Isolation zum Schutz der Gesellschaft Coronavirus: Kinder als Gefahr für Risikogruppen
Schulen, Kindergärten und Tagesstätten sind zu, die Situation bei Eltern und Kindern ist angespannt. Eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus muss verhindert werden – auch, um Risikogruppen zu schützen. Doch wie stark stecken Kinder sich und andere an?
Bereits in der vergangenen Woche sind die mehr als 1.100 Schüler und 150 Lehrer des Rupprecht-Gymnasiums in München nach Hause geschickt worden – eine Vorsichtsmaßnahme in Zeiten des Coronavirus. Für Schulleiter Robert Grahl eine zwingend notwendige Entscheidung. Er macht sich Sorgen.
Schwierige Situation für Kinder und Eltern
Vor welchen Herausforderungen Eltern stehen, weiß Angelika: Nach dem Skiurlaub in Südtirol bekam einer ihrer Söhne eine Erkältung. Trotz negativen Tests mussten alle, auch sein Bruder, in Quarantäne zu Hause bleiben – keine leichte Aufgabe!
"Es ist schon eine relativ schwierige Situation. Vieles muss umorganisiert werden. In meiner Situation ist es noch einigermaßen machbar. Ich arbeite nicht so viele Stunden die Woche, so dass man das noch einigermaßen gut hingekriegt, zumindest für eine Woche. Bis jetzt. Mal schauen, wie das dann die nächsten Wochen sein wird."
Angelika, eine betroffene Mutter
Auch für Angelikas Söhne ist es hart. Sie wollen nicht nur daheim rumsitzen. Beide sind gesund, ihre Quarantäne ist aufgehoben. Wegen der Schulschließungen müssen sie aber weiterhin zu Hause bleiben.
Kinder haben bei Coronavirus meist milden Krankheitsverlauf
Kinder können Überträger des Coronavirus sein, auch wenn sie es meist nicht so stark bekommen. In der Kinderarztpraxis von Philip Wintermeyer und Stefanie Rosam rufen derzeit viele verunsicherte Eltern an.
"Wir wissen alle nicht ganz genau, was auf uns zukommt und was die nächsten Wochen so bringen werden. Wir können die Eltern aber beruhigen. Das ist bei Kindern eine leichte Erkältung bis hin zu einer Lungenentzündung, kann aber fast immer ambulant gemanagt werden."
Dr. med. Stefanie Rosam, Fachärztin für Kinder und Jugendmedizin, München
Auch bei Kindern mit chronischen Erkrankungen scheint es so zu sein, dass sie mit Corona gut zurechtkommen. Es gibt noch keine gesicherten Ergebnisse, warum die Jüngsten der Gesellschaft im Gegensatz zu Erwachsenen so gut wie keine schwerwiegenden Symptome entwickeln. Experten wie der Infektiologe Christoph Spinner können bisher nur vermuten, woran das liegen könnte.
"Die schweren Komplikationen des neuartigen Coronavirus werden vermutlich dadurch verursacht, dass das Immunsystem überschießend reagiert, also sehr viele Entzündungsstoffe freigesetzt werden, die dann zum Beispiel zu akutem Lungenversagen führen können. Das Immunsystem der Kinder scheint sich nicht ganz so stark aktivieren zu lassen oder anders ausgedrückt: Sie können die Infektion besser kontrollieren und nur etwa jedes zehnte Kind zeigt nach den bislang vorliegenden Daten wirklich Symptome der Erkrankung. Das bedeutet, dass die Kinder infiziert sind, die Erkrankung weitergeben können, ohne dass sie Erkrankungssymptome haben. Und das macht es natürlich in gewisser Art und Weise schwierig, die Erkrankung bei Kindern zu erkennen und die Weitergabe zu verhindern."
PD Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum rechts der Isar, TU München
Kinder als Gefahr für Risikopatienten – Mutter zieht aus
Das macht es in gewisser Weise schwierig, die Erkrankung bei Kindern zu erkennen und die Weitergabe zu verhindern. Besonders gefährlich ist das vor allem für Ältere oder immungeschwächte Menschen wie Janine.
"Bei mir ist die Situation so, dass ich metastasierenden Brustkrebs habe. Deshalb nehme ich Immunsuppresiva ein, mein Immunsystem ist deutlich heruntergfahren und geschwächt. Das sind schon einmal zwei Risikofaktoren. Außerdem habe ich ein Herzproblem. Ich hatte schon mehrere Herzstillstände und zudem habe ich Probleme mit der Lunge und musste aufgrund einer Komplikation schon einmal vier Wochen beatmet werden. Für mich wäre eine Infektion sehr wahrscheinlich tödlich."
Janine, Mutter und Risikopatientin
Janine hat schon mehrere lebensbedrohliche Situationen hinter sich. Im normalen Alltag wissen ihre drei Töchter mit der Erkrankung der Mutter umzugehen. Doch das Coronavirus macht ihre Kinder zu einer potenziellen Bedrohung. Um sich zu schützen, musste Janine handeln: Sie zog von zu Hause aus.
"Es ist extrem belastend – vor allem, weil kein Ende in Sicht ist. Bei mir hatte sich in letzte Zeit zunehmend Ärger bemerkbar gemacht– darüber, dass die Ratschläge der Experten lang ignoriert wurden."
Janine, Mutter und Risikopatientin
Zurzeit kann Janine mit ihrer Familie nur telefonieren und skypen. Zurück nach Hause geht sie erst, wenn alle mit Sicherheit gesund sind und sich dann auch ihre Töchter isolieren.
"Für mich ist es auch eine Frage, wie wir mit den Schwachen in der Gesellschaft umgehen wollen, mit Alten, Vorerkrankten, Immungeschwächten, also mit Menschen wie mir. Welchen Wert haben sie? Bis vor kurzem hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass billigend in Kauf genommen wurde, dass diese Gruppen unter Umständen an dem Virus sterben werden oder in größerer Zahl an dem Virus sterben könnten."
Janine, Mutter und Risikopatientin
Verhaltenscodex: Verzicht auf soziale Kontakte, keine Großeltern als Babysitter
Um das zu verhindern, müssen alle möglichst konsequent sein, auf direkte soziale Kontakte und auch auf Großeltern als Babysitter verzichten. Außerdem gilt: Vorsicht bei privaten Gruppen!
Auch in der derzeitigen Betreuungssituation sollten möglichst wenig Kinder aufeinandertreffen. Wenn die Gruppen so groß werden wie in Klassen und Kindergärten, haben die Schließungen von Schulen und Kitas keinen Sinn.