Rückschau Mundartlesung Wie einem der Schnabel gewachsen ist...
Im Pfarrhof Gempfing lasen am 11. Juni 2016 Sprecherinnen und Sprecher des Bayerischen Rundfunks Tiefschürfendes, Abgründiges und Hintersinniges über Bayern von Bayern. Dialektsicherheit war gefragt!
Mit einer zarten und geruchsintensiven Liebesgeschichte zwischen einem Radi (Rettich) und einer gelben Ruam (Rübe) begann diese ganz besondere Sprech(er)stunde im heimeligen Pfarrhof von Gempfing im Landkreis Donau-Ries. Den Autor kannten wohl die meisten der etwa 60 Zuhörer im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal bis dahin nur als Maler: Carl Spitzweg. Yvonne von Bibra hatte noch eine weitere Entdeckung auf Lager: eine der sehr atmosphärischen „Lausdirndlgeschichten“ von Lena Christ, mit denen sich die Autorin beim Kollegen Ludwig Thoma unbeliebt machte. Der empfand diese Genrebilder zu Unrecht als plumpe Nachahmung seiner „Lausbubengeschichten“ .
"Jetz red' doch ned so saudumm daher!"
Für Karl Valentins Dialog um eine verlorene Brille verwandelte sich Florian Schwarz mit Kopftuch flugs (und auch in der Stimmfarbe sehr glaubwürdig) in Liesl Karlstadt, den Valentin-Part übernahm Michael Atzinger.
Michael Schneider steuerte Nostalgisches von Hannes König und Carl Oskar Renner aus der Turmschreiber-Zunft bei - und für Giesinger Melancholie sorgte ein Auszug aus dem Roman „Und keiner weint mir nach“ des Münchner Schriftstellers und Journalisten Sigi Sommer.
„Die beliebteste bayerische Freizeitunterhaltung besteht darin, Touristen den falschen Weg zum Hofbräuhaus zu zeigen.“
Wer sich noch nie über den Unterschied zwischen edlem „Käse“ und derbem „Kas“ Gedanken gemacht hatte, wurde durch einen Text von Joseph Maria Lutz kulinarisch auf den neuesten Stand gebracht. Und zum Schluss erforschte ein aus Texas gebürtiger Professor die für alle Nicht-Bayern befremdlichen Spiel- und Sportaktivitäten des eigentümlichen Stamms der Bajuwaren – Fingerhakeln und Raufen inklusive.
Martin Fogt hatte auch diese Veranstaltung organisiert und moderierte gewohnt sinnig-hintersinnig.
Musik von der Hofmarkmusik Gempfing
Schon zum dritten Mal (nach Auftritten in der ehemaligen Synagoge Ichenhausen und im Funkhaus in München) wurden die Sprecherinnen und Sprecher von der wunderbar wandlungsfähigen Hofmarkmusik Gempfing begleitet, deren Repertoire Volksmusik aus Bayern, Schwaben und Österreich genauso abdeckt wie Kompositionen aus Skandinavien, Mazedonien und Irland – bis hin zu traumverlorenen Klezmerstücken. Vielseitiger kann Stubnmusi nicht sein.
Die Besetzung: Rita Brunner, Violine, Angela Hofgärtner, Harfe, Hartmut Betz, Klarinette, Erich Hofgärtner, diatonisches Hackbrett, und Hannes Schmauch, Kontrabass.
Spenden zugunsten der Aktion Sternstunden
Der Jubel im Publikum über zwei kurzweilige Stunden war groß; nicht minder groß die Spendenbereitschaft: stattliche 1.056 Euro kamen für die Aktion "Sternstunden" des Bayerischen Rundfunks zusammen – bezogen auf die Besucherzahl das beste Ergebnis aller bisherigen Sprech(er)stunden.
Herzlichen Dank an alle Spender!
Die mitwirkenden Sprecher und ihre Texte
Manuskript und Moderation
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Carl Spitzweg: Der Radi und die gelbe Rubn
in: Und abends tu ich dichten. Gedichte und Zeichnungen
dtv Verlag, München 1997
Lena Christ: Das gute Geschäft.
in: Lausdirndlgeschichten
Edition monacensia/Allitera Verlag, München 2012
Lesen Sie eine Textprobe des Abends: Carl Spitzwegs "Der Radi und die gelbe Rubn"
Der Radi und die gelbe Rubn Format: PDF Größe: 233,9 KB
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Siegfried ("Sigi") Sommer: Und keiner weint mir nach.
Süddeutscher Verlag, München 1954
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Karl Valentin: "Wo ist meine Brille"
in: Sämtliche Werke in acht Bänden. Dialoge. Band 4.
Herausgeber Helmut Bachmeier und Manfred Faust.
Verlag Piper, München - Zürich
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Carl Oskar Renner: Die Kreide
Hannes König: Zwei Zithergeschichten
Der Turmschreiber-Kalender
W. Ludwig Verlag, Pfaffenhofen 1982