Alter Militärstützpunkt unterm Mittagskofel in den Julischen Alpen Das Bivacco Alpini Gemona im Friaul
Das Bivacco Gemona auf 1900 Metern Höhe in den Julischen Alpen ist kein alpinistisch notwendiger Stützpunkt. Aber der kleine Bau aus grauen Steinquadern ist ein besonderer Ort für die Suche nach einer friedlichen Atmosphäre. Das Biwak war einmal die Kapelle im Stellungssystem des Alpini-Bataillons Gemona, das hier am Berg Miezengnot, dem Mittagskofel, vor über 100 Jahren stationiert war.
Knapp über der Baumgrenze geht der Militärweg, der breit genug für einen Eselskarren war, über in die schottrige Gipfelflanke des Miezengnot.
Auf der geschützten Leeseite des Bergkamms hatten sich die italienischen Alpini in die Felsen gegraben. Nur Ruinen sind von den Gebäuden übrig, bis auf einen rechteckigen Bau aus grauen Felsquadern: das „Bivacco Germona“. Niemand war sonst unterwegs, aber außen lehnen Stöcke. Innen sind Lara, Allessandro, Alex und Alessandro Junior, eine Familie aus Udine, der Hauptstadt des Friaul. „Das Biwak stammt aus dem Ersten Weltkrieg. Es ist das ganze Jahr offen, und es genügt, alles in Ordnung und sauber zu hinterlassen. Man kann kommen, schlafen, alles, was man will“, erklärt Alessandro. Das Gebäude war einst die Kapelle im Bataillonsgefechtsstand, dann wurde der Steinbau zum Biwak umfunktioniert.
Ein Drei-Etagenbett steht an der Rückseite, davor ein großer Tisch, an dem Alessandro gerade eine Cacciatore-Salami aufschneidet und zum Mitessen einlädt. Sie machen Pause auf ihrer Wanderung, sagt Alex. Zwei Stunden sind es herauf vom Sompdogna-Pass, den man nach langer wilder Bergfahrt auf einem kleinen Sträßchen mit dem Auto erreichen kann. Vor 10 Jahren haben sie hier übernachtet, um ein besonderes Erlebnis ohne Strom und Licht zu haben. „Ganz in Frieden, in der Stille, in der Natur“, ergänzt Lara. Ob das Gefühl in der Nacht mitten in den Ruinen der Weltkriegsstellung wirklich so beschaulich war, frage ich sie: „Da laufen dir Schauer über den Rücken! Denn wir haben so vieles und nehmen wenig Mühe auf uns, während es für sie damals echt hart war; es gab ja nichts, keine gute Ausrüstung.“
Das Biwak ist ein Übernachtungsort zwischen Gruseln und Großartigkeit. „Aber spannend ist es hier“, sagt der Bursche Alessandro Junior, der mit dabei ist: „Da liegen noch Granatsplitter, Konservendosen, Schuhsohlen“. Zweimal wurde das Bataglione Gemona hier oben in schwere Gefechte verwickelt, als die Kaiserjäger versuchten, Pontebba und die Barrikaden im Kanaltal zu umgehen. Heute erinnern nur Ruinen und Reste an diese tragische Vergangenheit - und natürlich das Biwak. „Jetzt ist alles friedlich, man sieht die Kette der Julischen Alpen“, erklärt Alessandro und zeigt auf die großen Felsgipfel gegenüber vom Monte Cimone über den Montasio zum Jof Fuart. Es sind gewaltige und wilde Bergmassive aus Kalk, die sich gegenüber aufbauen. „Wenn du wissen willst, welcher Berg der gefährlichste ist“, sagt Alessandro, der schon auf allen droben war, „das ist der Jof Fuart. Da gibt es keine Haken, kein Drahtseil, man muss alles selbst machen.“
Nur ein paar Meter sind es auf den Bergkamm hinter uns: Miezengnot, so heißt der Gipfel im friulanischen Dialekt, was übersetzt so viel wie Mitternacht oder Mittagskofel bedeutet. Es ist der östliche Eckepunkt im Bergkamm über dem Kanaltal, wo der Höhenweg des Bataglione Gemona weiterführt. Man braucht das Biwak nicht unbedingt für eine ausgedehnte Tour auf diesen Bergen, aber es ist ein sehr spezieller Ort, um innezuhalten - vielleicht auch ein Ort, um inmitten der Überreste des Gebirgskriegs ein bisschen Frieden zu finden.