Tabuthema Abtreibung Juliane Bartel Medienpreis für Claudia Decker
Gratulation! Bayern 2-Autorin Claudia Decker hat für ihr Feature "Tabuthema Abtreibung – Der schwierige Weg zum Schwangerschaftsabbruch in Bayern" den Juliane Bartel Medienpreis des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung – gemeinsam mit dem NDR und der Landesmedienanstalt – bekommen.
Wie ist in Bayern die Lage für Frauen, die ungewollt schwanger sind und zu einem Abbruch entschlossen? Das hat sich Bayern-2-Autorin Claudia Decker am Anfang ihrer Recherche gefragt und musste feststellen, dass das Thema Abtreibung in Bayern – wieder – ein Tabuthema ist. Dabei ist einer Frau in Deutschland die Abtreibung erlaubt, bis zur 12. Schwangerschaftswoche und wenn sie mindestens drei Tage vor dem Eingriff eine offizielle Beratungsstelle aufgesucht hat.
Rollback in Sachen Abtreibung
Die Liberalisierung des alten Paragrafen 218 erfolgte 1995 nach jahrzehntelangem Ringen. Seitdem ist Abtreibung eigentlich kein Thema mehr. Aber der Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel – inzwischen verurteilt wegen angeblicher Werbung für den Schwangerschaftsabbruch – hat unsere Autorin auf die Lage in Bayern aufmerksam gemacht. Sie wollte nicht glauben, dass sie heute, im Jahr 2018, damit wieder auf ein Tabu stieß.
Wochenlang blieb ihre Suche nach betroffenen Frauen vergeblich. Darüber spricht keine vor dem Mikrofon, hieß es immer wieder. Und sie erfuhr, dass immer weniger Ärzte und Kliniken in Bayern Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Sie fürchten aggressive Aktionen von organisierten Lebensschützern und die unsichere Rechtslage, die immer wieder Ärzte vor den Kadi bringt und sie der unzulässigen Werbung bezichtigt.
Zur aktuellen Lage in Bayern
Heute ist der Weg zur Abtreibung in Bayern abseits der großen Städte schwierig und zeitraubend, angesichts einer Frist von zwölf Wochen. Offiziell dürfen Beratungsstellen nicht einmal Adressen von Ärzten herausgeben, die den Abbruch vornehmen. Das hat die Bayrische Staatsregierung kürzlich wieder betont.
So ist das Allgäu inzwischen eine weiße Landkarte in Sachen Abtreibung. Weder niedergelassene Ärzte und Ärztinnen noch eine Klinik nehmen den Abbruch nach der Beratungsregelung vor. Frauen müssen für die beiden Termine einer Abtreibung bis nach München oder Ulm fahren. Von der gesetzlich vorgeschriebenen freien Arztwahl und von wohnortnaher Versorgung kann im Allgäu keine Rede sein. Auch nicht in Niederbayern. Dort gibt es nur noch einen Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch durchführt, in Passau. Er stammt aus der Generation jener Ärzte, die in den 60er- und 70er-Jahren für die Liberalisierung des Paragrafen 218 eingetreten sind. Den Frauen zuliebe schiebt er seine Pensionierung auf, obwohl er schon 70 ist.
Eine preiswürdige Arbeit
Die Beleuchtung dieser frappierenden Missstände war der Jury des Juliane Bartel Medienpreises unter sechs hochkarätigen Einsendungen die Auszeichnung des Features von Claudia Decker wert.
"Solche Zustände heutzutage in Deutschland sind unhaltbar, die ländliche Versorgung in dem Bereich ist ein Desaster. Das Feature zeigt ganz klar, wie schwer es Frauen gemacht wird."
Aus der Begründung der Jury
Reaktionen auf die Sendung
Dass das Thema Abtreibung hochaktuell ist, zeigte sich auch in der Redaktion Notizbuch: Nach der Sendung mussten wir jede Menge Beschwerden beantworten; sie kamen von besorgten Menschen und empörten Lebensschützern. So erreichte die Redaktion zum Beispiel einer jener Plastik-Embryos, den Abtreibungsgegner gerne vor Arztpraxen verteilen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Auch der Programmausschuss hatte sich mit den Zuschriften zu befassen.
Buchstäblich in letzter Minute, am Tag vor der Produktion, fand Claudia Decker schließlich doch noch eine Frau aus einem Dorf in Niederbayern, die bereit war, ihren schwierigen Weg zur Abtreibung kurz zu schildern, anonym und ohne dass ihre Stimme zu hören war. Ihre Sätze las in der Sendung eine Sprecherin.
Wir gratulieren der Autorin von Herzen und freuen uns mit ihr über diese tolle Auszeichnung.