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Wenn der Wolf tanzt und der Bär steppt Musik im Naturfilm

Wie viel Musik verträgt oder braucht überhaupt der Naturfilm? Ganz viel – oder lieber puristisch auf jegliche Musik verzichten? Viele Fragen, und genauso viele Meinungen dazu ...

Stand: 21.06.2021

filmtonart | Bild: BR

"Der Zuschauer versteht nicht unbedingt die Emotionen der Charaktere, z.B. der Gorillas, und die Musik hilft das Verstehen, liefert die Übersetzung und unterstützt die Bilder."

Jörg Magnus Pfeil

Um den schmalen Grat zwischen Vermenschlichung und Verdeutlichung, zwischen Erklären durch und Ertränken in Musik ging es im vielfältig und hochkarätig besetzten Naturfilm-Panel. Einen interessanten Einstieg gab BR-Redakteur Udo A. Zimmermann, der die Filmmusik als unverzichtbare Komponente aufgrund technischer Gegebenheiten verdeutlichte: in den Anfängen war die Tontechnik zu aufwändig, heute ist aufgrund der aufwändigen Kameratechnik (Zeitraffer, High-Speed-Aufnahmen) häufig kein O-Ton mehr verfügbar. Und so kommt der Filmmusik im Naturfilm große Bedeutung zu, so NDR Producerin Susanne Lummer, aber auch als Mittel "zur Abgrenzung verschiedener Charaktere", wie BR-Musikberater Hans Wiedemann erklärt. Nicht immer muss es dabei nach dem Schema "große Landschaft, große Musik – kleiner Käfer, Kribbelkrabbel" zugehen, wie Regisseur und Produzent Jan Michael Haft so schön verdeutlicht. Er ist sich mit seinen Panel-Kollegen über das "Erweckungserlebnis" einig, dass der Film Mikrokosmos bei seiner Veröffentlichung für die Branche bedeutet hatte. Filmkomponist Jörg Magnus Pfeil sieht sein Metier auch als "Chance, was Kontrollierbares hinzuzugeben, was beim Dreh im Naturfilm einfach nicht möglich ist. Wenn man darauf verzichtet, nimmt man sich eines der kontrollierbaren Gewerke". Und so ist es das Zusammenspiel, das beim Naturfilm stimmen muss – dann funktioniert es genauso gut wie diese Podiumsdiskussion.

Von Mäusen, Menschen und Musik

Er kennt die verstecktesten Winkel dieser Welt. Aber genauso gut versteht er es, die Miniaturwelten der Mäuse und Käfer groß in Szene zu setzen. Jan Michael Haft, Autor, Regisseur, Kameramann, Produzent, eigene Produktionsfirma (nautilusfilm) und mehrfacher Preisträger. Wie kaum ein anderer Filmemacher beherrscht es der gebürtige Münchner (*1967), die Faszination der Natur vor die Kamera zu holen. Mit Zeitlupe, Zeitraffer, bewegter Kamera und Makroaufnahmen macht er verborgene Welten sichtbar. Die Belohnung: unzählige nationale und internationale Preise, darunter 2010 die hochdotierte Auszeichnung "Beste Kamera" für "Mythos Wald" auf den beiden wichtigsten Naturfilmfestivals in den USA und England, sozusagen der "Oscar" für Naturfilmer.

Auch der Soundtrack spielt für den studierten Geologen und Biologen eine wichtige Rolle in seinen Filmen – für den es ebenfalls Preise gab wie 2007 der Merit Award Music in Montana für "Deutschlands älteste Bäume". Und zuletzt gleich mehrere Preise auf den New York Festivals, z. B. für "Das grüne Wunder – Unser Wald" (Musik: Jörg Magnus Pfeil) in der Kategorie "Soundtrack/Audio Mix". Gern greift Jan Michael Haft zu ungewöhnlichen Klängen, baut mal einen Jodler ein, oder das Hackbrett, das er und auch seine Frau Melanie, ebenfalls Produzentin bei nautilusfilm, spielen können. Themen für seine Naturfilme werden Jan Michael Haft jedenfalls nie ausgehen. Nach dem deutschen Wald steht jetzt ein Film über amerikanische Nationalparks auf der Liste. Die Dreharbeiten im Great Smoky Mountains National Park in North Carolina und Tennessee werden bis 2015 dauern.

