Bayern 2 Preisgekrönte Produktionen
Nachdem die Redaktion Hörbild und Feature im ersten Halbjahr 2016 eine wahre Auszeichnungswelle erleben durfte, darunter zwei Nominierungen für den renommierten PRIX EUROPA, bringt der Spätsommer eine dritte Prix-Europa Nominierung sowie weitere Preise für Sendungen und Feature-Autoren.
Zwei Auszeichnungen für "50 Prozent Zukunft"
Nina Buschek steckte mitten in ihrem Medizinstudium, als bei ihrer Mutter Chorea Huntington diagnostiziert wurde: eine unheilbare Erkrankung des Gehirns, bei der die Patienten nach und nach die Kontrolle über ihre Körperbewegungen verlieren. Oft zeigen sich zudem massive psychische Störungen. Die ersten Symptome treten meistens um das 40. Lebensjahr auf, im Durchschnitt führt Huntington nach 15 Jahren zum Tod. Gemeinsam mit ihrem Mann Oliver erzählt Nina Buschek im Radiofeature "50 Prozent Zukunft. Unser Leben mit der Huntington Krankheit" (BR/SR 2016) die Geschichte ihrer Familie. Ihre Schilderungen von schweren Entscheidungen wie der, Kinder zu bekommen, und dem Abwägen zwischen Ungewissheit und womöglich fataler Sicherheit überzeugten gleich zwei Jurys.
Am 22. September wurde das Feature in Mannheim von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in der Kategorie "Elektronische Medien" mit dem Deutschen Journalistenpreis Neurologie ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert, die unter beiden Kategorien "Elektronische Medien" und "Wort" je zur Hälfte aufgeteilt werden. Die Jury lobte es als "mutig, bewegend und informativ."
Am 14. November 2016 erhält "50 Prozent Zukunft" in Berlin bei der Verleihung des Katholischen Medienpreises die Auszeichnung "journalistisch WERTvoll".
"Die einfühlsame Reportage geht respektvoll mit dem menschlichen Leben um, auch dann, wenn es von einer Krankheit wie Huntington massiv beeinträchtigt ist. Gleichzeitig verweigern sich die Autoren einer medizinisch möglichen Selbstoptimierungsstrategie. (...) Auf überzeugende Weise gelingt der Produktion der Spagat zwischen Wissenschaftsfeature und eindringlicher persönlicher Erzählung. Das ist Autorenverdienst, besonders aber auch der unaufgeregten und gleichzeitig prägnanten Umsetzung von Regisseur Ron Schickler und Toningenieurin Daniela Röder zu verdanken."
Aus der Begründung der Jury
Flucht und Verantwortung damals und heute
"Ich bin neidisch auf die Flüchtlinge von heute." Diesen Satz hinterließ der 83-jährige Richard Sucker auf dem Anrufbeantworter von Gabriele Knetsch. Er war Auslöser für ihr Radio-Feature "Psychotrauma Flucht. Die Zeit heilt nicht alle Wunden" (BR 2016). Darin macht sich die Autorin auf die Suche nach den Gemeinsamkeiten zwischen Vertriebenen der Nazizeit und Jugendlichen aus Afghanistan oder Syrien – und konnte damit den Verein "Andere Zeiten" überzeugen. Der bundesweit tätige gemeinnützige Verein zeichnet jährlich Journalistinnen und Journalisten aus, die sich in beachtenswerter Weise mit Themen des Kirchenjahres beschäftigt haben, Thema 2016: "Flucht und christliche Verantwortung".
"Indem sie die Schrecken deutscher Flüchtlingskinder von vor 70 Jahren gegenschneidet mit den Erlebnissen junger Flüchtlinge von heute, entwirft die Autorin ein brüchiges, eindringliches Bild jenseits der Nachrichten-Klischees. Die seelische Flucht vor den inneren Bildern dauert oft ungleich länger als die äußere Flucht zu Wasser oder Lande - und eigenes erlittenes Leid macht Menschen nicht zwangsläufig großherzig. Frau Knetsch, Sie haben uns zum Nachdenken gebracht - Ihnen gebührt der erste Preis."
Patrick Schwarz, Die ZEIT, in seiner Laudatio
Die Abteilung Hörbild und Feature gratuliert der Autorin zu der mit 3.000 Euro dotierten Auszeichnung sowie dem Team in der Studioproduktion Helen Malich (Regie) und Michael Krogmann (Ton und Technik) zur überzeugenden Umsetzung.
