Courage-Preis für Christine Auerbach Ein mutiges Feature
Wie berichten über ein Thema, das so schwierig ist wie Vergewaltigung und sexueller Missbrauch, zu dem nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 vermeintlich schon alles gesagt ist? Christine Auerbach gelingt das in ihrem Hörfunk-Feature einfühlsam und mit klarer Sprache. Dafür wurde sie mit dem diesjährigen Courage-Preis des Journalistinnenbundes ausgezeichnet.
Der Preis für aktuelle Berichterstattung wird verliehen für "herausragende, hintergründige, gendersensible und aufklärende Berichterstattung zu aktuellen Themen". Das Stundenfeature "Nein heißt Nein. Warum es auch nach der Änderung der Gesetze so schwer ist, gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen" erfüllt all diese Kriterien. Es bietet Informationen zum Sexualstrafrecht und zur Situation von Frauen in Deutschland und Europa, es klärt auf über die politische Dimension der Rechtsprechung und vor allem: Es lässt die HörerInnen am Schicksal der drei missbrauchten Frauen teilhaben, ohne voyeuristisch zu sein.
Das Feature ist entstanden in der Redaktion Politik und Hintergrund und lief im Februar als eines der letzten auf dem Bayern 2-Sendeplatz "radioThema".
"Zu Wort kommen Helferinnen, Juristen, Aktivistinnen, Polizisten, Ärztinnen – und der Männerbeauftragte der Stadt Nürnberg, was das Thema sexuelle Gewalt ausweitet und die oft ambivalente Beziehung zwischen Opfer und Täter noch deutlicher macht. Scham, Entsolidarisierung, Abhängigkeit, Machtausübung, diese Gefühle und Begriffe lässt die Autorin spürbar werden, durch die Qualität ihres Textes und die Auswahl der O-Töne, die hervorragende audiophone Produktion. Die Sendung geht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut."
Aus der Begründung der Jury
"Sie haben in Ihrer Arbeit Courage gezeigt"
Es sind die Menschen, die im Mittelpunkt des Beitrages von Christine Auerbach stehen. Das betonte Andrea Scharfarczyk, trimediale Chefredakteurin von Radio Bremen, die die Laudatio hielt: "Fühlt mit, aber leidet nicht mit – das ist ein Rat, den ein erfahrener Polizist in Ihrem Feature jungen Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich mit Sexualdelikten befassen sollen. Sie machen es mir als Hörerin leicht, diesen Grundsatz zu befolgen. Sie sind nah rangekommen und holen auch das Thema nah an mich heran. Aber ohne unnötig Emotionalität oder sogar Voyeurismus zu bedienen. Sie drücken nicht auf die Tränendrüse. Sie beschreiben die Dinge nüchtern, auf eine klare, einfühlsame, zurückhaltende Art. Ohne Wut. Ohne etwas vorzugeben. Sie geben mir Fakten an die Hand und lassen mir den Raum, mir dann selbst eine Meinung zu bilden."
Andrea Scharfarczyk, früher bei WDR 1Live, hebt auch das Sound-Design des Features hervor, die zurückhaltende, aber unglaublich dichte Musik: "Ihr Herz hängt am Ton, an der Möglichkeit, mit Sprache, Musik, Atmosphären und Geräuschen Bilder zu schaffen. Allein mit dem Ton sein Publikum zu binden, ist eine hohe Kunst. Sie beherrschen diese Kunst meisterhaft." Für das Audio-Design waren Dagmar Petrus und Martha Plachetka zuständig, die Produktion hatte Fabien Zweck; redaktionell betreut wurde die Sendung von Nina Landhofer.
"Courage bedeutet Mut. Beherztheit. Unerschrockenheit. Sie haben in Ihrer Arbeit Courage gezeigt: Den Mut, sich einem gesellschaftlichen Thema zu widmen, zu dem schon so viel gesagt wurde, das aber noch nicht auserzählt ist. Den Mut, in menschliche Abgründe zu blicken. Sich in Ihre Protagonisten einzufühlen und ihre Schicksale zu veröffentlichen, ohne dabei die nötige Distanz zu verlieren. Für diesen – Ihren – Mut bekommen Sie heute den Courage-Preis des Journalistinnen-Bundes für aktuelle Berichterstattung." Andrea Scharfarzyk, Laudatorin und Chefredakteurin von Radio Bremen
"Geschichten erzählen, den Menschen unser Ohr leihen für das, was sie bewegt, das ist die eigentliche Aufgabe von Journalisten", so Christine Auerbach in ihrer kurzen Dankesrede. Sie war bisher vor allem für PULS und Bayern2 unterwegs und arbeitet inzwischen fest für die Hörfunk-Redaktion Politik und Hintergrund – und immer wieder auch fürs BR Fernsehen.
Hintergrundinfo
Der Journalistinnenbund ist ein bundesweites Netzwerk von Frauen im Journalismus, das sich für Qualitätsjournalismus, Frauen- und Menschenrechte einsetzt. Gegründet 1987, hat es am 1.Juli in Frankfurt sein 30jähriges Bestehen gefeiert. Im Rahmen der Jahrestagung wurden drei Preise vergeben: die Hedwig-Dohm-Urkunde für herausragende journalistische Leistung (an Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau), der Marlies-Hesse-Nachwuchspreis an Franzi von Kempis und die jüngste Auszeichnung, der seit zwei Jahren verliehene Courage-Preis für aktuelle Berichterstattung, an Christine Auerbach. Erste Preisträgerin war 2016 Sandra Petersmann, damals noch ARD-Korrespondentin im Studio Neu Delhi.