Vom Münsterland in die weite Welt

Die zuständige Expertin beim NDR für Naturfilme ist die studierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin Susanne Lummer. Seit 2007 arbeitet sie als Producerin beim NDR Naturfilm-Team / Doclights GmbH: für die NDR Sendereihe "Expeditionen ins Tierreich", die Reihe "Erlebnis Erde" im Ersten sowie für internationale Naturdokumentationen. Zuvor hatte Susanne Lummer nach ihrem Studium als freie Wissenschaftsjournalistin in München gearbeitet, bis der NDR sie mit einem Volontariat nach Hamburg lockte. Susanne Lummer, die aus dem Münsterland stammt (*1976 in Lüdinghausen), betreut sozusagen "weltweite" Projekte für den NDR, häufig senderübergreifend und in Kooperation mit National Geographic Wild. Die Zuschauer entführt sie dabei in die geheimnisvollen Welten des "Mythos Kongo" oder zeigt ihm "Wildes Skandinavien" von Dänemark bis Grönland, "Wildes Polen" mit Tatra, Ostsee und Masuren oder "Wildes Deutschland" mit der Sächsischen Schweiz, der Lausitz oder auch, ganz heimisch, "Wildes Oldenburger Land" mit Mooren, Wäldern und Wiesen. Zu Susanne Lummers aktuellen Projekten gehören u.a. die Naturfilme "Wildes Italien" und "Wildes Australien".  

Komponieren als Waldspaziergang

Seine Musik ist preisgekrönt und nominiert auf internationalen Festivals. Besonders erfolgreich sind Jörg Magnus Pfeils (*1964) Kompositionen für Naturfilme. So erhielt er beim New York Festival 2013 die Gold World Medal für den besten Soundtrack & Audiomix zu Jan Michael Hafts Kinofilm "Das grüne Wunder – Unser Wald" (gem. mit Siggi Mueller) und 2010 den Merit Award for Music zu Hafts Fernsehfilm "Mythos Wald" beim International Wildlife Film Festival, Missoula in Montana, USA. Auch für verschiedene hochkarätige BR-Produktionen schrieb Jörg Magnus Pfeil, der schon seit über 25 Jahren als Musiker und Komponist arbeitet, die Filmmusik – darunter der moderne Heimatfilm "Die Route" und die historische Reihe "Das bayerische Jahrtausend". Aber auf Jörg Magnus Pfeils musikalischer Palette stehen ebenso Musiken für Werbung, Imagefilme, TV-Komödien und -serien. Er studierte Musikwissenschaften an der Universität Mainz sowie Jazz- und Popularmusik und Klavier in Frankfurt/Main und Bern. Darüber hinaus war er Pianist in verschiedensten Band-Formationen und sammelte Erfahrungen als Songwriter und Komponist. Seit 2000 lebt Jörg Magnus Pfeil als Filmkomponist in München.   

Musikexperte par excellence

Mit Filmmusik kennt er sich bestens aus: Hans Wiedemann, Komponist und Musikberater beim BR. So schuf er nicht nur den Soundtrack für Krimis, sondern auch für Dokumentationen und Naturfilme. Er schrieb u. a. die Musik für die beiden BR-"Polizeiruf 110"-Folgen "Schuld" und "Denn sie wissen nicht, was sie tun" sowie für diverse Folgen der BR-Reihe "Welt der Tiere". Weitere Produktionen mit Musik von Hans Wiedemann sind : das preisgekrönte Langzeit-Porträt "Marcel – Ein Kämpfchen, das wär' schön" über einen kämpferischen unangepassten Pädagogen und die Dokumentation "Lieben lernen" über die Schauspielerin Natja Brunckhorst und ihr Leben nach ihrer Hauptrolle im Kino-Erfolg "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

Natur pur

Udo A. Zimmermann ist der passende Ansprechpartner, wenn es um die Realisierung von Naturdokumentationen geht. Der 1950 in Passau geborene Journalist leitet seit 2005 die BR-Fernsehredaktion "Tiere und Natur" und hat in diesem Bereich schon unzählige Projekte erfolgreich betreut. Dazu gehören z. B. die ARD-Reihen "Zuflucht Wildnis" und "Nashorn, Zebra & Co.". Im BFS zeichnet er für die Reihen "Natur exclusiv", "Welt der Tiere" und "Zeit für Tiere" sowie für "Querbeet" verantwortlich. Viele dieser hochwertigen Produktionen werden international vermarktet.

Moderation

Moritz Holfelder, geboren 1958, studierte in München Kommunikationswissenschaften, Kunstgeschichte und Germanistik. Seit 1985 arbeitet er als Autor, Redakteur und Moderator beim Bayerischen Rundfunk, u. a. für Kultur und Literatur in Bayern 2. Darüber hinaus publiziert er in zahlreichen überregionalen Zeitungen und ist Autor diverser Bücher, wie z. B. "Werner Herzog. Die Biographie" (2012). Seine Architektur-Hörbücher, etwa über den Schweizer Baumeister Peter Zumthor, wurden 2012 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Moritz Holfelder lebt in München und Berlin.

Gäste

Jan Michael Haft | Naturfilmregisseur und -produzent

Susanne Lummer | Producerin NDR Naturfilm

Jörg Magnus Pfeil | Filmkomponist

Hans Wiedemann | Musikberater, BR

Udo A. Zimmermann | Redakteur Tiere und Natur, BR

Moderation

Moritz Holfelder | Redakteur • Autor Kultur + Literatur Bayern 2, BR


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