Tanz unter dem Galgen Nachlese Sprech(er)stunde Synagoge Augsburg
Werke politisch verfolgter Autoren und Komponisten standen bei der Sprech(er)stunde am Sonntag, den 15. März 2015 in der Synagoge Augsburg auf dem Programm. Dieses Mal waren Text und Musik besonders eng miteinander verwoben.
Sie haben ihre Kunst unter extremen Umständen geschaffen und betrieben – die verfemten Künstler während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Ihre Werke wurden nicht mehr veröffentlicht, wurden verboten, vernichtet – gegen einige Künstler wurde ein offizielles Auftrittsverbot verhängt.
Doch ihr Wille, sich künstlerisch auszudrücken, konnte nicht gebrochen werden. Die einen arbeiteten im Exil weiter, andere in Konzentrationslagern oder auch im Ghetto Theresienstadt, wo sie buchstäblich den „Tanz unter dem Galgen“ wagten. Und mancher konnte so sein Leben retten.
Neben Ernstem auch Platz für Heiterkeit
Ein Abend mit Werken dieser Künstler kann aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds zur schweren Kost werden – das muss aber nicht so sein. Die Sprecherinnen und Sprecher des BR bewiesen das – mit einer abwechslungsreichen Auswahl an Texten, souverän verbunden durch die Moderationen von Martin Fogt.
Der Beginn von Klaus Manns Roman „Der Vulkan“, gelesen von Sylvie-Lisa Sperlich offenbarte einen historischen Konflikt: In Zeiten der Verfolgung in der Heimat bleiben? Oder doch emigrieren und als „Vaterlandsverräter“ gescholten werden?
Texte des österreichischen Komponisten Ernst Krenek haben Andreas Dirscherl und Frank Manhold präsentiert - und dabei eine wunderbar-freche Charakterisierung von Komponisten-Gattin Alma Mahler und eine nachdenkliche Liebeserklärung Kreneks an die Berge seiner Heimat zu Tage gebracht.
Gedanken über Tod und Leben prägen die metaphorischen Gedichte von Viktor Ullmann, die Peter Veit vorgetragen hat. Marlen Reichert erinnerte an den Jazz-Musiker Coco Schumann – den „Ghetto-Swinger“ – in Theresienstadt.
Michael Schneider las die witzig-pointenreichen Chansons von Fritz Löhner-Beda. Launig auch der Text von Kurt Tucholsky „Lehár am Klavier“ , in dem er über den berühmten Operetten-Komponisten vom Leder zieht – gelesen von Petra Mörk.
Brettl-Lieder und Zigeunergeigen
Als ein absoluter Glücksfall hat sich die musikalische Umrahmung dieser Sprech(er)stunde erwiesen: die Sopranistin Sybille Fischer, der Cellist Hans-Peter Besig und Eva Pons am Klavier haben mit ihrem vielfältigen Repertoire die Texte gefühlvoll und farbenreich ergänzt – unter anderem mit frechen „Brettl-Liedern“ von Arnold Schönberg und einer Hommage „An den kleinen Radioapparat“ von Hanns Eisler. Auch hier war deutlich zu spüren, was es mit dem Motto „Tanz unter dem Galgen“, der nachdenklich stimmt aber auch mal fröhlich sein kann, auf sich hat …
Spenden für Kinder in Not
Ein herzliches Dankeschön geht an alle Besucherinnen und Besucher. Für die Benefizaktion "Sternstunden" des Bayerischen Rundfunks, die Kinder in Not unterstützt, kam in Augsburg eine Spendensumme von 679,- Euro zustande.
Ein herzliches Dankeschön allen Spendern!
Die Mitwirkenden, Texte und Musik im Einzelnen
Datum: 15. März 2015 – Beginn: 20 Uhr.
Veranstaltungsort
Jüdisches Kulturmuseum und Synagoge Augsburg
Halderstraße 6-8
86150 Augsburg
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Die mitwirkenden Sprecher und ihre Texte:
Klaus Mann: Der Vulkan (Prolog)
Überarbeitete u. erweiterte Neuausgabe, 3. Auflage
Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Reinbek bei Hamburg 2004.
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Ernst Krenek: Im Atem der Zeit (Ausschnitte)
Hoffmann und Campe, Hamburg 1998.
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Viktor Ullmann: Tagebuch in Versen (Auszüge)
in: Hans-Günter-Klein (Hrsg.): Viktor Ullmann – Materialien. "Tagebuch in Versen", 2. erw. und korr. Auflage. Von Bockel Verlag. Hamburg 1995.
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Ernst Krenek: Motiv, Wetter, Auf und Ab, Alpenbewohner, Heimkehr, Entscheidung
in: Reisebuch aus den österreichischen Alpen. Liederzyklus für mittlere Stimme, op. 62.
Universal Edition Wien.
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Coco Schumann: Der Ghetto-Swinger (Auszug)
in: Coco Schumann: Der Ghetto-Swinger Eine Jazzlegende erzählt. DTV premium, 7. Aufl. München 2011.
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Fritz Löhner-Beda: Diva, Die Witwe, Der Ehrenmann, Gastmahl, Waldfriedhof
in: Die milde Marie und andere Gemeinheiten. Satyren und Chansons. Hans Bondy Verlagsbuchhandlung. Berlin 1910.
in: Wie man sich trefft im Ampezzotal. Ausgewählte Gedichte, herausgegeben von Christoph Wagner-Trenkwitz. Verlag Molden. Wien 2005.
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Kurt Tucholsky: Lehár am Klavier
Erschienen unter Tucholskys Pseudonym Peter Panter in "Die Weltbühne", Nr. 34, 25.08.1931, S. 307.
(www.textlog.de/tucholsky-am-klavier-kino.html)
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DIE MUSIK
Felix Mendelssohn-Bartholdy
"Auf Flügeln des Gesanges"
Hanns Eisler
"An den kleinen Radioapparat"
Gustav Mahler
"Lob des hohen Verstandes", "Ablösung im Sommer" und "Urlicht"
Viktor Ullmann
"Die drei Schutzgeister" und "Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte"
Arnold Schönberg
Brettl-Lieder "Der genügsame Liebhaber" und "Gigerlette"
Friedrich Holländer
"Die Kleptomanin"
Max Bruch
"Kol nidrei"
Erich Wolfgang Korngold
"Mond so gehst du wieder auf" (Gesänge des Abschieds)
Kurt Weill
"Youkali" (Zugabe)