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"Bene Merito" Preis für Thomas Muggenthaler

Für seine Beiträge zum Thema "Polnische Zwangsarbeiter in Bayern" ist BR-Reporter Thomas Mugggenthaler mit der Auszeichnung "Bene Merito" der Republik Polen geehrt worden. Seine Arbeit trägt zum gegenseitigen Verständnis bei und schafft Raum für Dialog und Freundschaft, so der Laudator.

Stand: 15.09.2015

Thomas Muggenthaler bei seiner Rede. | Bild: picture-alliance/dpa

Über zwanzig polnische Zwangsarbeiter sind zwischen 1941 und 1943 in Niederbayern und der Oberpfalz hingerichtet worden. Über 60 Menschen waren es in ganz Bayern. Der Grund: ihre Liebesbeziehungen zu deutschen Frauen. Dies deckte Thomas Muggenthaler bei seinen langjährigen Recherchen auf.

Generalkonsul Andrzej Osiak bei der Preisverleihung im Gespräch mit Bayern-2-Chef Wolfgang Aigner

"Thomas Muggenthaler ist einer der Kollegen, auf die wir von Bayern 2 besonders stolz sein können. Er recherchiert seit vielen Jahren mit einer ungeheuren Zähigkeit und gegen viele Widerstände Verbrechen aus der Nazizeit, die oft regelrecht tabuisiert wurden, deren Aufdeckung aber heute noch genauso wichtig ist wie sie es gleich nach dem Untergang der Hitlerdiktatur gewesen wäre. Dies umso mehr, als es immer noch und heute wieder Unbelehrbare gibt, die diese Verbrechen verharmlosen oder gar leugnen. Deshalb hat er nicht nur diesen polnischen Orden verdient, sondern auch unseren allergrößten Respekt!"

Wolfgang Aigner, Programmbereichsleiter Bayern 2

Sorgfalt, Hartnäckigkeit und Einfühlungsvermögen

Seit mehreren Jahren recherchiert Thomas Muggenthaler schon zum Thema. In dieser Zeit sind verschiedene Beiträge für Hörfunk und Fernsehen entstanden.

"Ich finde es bewundernswert, mit welcher Sorgfalt, Hartnäckigkeit und mit welchem Einfühlungsvermögen sich Thomas Muggenthaler dem Thema gewidmet hat. Er ist immer dran geblieben und hat in Dörfern recherchiert, in denen das Thema tabuisiert wurde. Er hat es geschafft, dort dann tatsächlich Menschen zu finden, die ihn an die Stellen der Hinrichtungen geführt haben. Das war eine großartige Leistung."

Ulrike Hagen, Bayern 2

"Gesellschaft voll Liebe statt Hass"

Die Medaille "Bene Merito" wird seit 2009 vom polnischen Außenministerium an Menschen verliehen, die sich im Ausland für Polen stark gemacht haben.

Die jetzigen polnisch-deutschen Beziehungen seien ein "Beispiel für die Versöhnung, die auf Partnerschaft und gegenseitiger Verständigung basiert". Dies betonte Artur Nowak-Far, Staatssekretär im polnischen Außenministerium, in seiner Laudatio. Man müsse dabei immer den historischen Kontext im Hinterkopf behalten - wie eben die Erforschung und Dokumentation der Geschichte der Zwangsarbeiter in Bayern.

Artur Nowak-Far (re.) gratuliert Thomas Muggenthaler.

"Thomas Muggenthalers Arbeit trägt zum gegenseitigen Verständnis bei und schafft Raum für Dialog und Freundschaft. Dank der Arbeit, die Herr Muggenthaler geleistet hat, konnte die schwierige Geschichte der zur damaligen Zeit 'verbotenen Liebe' polnischer Männer zu deutschen Frauen in bayerischen Landwirtschaftsbetrieben dokumentiert werden. Seine Recherchen bilden einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an den Tod der Polen und setzen einen Impuls im Aufarbeitungsprozess der Geschichte der Zwangsarbeiter in Bayern im Zweiten Weltkrieg. Dank gemeinsamer Bemühungen um kluge und verantwortungsvolle Erinnerung an die Vergangenheit können wir eine Gesellschaft entwickeln, in der Liebe vorherrscht und in der es keinen Platz für Gleichgültigkeit, Hass und Herabwertung eines anderen Menschen gibt."

Prof. Dr. hab. Artur Nowak-Far, Staatssekretär im polnischen Außenministerium

Auszug aus der Dankesrede von Thomas Muggenthaler

"Es ist eine große Ehre für mich, diese Auszeichnung entgegen nehmen zu dürfen, wenn auch das Thema ein sehr trauriges ist. Mich freut natürlich auch das große Interesse, auf das meine Recherchen gestoßen sind.

