Auf dem rechten Auge hellwach Eine neue Partei - ganz rechtsaußen
Die Zutaten extrem rechter Ideologie sind stets die selben: Rassismus, Gewalt, Sehnsucht nach einem starken Führer, Hass auf alles, was nicht ins eigene Weltbild passt. Doch das Gewand, in dem diese Ideologie daherkommt, wandelt sich ständig. Deshalb gilt: Hellwach sein auf dem rechten Auge.
Von: Thies Marsen
Ein dreiviertel Jahr ist es inzwischen her, dass Polizei und Staatsanwaltschaften zuschlugen: Die Beamten durchsuchten rund 70 Wohnung in ganz Bayern, beschlagnahmten kistenweise Propagandamaterial, Neonazi-Musik, Hakenkreuzfahnen und auch Waffen. Ziel der großangelegten Razzia: Das Freie Netz Süd (FNS). Jahrelang hatten die Behörden dem Treiben dieses Dachverbands der bayerischen Neonazi-Kameradschaften mehr oder weniger tatenlos zugeschaut. Nun sollte endlich ernst gemacht und Beweise sichergestellt werden, um das größte und aktivste militante braune Netzwerk im Freistaat verbieten zu können. Das war kurz vor der Landtagswahl.
Aktiv wie eh und je
Neun Monate später ist das FNS immer noch genauso aktiv wie zuvor, auf seiner Homepage wird weiter Neonazipropaganda betrieben, wird gegen Migranten und politische Gegner gehetzt, werden Anschläge auf Asylbewerberheime und Antifaschisten nicht nur klammheimlich gefeiert. Auf die Frage, wie weit das Verbotsverfahren schon gediehen ist, gibt es von Seiten des Innenministeriums keine Auskunft – aus ermittlungstaktischen Gründen. Doch selbst wenn das Verbot demnächst doch noch kommen sollte – die Nazis haben längst vorgesorgt. „Der Dritte Weg“ nennt sich die Kleinstpartei, die erst vor einem halben Jahr gegründet wurde, für die sich aber längst zahlreiche bayerische Neonazis engagieren, die bislang im Freien Netz Süd mitmischen und von denen viele einschlägig vorbestraft sind.
Einer von ihnen ist Tony Gentsch, der in Oberprex im Landkreis Hof nicht nur einen Neonaziversand, sondern auch ein sogenanntes „nationales Zentrum“ betreibt, ein Treffpunkt für extrem rechte Aktivisten aus Bayern, Sachsen, aber auch aus Tschechien und anderen europäischen Staaten. Oder Matthias Fischer aus Fürth, seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Kader der Neonazi-Szene im Freistaat, der auch schon wegen Volksverhetzung im Gefängnis saß. Oder der Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger, verurteilt, weil er an den Planungen für einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München beteiligt war. Als der Dritte Weg im März zur Gründungsversammlung eines „Stützpunktes“ in München lud, gab sich auch Statzbergers damaliger Mitverschwörer die Ehre: Martin Wiese, der wohl demnächst wieder im Knast sitzen wird, weil er auf einer Veranstaltung des Freien Netz Süd von der Bühne herab Neonazigegnern die Todesstrafe androhte.
"Der Dritte Weg" - rechter Wein in neuen Schläuchen
Das Personal der neuen Partei ist also altbekannt und auch die Ideologie ist der übliche Aufguss abgestandener brauner Brühe. In einem Zehn-Punkte-Programm, dass kaum verhohlen an das Parteiprogramm der NSDAP anknüpft, wird vor dem angeblich „drohenden Volkstod“ und „Überfremdung“ gewarnt und die Wiederherstellung des Deutschen Reiches gefordert. Auch was seine Aktionen angeht, bleibt der Dritte Weg im selben braunen Fahrwasser, auf dem schon das Freien Netz Süd geschwommen ist, etwa Kundgebungen in Erinnerung an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel oder Trauermärsche anlässlich der Bombardierung Dresdens. Ein gemeinsamer Kegelabend von Neonazis aus Fürth und Nürnberg, um Geld für den Dritten Weg zu sammeln, ist da schon der Gipfel der Innovation. Erschreckend am Dritten Weg sind weniger die Inhalte und Aktionen, es ist eher die Dreistigkeit, mit der Neonazis vor den Augen der Behörden schon ihre nächste Organisation aufbauen, während ihre alte noch nicht einmal verboten ist. Veranstaltungen und Aktionen des Dritten Wegs werden offen auf der Homepage des Freien Netz Süd beworben, schon auf der Startseite prangt ein Button, der direkt auf die Seite des Dritten Wegs führt. Keine Frage: Die Neonazis müssen sich schon sehr sicher fühlen.
Der Staat sieht zu
Bericht vom 22. Juli 2013
Es ist mittlerweile genau zehn Jahre her, dass in Bayern die letzte neonazistische Organisation verboten wurde: Die Fränkische Aktionsfront. Viele der damaligen FAF-Mitglieder mischen heute im Freien Netz Süd mit, Fotos belegen, dass sie bei ihren Aktionen teilweise sogar noch die selben Transparente benutzen wie damals, nur dass sie inzwischen den Schriftzug Fränkische Aktionsfront abgetrennt haben. Wie auch sonst vieles darauf hindeutet, dass das FNS eine Nachfolgeorganisation der FAF ist. Inzwischen allerdings hat sich das Freie Netz Süd im Gegensatz zur FAF längst über Franken hinaus ausgebreitet und ist im ganzen Freistaat aktiv. Verantwortlich dafür sind auch die Sicherheitsbehörden, die so lange tatenlos blieben. Und wenn sie noch länger tatenlos bleiben, können sie sich das Verbotsverfahren auch ganz sparen. Die Neonazis haben sich längst ihre nächste Nachfolgeorganisation aufgebaut.