Unternehmen


6

70 Jahre Tafel-Confect Alte Musik frisch zubereitet

Musikalische Leckerbissen vom Mittelalter bis zur Klassik unterhaltsam, informativ und mit Humor zu servieren – seit 70 Jahren ist das jeden Sonntagmittag der Anspruch des Tafel-Confects auf BR-KLASSIK. Seit 1952 wird es live aus dem Studio Nürnberg gesendet und gehört damit zu den ältesten Rundfunksendungen Europas.

Von: Wolfgang Schicker, BR Franken / Musikredaktion

Stand: 28.10.2022 | Archiv

Tafel-Confect: Chaconne von Johannes Schenck, gespielt von Hille und Marthe Perl

1952 erstmals ausgestrahlt, präsentiert das Tafel-Confect heute die Vielfalt und Lebendigkeit der Alte-Musik-Szene mit all ihren Trends und Innovationen. So gibt es neben der Musik in maßstabsetzenden Originalklang-Interpretationen jede Woche einen aktuellen CD-Tipp sowie bunte Beiträge über Komponisten und Komponistinnen, Ensembles und die interessantesten Facts vom Mittelalter bis zum Barock.

Klingende Geschenke zum Jubiläum

Gefeiert wird das 70jährige Jubiläum des Tafel-Confects mit einer zweistündigen Sondersendung am 30. Oktober. Am Mikrophon: zwei der heutigen Köpfe aus dem Moderatoren-Team, Stefanie Bilmayer-Frank und Thorsten Preuß. Wie gewohnt wird es viel Musik geben, daneben packt das Moderatoren-Duo im Studio klingende Geburtstagsgeschenke aus.

Das Tafel-Confect war von Beginn an nah am Puls der Zeit, als die junge Originalklang-Szene eine prominente Plattform im Radio bekam – und auch heute richtet sich der Blick nach vorne, auf die Alte Musik als Taktgeber eines zukunftsweisenden Konzertlebens im 21. Jahrhundert. So werden im Umfeld der Hörfunksendung sieben digitale Videoclips in einer jungen, sinnlichen Bildästhetik veröffentlicht – u.a. mit so prominenten Vertretern der Szene wie l'arte del mondo, Hille Perl, Maurice Steger und Cymin Samawatie.

Das Tafel-Confect – die Anfänge

Der Erfinder des Tafel-Confects Willy Spilling mit einer Notenausgabe von Johann Valentin Rathgeber

Seit der Gründung des Bayerischen Rundfunks 1949 war der Komponist und Musikwissenschaftler Willy Spilling Redaktionsleiter der Musikabteilung im Studio Nürnberg. Er war ein Genussmensch, der gerne seinen Sonntagsbraten in einem fränkischen Landgasthof zu sich genommen hat. Besonders liebte er die Gegend um das idyllisch auf einem Hügel gelegene Kloster Banz in Oberfranken. Dort stieß er auf die Geschichte des Mönchs Johann Valentin Rathgeber, eines begabten Musikers und Komponisten, der aber etwas von der Welt sehen wollte und sich – ohne seinen Abt zu fragen – auf Wanderschaft begab. In Augsburg gab er eine Sammlung mit lustigen Liedern und Quodlibets heraus unter dem Titel "Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect". Als Willy Spilling diesen Titel las, lief ihm wahrscheinlich gleich das Wasser im Mund zusammen und er dachte sich vielleicht: perfekt für eine Sendung am Sonntag Mittag, um die Hörerinnen und Hörer zum Einschalten zu verführen.

Jedenfalls nannte Willy Spilling 1952 seine neu konzipierte Musiksendung ab der zweiten Ausgabe in Anlehnung an Rathgeber "Musikalisches Tafelkonfekt". Eine der ältesten Rundfunksendungen Europas war geboren, einen Monat vor der ersten Tagesschau ausgestrahlt, und heute fester Bestandteil im Programm von BR-KLASSIK.

Radio als Motivation zum häuslichen Musizieren

1952 gab es das Radio als Medium nicht einmal ganz seit dreißig Jahren, wobei es zu einem Massenmedium sogar erst in den 1930er-Jahren geworden war. Vor diesem Hintergrund ist ein weiterer Beweggrund von Willy Spilling zu sehen, das Tafel-Confect als neues Sendeformat zu entwickeln. Musikredakteur, Moderator und Gambist Josef Ulsamer, selbst einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis in Bayern, erinnerte sich später: "Dr. Spilling erkannte, dass die Schuld an der Hausmusizier-Flaute nach dem Krieg zum großen Teil der Rundfunk hatte."

Über fast zwei Jahrhunderte lang konnte man sich die Meisterwerke der Musik und die populärsten Melodien aus Opern und Symphonien nur erschließen, wenn man sie selbst zuhause spielte. Das Radio erlaubte es den Familien, zu fast jeder Stunde Musik hören zu können, ohne ins Konzert gehen oder sich ans Klavier setzen zu müssen. Und seit die Nazis das Radio als nützliches Instrument zur massenhaften Verbreitung ihrer Propaganda entdeckt hatten, besaß auch fast jeder Haushalt ein solches Gerät. Spilling wusste, dass sich die Zeit nicht mehr zurückdrehen ließe und überlegte daher, wie man durch ein anregendes Radioprogramm die Leute wieder zum Musizieren animieren kann.

So kam es, dass im Tafel-Confect vor allem kurze, eingängige Stücke vom Mittelalter bis zur Moderne gesendet wurden, Stücke, die nicht so bekannt waren und die Hörer neugierig machen sollten. Ob die Leute wirklich nach dem Radiohören wieder mehr zum Instrument gegriffen haben, ist fraglich – aber die Neugier auf Musik aus fernen Epochen, die längst vergessen und selten zu hören war, stieg von Sonntag zu Sonntag. Auf vielfachen Wunsch des Publikums stand bald ausschließlich die Musik vor der Wiener Klassik im Fokus der Musikauswahl – und bildet bis heute den Schwerpunkt des Programms.


6