Das Bivacco della Pace in der Fanes Ein Relikt aus dem Gebirgskrieg am Monte Castello
Bivacco della Pace – „Biwak des Friedens“ heißt der Platz. Erreichbar ist es ohne große Schwierigkeiten auf einem normalen Wanderweg. Die Lage aber ist herausragend, denn der Platz wurde einst ausgewählt, um im Dolomitenkrieg 1915 bis 1917 eine möglichst gute Aussicht auf die umliegenden Berge zu haben.
Gleich zwei besonders schön gelegene und kulinarisch vorzügliche Hütten stehen am Rand der großen Hochfläche der Fanes über dem Rautal, das von St.Vigil in Enneberg her tief ins Gebirge führt. Es ist die Heimat der Hüttenwirtsfamilie von Max Mutschlechner, die aus St.Vigil stammt und wie es Max sagt, „immer schon da“ ist. Immer schon da sind auch die großkalibrigen Geschosse, die wie zur Zierde vor der Faneshütte stehen, eisenhart und blankpoliert, und so mancher fragt sich, wie die hierherkommen. Die Antwort findet sich ein Stück weiter südwestlich: Hinter dem Limojoch, am Limosee weitet sich die nächste Hochfläche der Groß-Fanesalm, zu der auch Wege vom Gadertal und aus Cortina führen. Hier kommen die Dolomiten ihrem Wesenskern vielleicht am nächsten: die „Bleichen Berge“, die „Monti Pallidi“, wie sie früher genannt wurden - eine Mondlandschaft wie aus dem Bilderbuch
„Un paesaggio lunare“, eine Mondlandschaft, sagt eine Wanderin: „Atemberaubend, fantastisch, wunderschön“. Wie Blätterteig stapeln sich Gesteinsschichten in den umliegenden Bergen übereinander. Dann wieder sind es eher Tiramisu-artig fette Schichten. Felskanten wurden von der Erosion chirurgisch präzise herausgeschnitten, sind hunderte Meter abgestürzt und dann in ein Brockenmeer zerborsten. Hier führt der Wanderweg hinauf durch die fahlhelle Mondlandschaft des Vallon Bianco und folgt der alten Telegrafenlinie, die 1915 zurück übers Limojoch und die Faneshütte bis zum Talschluss des Rautals in Pederü führte.
Unten in Pederü hatten die Kaiserjäger ein von einem Kriegsschiff abmontiertes Geschütz aufgestellt. Wir folgen einzelnen Pfählen und Metallteilen durch die karstige Felsbrockenlandschaft hinauf zum Bergkamm. Zwischen den knapp 3000 Meter hohen Gipfeln der Furcia Rossa und dem Monte Cavallo hat dort ein monolithischer Felsquader allen Stürmen, Eis und dem Stahlgewitter des Ersten Weltkriegs standgehalten. Wie der Backenzahn eines Auerochsen schaut er aus: der Monte Castello, atemberaubend, wie die Aussicht hier oben auf 2700 Metern. Wer einmal hier war, vergisst den Platz nicht mehr. Der Tiefblick hinunter ins Travenanzes-Tal ist schwindelerregend, aus der Tiefe schrauben sich die Gebirgskörper der Tofanen in den Himmel. Genau hier lag der Artilleriebeobachter und dirigierte das Großkalibergeschütz im Zielgebiet zwischen Lagazuoi und Tofana. Sein Unterstand befand sich auf der Leeseite des Felskopfs des Monte Castello und wurde zum Biwak, bestens geschützt, unter eine Felsrippe geduckt, ein einfacher Holzverschlag. Im Winter sicher irre kalt. Später haben die Mutschlechners das Biwak wiederhergerichtet, und 1973 hat ihm dann Walter Schaumann das heutige Aussehen und den Namen gegeben: „Bivacco della Pace“ - Biwak des Friedens. Der im Jahr 2004 verstorbene österreichische Armeeoberst war der Begründer der Friedenswege. Noch in der politischen Unruhezeit der Bomberjahre hatte er als österreichischer Offizier mit seiner Frau der italienischen Regierung in Rom seine Idee präsentiert.
Das Bivacco della Pace wurde zum ersten Stützpunkt, um den damaligen Kriegssteig über die Furcia Rossa zum heutigen Klettersteig auszubauen. Daraus ist ein ganzes Netz an Friedenswegen entstanden, die seither auch von anderen Initiativen entlang der ehemaligen Alpenfront entwickelt wurden. So ist das Biwak weniger eine alpine Notunterkunft als vielmehr ein Platz, um innezuhalten. Wie im Brennglas mischt sich hier die größte alpine Schönheit mit der tiefsten Erschütterung über menschlichen Wahnsinn. Das sagenhafte Gebirgspanorama ist das gleiche: für den Artilleriebeobachter damals wie für uns heute. Möge es ein Bivacco della Pace bleiben!