Ein paar Worte zu diesem Projekt, zu dem Thema, das damit dem "Vergessen entrissen werden" soll: Die Hinrichtungen polnischer Zwangsarbeiter in Bayern. Ich war selbst überrascht, wie sehr diese Morde heute noch tabuisiert sind, wie sehr sie verschwiegen und verdrängt werden.

Hinrichtung-Zwangsarbeiter-Michelsneukirchen-100

Das erste Mal auf so einen Fall gestoßen bin ich bei den Recherchen zu meiner Magisterarbeit. Das Thema: Cham in der NS Zeit. Das war 1985. Das ist jetzt 30 Jahre her. Mit das erste, was mir Zeitzeugen erzählt haben, war: In Michelsneukirchen wurde ein Pole erhängt, weil er ein Liebensverhältnis mit einer Deutschen hatte. Ich bin dann während des Studiums regelmäßig durch Michelsneukirchen gefahren, auf meinem Weg von Regensburg zu meinen Eltern nach Cham. Oft habe ich mich gefragt: Wo wird es gewesen sein, wo haben sie den Polen aufgehängt?

Intensiv mit dem Thema Zwangsarbeit beschäftigt habe ich mich erst wieder 15 Jahre später. Als die Entschädigungsdebatte auf dem Höhepunkt war. Damals habe ich für den Hörfunk in Polen ehemalige Zwangsarbeiter gesucht.  Die Sendung hieß "Sklave für Deutschland".

Es folgte auch ein Buch zum Thema mit dem Titel "Wir hatten keine Jugend". Bei diesen Recherchen fand ich im Staatsarchiv Amberg Akten, die 22 Hinrichtungen polnischer Zwangsarbeiter in Niederbayern und der Oberpfalz dokumentierten, also im Bereich der Gestapostelle Regensburg. Das sind Akten der Staatsanwaltschaft, die nach dem Krieg wegen dieser Hinrichtungen gegen ehemalige Gestapo-Beamte ermittelte. Ich kannte viele dieser Hinrichtungen nicht, und stellte fest, dass diese Morde in manchen Orten schlicht kein Thema sind.

Zum Nachhören "Verbrechen Liebe"

Oft war der Grund für die Sonderbehandlung - so wurden diese Hinrichtungen genannt - schlicht: Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen. Das war den rassisch als minderwertig bezeichneten Polen strikt verboten. Durchgeführt haben diese Morde Kommandos aus den Konzen-trationslagern Dachau und Flossenbürg. Daraus entstand 2003 dann das Hörfunkfeature "Verbrechen Liebe". 

2007 tauchten in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Fotos einer solchen Exekution auf. Nachdem mir in Michelsneukirchen, unter dem ausdrücklichen Siegel der Verschwiegenheit wohl gemerkt, endlich jemand den Tatort gezeigt hatte, konnte ich nachweisen: Diese Fotos zeigen die Hinrichtung von Julian Majka in Michelsneukirchen am 19. April 1941, der eine Liebesbeziehung mit einer deutschen Frau eingegangen war.

Die beiden Bäume, die für den Galgen genutzt worden waren, standen noch. Sie sind auf den Fotos gut zu erkennen. In die Bäume waren Kreuze eingeritzt, als Zeichen der Trauer, der Erinnerung. Aber im Ort herrschte Schweigen.

Helene Wimmer und Kazimierz Rafalski

Ich habe in Polen dann auch Irena Kaczmarczyk ausfindig gemacht, die Tochter, die Julian Majka hatte, bevor er als Kriegsgefangener nach Deutschland kam. Sie hat die ganze Geschichte erst von mir erfahren. Sie kommt im Film "Verbrechen Liebe" vor. Dort berichtet auch Helene Wimmer aus Niederbayern über ihr Schicksal. Sie wurde in das KZ Ravensbrück verschleppt. Schlicht, weil sie ein Kind von dem Mann bekommen hatte, den sie liebte - und der Pole war. 

Wie vergessen diese Fälle sind, zeigt, dass nach meinen Recherchen in vier Orten Marterl oder Gedenksteine errichtet wurden. Weitere Orte werden wohl hinzu kommen. Nittenau bei Schwandorf, Bad Abbach bei Regensburg. Der "Weitwinkel" auf Bayern 2 zu diesen Orten wird wohl nicht die letzte Sendung gewesen sein, denn die Debatten gehen weiter. Es gibt aber noch einige Gemeinden, die sich nicht an diese Verbrechen erinnern wollen.

Für mich ist das Thema nicht beendet. Ich bin dabei die Hinrichtungen für ganz Bayern zu recherchieren, also auch für die Bereiche der Gestapoleitstellen München und Nürnberg. Viel Arbeit, aber auch eine spannende Recherche.

Es ist noch einiges zu tun! Und: Es ist natürlich so, dass man immer jemanden braucht, der eine Sendung nimmt, sonst hilft ja die beste Idee nichts, es sind ja einige Repräsentanten des BR hier. Ich hoffe wir machen auf diesem Weg weiter!" 


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