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Tierschutzskandal im Allgäu Einblick in die BR-Recherchen

Eineinhalb Jahre nachdem Tierquälereien in Allgäuer Milchviehbetrieben aufgedeckt wurden, gibt es immer noch Missstände. Wie sind BR-Journalisten bei ihren aktuellen Recherchen vorgegangen? Eva Achinger und Peter Allgaier geben Einblick in ihre Arbeitsweise.

Von: Patrizia Kramliczek

Stand: 05.04.2021

9.7.2019: Bad Grönenbach: Eine Kuh in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb streckt ihren Kopf durch die Holzlatten eines Stalls. Gegen die Betreiber eines der größten Milchviehbetriebe in Bayern hat die Staatsanwaltschaft Memmingen Anklage wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz erhoben | Bild: dpa-Bildfunk/ Karl-Josef Hildenbrand

Rinder stehen so dicht gedrängt im Stall, dass einige der Tiere gar nicht ans Futter gelangen. Eine Tierärztin sieht sich das Video an und kommt zu dem Schluss: Diese Tiere werden nicht artgerecht gehalten. Das seien zwar "keine Skandalbilder" schreiben die BR-Journalisten Eva Achinger und Peter Allgaier in ihrem Artikel für BR24, aber dem Tierschutz entsprechen sie auch nicht. Der vorangegangene Skandal wurde 2019 von einem Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung, der MDR-Sendung FAKT und von Report Mainz (SWR) aufgedeckt. In dem Bericht waren zu sehen: Kühe, die von einem Kran über den Boden gezogen werden, bereits tot beim Schlachthof ankommen oder schwer atmend in der Ecke liegen.

Hinweise von Tierschützern

Im März 2021 sind die Bilder nicht so drastisch, aber die Missstände sind nicht auf allen Höfen behoben – wie die zwei BR-Journalisten Achinger und Allgaier herausfinden. Was war der Anlass für die neuerliche Recherche? "Da haben wir, wie es meistens so ist, Hinweise von Tierschützern bekommen, dass es sich lohnen würde, da noch mal nachzuschauen", erzählt Eva Achinger von BR-Recherche. "Gleichzeitig hatten wir auch Hinweise von - ich nenne sie jetzt mal Behörden-Insidern." Auch die hatten die BR-Journalisten darauf aufmerksam gemacht, dass sich eine weitere Recherche in Bad Grönenbach im Unterallgäu lohnen könnte.

Eva Achinger (links), Patrizia Kramliczek (re. oben) und Peter Allgaier (re. unten)

Eva Achinger recherchiert seit 2016 unter anderem zu Tierschutzproblematiken und Lebensmittelskandalen, hat sich über die Jahre Kontakte sowohl zu Tierschützern als auch zu Ämtern aufgebaut. Peter Allgaier ist BR-Korrespondent in Schwaben, kennt sich vor Ort sehr gut aus und hat den Kontakt zu den Menschen in der Region. Dazu gehört es auch, den Landwirt direkt mit den Vorwürfen zu konfrontieren, die gegen ihn im Raum stehen. "Ich versuche dabei, möglichst offen mit der Sache umzugehen", sagt Allgaier. Das heißt: nicht anklagend auf die Person zuzugehen und ihr gleich das Mikro unter die Nase zu halten, sondern "wirklich maximal offen versuchen, mit den Leuten zu sprechen". Bei einer vorangegangenen Recherche hatte ein Landwirt, gegen den die Behörden ermitteln, Allgaier ein Interview gegeben. "Da war es schon ein Punkt, dass ich erst mal zuhören musste und dass der Landwirt ganz, ganz viel an Infos loswerden musste." Dem BR-Reporter ging es darum, den Sachverhalt aufzuklären und zunächst zu verstehen, warum es zu dem überfüllten Stall und den negativen Folgen für die Tiere gekommen ist.

Möglichst neutrale Rolle der Journalisten

Aber auch nach der anderen Seite hin – in diesem Fall die Seite der Tierschützer – haben sich die BR-Journalisten möglichst neutral verhalten. "Ich finde es aus journalistischer Sicht total wichtig, dass man immer in seiner Rolle bleibt", sagt Eva Achinger. "Denn die Tierschutzorganisation, die Tierrechtler sind Aktivisten. Die setzen sich ganz stark für diese Sache ein und gehen da gewisse Risiken ein", erläutert Achinger. "Aber für uns sind sie am Ende des Tages natürlich Informanten oder Informantinnen wie alle anderen auch."

