Erster Israelisch-Europäischer Mediengipfel Vier Fragen an Dr. Susanne Glass
Am Dienstag beginnt der Erste Israelisch-Europäische Mediengipfel - wegen Corona online. Wir haben mit Dr. Susanne Glass vom ARD-Studio Tel Aviv gesprochen. Gemeinsam mit Jenny Havemann, Entrepreneurin und Bloggerin, veranstaltet sie das Event.
Beim Ersten Israelisch-Europäischen Mediengipfel treffen Meinungsbildner aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion aufeinander. An drei Tagen diskutieren Sie über das Verhältnis Europa und Israel, über zunehmenden Antisemitismus und darüber, wie man das Gedenken an den Holocaust bewahren kann. Jeder Interessierte kann an dem Event online kostenfrei teilnehmen. Wie entstand diese Idee?
Sie entstand aus der Überzeugung, dass kleine Initiativen große Wirkung entfalten können. Und aus der Erfahrung, dass wir der gefährlichen Polarisierung unserer Gesellschaften am effizientesten mit Gesprächsbereitschaft, direktem Austausch, Transparenz und Aufklärung begegnen können.
Wir sind doch alle sehr besorgt über die Zunahme von Antisemitismus in Deutschland, über extremistisch motivierten Terror und Gewalt. Was setzt man Hassreden, Fake-News und Verschwörungstheorien entgegen? Werden wir Medienschaffende unserer Verantwortung gerecht und wie erreicht man die junge Social-Media-Generation? Diese Fragen treiben uns um. Wir müssen uns damit auseinandersetzen – möglichst über jedwede Grenzen hinweg.
2007, noch zu meiner Zeit im ARD-Studio Wien, war ich Mitbegründerin des mittlerweile renommierten jährlichen Europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg. Das Thema war: "Haben wir Grund für EUphobie oder EUphorie?". Ich war begeistert, wie tiefgehend und inspirierend diese zum Teil sehr kontroversen Gespräche und die dadurch entstehenden Kontakte für alle waren.
Als ich die Studioleitung in Tel Aviv übernommen habe, war ich von Anfang an der Meinung, dass ein solcher Austausch über Grenzen hinweg gerade in dieser Region extrem wichtig wäre. Es hat dann noch ein wenig gedauert, bis ich mit der Entrepreneurin und Bloggerin Jenny Havemann die ideale und ähnlich idealistische Partnerin für ein solches Event gefunden habe. Übrigens haben wir uns zunächst über einen hitzigen Streit via Twitter kennengelernt. Weil die junge, modern-orthodoxe Jüdin Jenny so Einiges an der Berichterstattung über die Palästinenser auszusetzen hatte. Ich habe sie angeschrieben und zu einem Kaffee im Studio eingeladen. Mittlerweile sind wir gut befreundet, mit viel Verständnis für einander – wenn auch weiterhin nicht immer einer Meinung.
Sie sind seit 2016 Leiterin des ARD-Studios Tel Aviv. Aus Ihrer Erfahrung heraus gefragt, in welchen Bereichen funktionieren die Beziehungen zwischen Europa und Israel gut, wo liegen Schwierigkeiten?
Da darf man sich nichts vormachen: Mit Abstand wichtigster politischer Partner für die israelische Regierung von Premier Netanjahu sind die USA. Mit Trump verbindet Netanjahu auch persönlich sehr viel.
Die Beziehungen zur EU werden zwar gut gepflegt und wertgeschätzt, aber deren direkter Einfluss auf Israel ist begrenzt. Die Kritik der EU vor allem am Umgang mit den Palästinensern empfinden viele Israelis als ungerecht und anmaßend.
Anders sieht es mit den Beziehungen zu Deutschland aus. Die kommen auf der israelischen Prioritätenliste gleich hinter den USA. Was aufgrund unserer Geschichte ein wunderbares, nicht selbstverständliches Privileg ist. Der neue israelische Außenminister Ashkenazi hat seinen ersten Antrittsbesuch in Berlin gemacht. Wir haben Ashkenazi und Deutschlands Außenminister Maas beim Gipfel. Ich bin gespannt, wie sie die aktuelle Situation einschätzen.
Wegen Corona findet der Mediengipfel, der Media Startup Tel Aviv, ausschließlich online statt. Wie hat man sich das vorzustellen?
Das ist vor allem auch eine große Herausforderung für unsere technischen Mitarbeiter im Studio. Es ist großartig, was sie dafür auf die Beine gestellt haben. Jenny und ich werden vom Studio aus die jeweiligen Programmpunkte anmoderieren. Dann schalten wir die Speaker live zu, von wo immer sie gerade vor ihrem Laptop sitzen. Manche der Keynotes wurden auch voraufgezeichnet.
Können sich die Zuschauerinnen und Zuschauer aktiv mit einbringen? Wie können Fragen gestellt werden?
Klar! Wer sich im Vorfeld für den Mediengipfel registriert, kann Fragen und Anregungen schon per Mail einreichen. Ansonsten geht es über die Chatfunktion.
Was wäre für Sie als eine der Veranstalterinnen des Events das schönste Ergebnis des Gipfels?
Wenn am Ende alle Beteiligten sagen, dass sie viele neue Erkenntnisse und Anregungen gewonnen haben. Sie dürfen auch gerne mindestens so viele Fragen wie Antworten mitnehmen. Denn wer Fragen hat, bleibt gesprächsbereit.
Und natürlich hoffe ich, dass wir im nächsten Jahr den Zweiten Israelisch-Europäischen Mediengipfel als Präsenzveranstaltung in Tel Aviv abhalten können.