda: Die Witwe, Der Ehrenmann, Morgenstunden, Abgesang, Gastmahl, Waldfriedhof.
in: Die milde Marie und andere Gemeinheiten. Satyren und Chansons. Hans Bondy Verlagsbuchhandlung. Berlin 1910.
in: Wie man sich trefft im Ampezzotal. Ausgewählte Gedichte, herausgegeben von Christoph Wagner-Trenkwitz. Verlag Molden. Wien 2005.
Kurt Tucholsky: Lehár am Klavier.
Erschienen unter Tucholskys Pseudonym Peter Panter in "Die Weltbühne", Nr. 34, 25.08.1931, S. 307.
(www.textlog.de/tucholsky-am-klavier-kino.html)
Die Musik
Felix Mendelssohn-Bartholdy
"Auf Flügeln des Gesanges"
Hanns Eisler
"An den kleinen Radioapparat"
Gustav Mahler
"Ablösung im Sommer", "Lob des hohen Verstandes" und "Urlicht"
Arnold Schönberg
Brettl-Lieder "Der genügsame Liebhaber", "Gigerlette" und "Mahnung"
Viktor Ullmann
"Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte", "Die drei Schutzgeister" und
"O schöne Hand"
Emmerich Kalman
"Höre ich Zigeunergeigen" (aus "Gräfin Mariza")
Kurt Weill
"Youkali" (Zugabe)