Weitere Nominierung für den PRIX EUROPA im Oktober 2016
Nachdem im Frühjahr beim begehrten Medienpreis PRIX EUROPA die beiden Produktionen "First Contact. Was, wenn die Erde Besuch bekommt" (BR 2016) von Thomas Palzer und "Deutsches Wintermärchen Marokko" (RBB /NDR/SWR/BR 2015) von Rosie Füglein in der Kategorie Radio Documentary nominiert wurden, folgte Anfang September noch eine Nominierung in der Kategorie Current Affairs: Im ARD radiofeature "Hightech für die Außengrenze. Ein Feature über die Profiteure der europäischen Flüchtlingsabwehr" (BR 2016) befasst sich Ralf Homann eingehend mit einem zentralen Akteur der EU-Grenzpolitik: die Lobby großer Rüstungs- und Sicherheitsfirmen mit ihrem derzeitigen Schwerpunkt auf Technologisierung und Militarisierung.
Ralf Homann besucht die weltweit führende Messe zur Polizeipraxis in London und scheitert - als branchenferner Journalist – beinahe an den Sicherheitsvorkehrungen. In Brüssel untersucht er die Verfahren der Politikberatung mit ihren etwa 15.000 Lobbyisten. Außerdem verwebt er den Aspekt der Grenzrüstung mit der dramatischen Fluchtgeschichte des jungen syrischen Künstlers Khaled Haddad, der 2015 aus Damaskus floh um dem Militärdienst zu entgehen. Dass dieses sehr komplexe inhaltsreiche Radiofeature nicht nur eine Vielzahl von Informationen und Rechercheergebnissen vermittelt, sondern auch zum Hörerlebnis wird, ist nicht zuletzt Verdienst von Regisseur Karl Bruckmaier sowie Susanne Herzig und Josuel Theegarten (Ton und Technik).
Gesche Piening erhält den Ödon-von-Horváth-Förderpreis
Alle drei Jahre vergibt die Ödön-von-Horváth-Stiftung auf Anregung von und in Zusammenarbeit mit der Horváth-Gesellschaft den Ödön-von-Horváth-Preis.
Die Regisseurin und Schauspielerin Gesche Piening ist auch als Autorin für die Abteilung Radiofeature tätig ("Kreativ aber günstig. Der Künstler als Arbeitsmodell westlicher Ökonomien", 2014, "Besser ist nicht gut genug. Leben in der atemlosen Gesellschaft", 2015, "Mein Schneck ist mir Bedürfnis. Zur ökonomischen und ethischen Relevanz unserer Tierliebe", 2016).
Am 4. November erhält sie in Murnau den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis, der Hauptpreis geht an Edgar Reitz.
"In ihren Arbeiten stellt die Künstlerin Fragen, die sich auch durch das Werk Ödön von Horváths ziehen. Gesche Piening wählt, ähnlich wie Horváth, die Mittel des Humors – eines Humors, der wie bei Horváth, kein befreites Lachen erregt, sondern ein Lachen der Erkenntnis; vor allem der Erkenntnis der eigenen Unfreiheit. Sie kümmert sich nicht nur um die Präzision der Texte und die Eindrücklichkeit der Bildsprache, sondern auch um anständige Arbeitsbedingungen."
Begründung der Jury
Ernst-Hoferichter-Preis 2017 an Thomas Grasberger
Seit 1975 zeichnet die Ernst-Hoferichter-Stiftung jährlich freischaffende Münchner Künstlerinnen und Künstler aus dem Bereich Literatur und Kabarett aus. Unter den fast 100 Persönlichkeiten, die bisher mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet wurden, sind unter anderen Herbert Achternbusch, Doris Dörrie, zuletzt Ali Mitgutsch und nun auch: Thomas Grasberger.
"Er erkundet München und die Seele seiner (Ur-)Einwohner. Er berichtet über Eisenbahn-Reisen in England, protestantisches Leben in Rom und böhmische Bäder und paddelt im Kajak durch Deutschlands 'Amazonas'."
Begründung der Jury
In den Sendungen Land und Leute sowie Bayerisches Feuilleton und für die Abteilung Hörbild und Feature erinnerte Grasberger etwa an einen politischen Skandal von 1922 um Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske ("Unter der Gürtellinie. Der Münchner Badehosen-Skandal von 1922, 2016"). Er wagt sich ins historische und zeitgenössische Gestrüpp von Ehe(un)ordnungen ("Trau dich! Ehegeschichten aus Bayern", 2016) oder erkundet die Welt der Bayerischen Tätowierer ("Das große Stechen. Kleine Kulturgeschichte des Tätowierens in Bayern", 2015).
Drei Kriterien muss ein Ernst-Hoferichter-Preisträger erfüllen: Originalität, Weltoffenheit und Humor. Thomas Grasberger, befindet der Stiftungsbeirat, besteht die Prüfung in jeder Hinsicht bravourös.
Die Verleihung findet am 19. Januar 2017 in München statt, die Abteilung Hörbild und Feature gratuliert Thomas Grasberger schon jetzt.