Peter Allgaier (links), Patrizia Kramliczek (re. oben) und Eva Achinger (re. unten)

Und das heißt zu allererst: Überprüfen, ob die Informationen der Tierschützer überhaupt stimmen. Die Videos, die dem BR als Belege für die schlechte Tierhaltung zugespielt wurden, haben die Journalisten genau unter die Lupe genommen und geprüft, ob die Aufnahmen überhaupt von dem Hof im Unterallgäu stammen. "Wie schaut der Hof von außen aus? Spiegelt sich die Architektur, die wir im Inneren haben, außen wider? Gibt es Balken und wie verlaufen die? Welche Farben haben bestimmte Elemente des Gebäudes", beschreibt Allgaier einige Schritte der Verifikation. "Dadurch haben wir zumindest einen relativ klaren Anhaltspunkt bekommen." Dazu kommen weitere Hinweise wie die Ohrmarken der Rinder oder das vermutliche Datum der Aufnahme. "Also die Verifikation von dem Material ist total wichtig", bestätigt Achinger. Und auch die Einschätzung von Experten. Das können Fachredakteurinnen und Fachredakteure aus dem BR oder externe Expertinnen und Experten zum Beispiel von Universitäten sein. Einige Einschätzungen oder Beurteilungen tauchen später gar nicht im Bericht oder der Reportage auf, sind aber für Journalisten wichtig, um auf der richtigen Fährte zu bleiben.

Schutz der beteiligten Personen

Auch weitere Informationen bleiben ungenannt, um den Landwirt nicht an den Pranger zu stellen. Achinger und Allgaier erwähnen in ihrem Bericht seinen Namen nicht. "Und wir bemühen uns, so zu filmen, dass der Hof nicht in Gänze erkennbar ist", erklärt Allgaier. Da werde mit Ausschnitten gearbeitet und Totalen würden vermieden. "Klar, vielleicht können es die Leute, die direkt im Ort wohnen, nachvollziehen", so Allgaier. Aber Leute von außerhalb eben nicht mehr oder nur mit erheblichem Aufwand.

Und der Schutz der Informanten? "Das ist klar, die muss man natürlich maximal schützen", bestätigt Eva Achinger. Die Vorsicht fange schon bei der Auswahl des Kommunikationsmittels an. Vielleicht telefoniert man nur, weil man keine E-Mails hinterlassen möchte. Achinger verwendet auch oft einen Messenger mit hohen Sicherheitsstandards. Und am Ende steht auch hier die Frage: In welcher Form können die Informanten dann im Bericht vorkommen? "Ich hatte auch schon den Fall, dass sich Mitarbeitende aus einem größeren Betrieb, wo es gravierende Missstände gab, an mich gewandt haben", erzählt Achinger. "Wenn ich jetzt Informationen habe, bei denen klar ist, das können nur die drei Mitarbeiter vor Ort wissen, dann muss ich natürlich kritisch prüfen, ob ich diese Informationen überhaupt veröffentlichen kann."

Bei Behörden nachhaken

Während Informanten auf freiwilliger Basis mit Journalisten sprechen, müssen Behörden das tun. Journalisten haben ein Auskunftsrecht. "Es gibt sehr, sehr zuverlässige Pressestellen", berichtet Eva Achinger von ihren Erfahrungen. "Und dann gibt es manchmal natürlich Fälle, wo man echt richtig, richtig hinterher sein muss, damit man seine Auskünfte bekommt". Es komme des Öfteren vor, dass eine Frage nicht konkret beantwortet werde, sondern als Antwort nur ein Statement zurückkomme. "Wenn das zu unbefriedigend ist, dann kann man ruhig auch nachhaken, weil wir oft - auch jetzt in dem Fall im Allgäu - ganz konkrete Fragen haben." Peter Allgaier kann dem nur zustimmen: "Immer wenn die Behörden sehr knapp antworten, lohnt es sich meiner Erfahrung nach, nochmals nachzufassen, weil da dann häufig tatsächlich etwas im Busch ist."


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