Technologien gegen Covid Was kann die Warn-App? Und lässt sich Corona an der Stimme erkennen?
Kampf gegen Covid mit der Warn-App: Sollten die strengen Datenschutzvorschriften zugunsten einer wirksameren App gelockert werden? Forscher in Bayern setzen zudem auf Smartwatches – und darauf, Corona an der Stimme zu erkennen.
Ein Problem, dass bei der Corona-Warn-App seit langem diskutiert wird, ist die Tatsache, dass immer noch zu wenige Menschen die App nutzen. Nach aktuellen Zahlen wurde die App bisher rund 22 Millionen mal runtergeladen. Aber auf den Corona-Stationen in Bayerns Kliniken stellen Ärzte Tag für Tag fest, dass das Hauptproblem der App an einer ganz anderen Stelle liegt – wie Professor Stefan Kääb vom Klinikum Großhadern erklärt.
"Ein Großteil nutzt die App nicht in der Phase, wenn sie krank sind und meldet den Infektionsstatus nicht wirklich weiter. Jemand hat einmal gesagt, es sei ein zahnloser Tiger. Das kann man nur bestätigen. Wenn man krank ist und ins Krankenhaus muss, dann hat man ganz andere Sorgen. Und das ist der Grund, warum die Wirksamkeit dieser guten Idee verpufft."
Prof. Dr. med. Stefan Kääb, Kardiologe, Klinikum Großhadern
Corona-Warn-App: Welche Änderungen sind sinnvoll?
Dabei ist die App eigentlich eine tolle Sache: Sie warnt einen – streng anonym – wenn man Kontakt zu einem Infizierten hatte. Vorausgesetzt allerdings, der trägt aktiv ein, dass er positiv getestet wurde. Geschieht das nicht, verliert die App ihren Nutzen.
Eine Lösung wäre, positive Testergebnisse automatisch an die App zu melden, damit nicht erst der Infizierte selbst aktiv werden muss. Damit das möglich wird, fordern jetzt immer mehr Experten und Politiker, bei App und Kontaktverfolgung den Datenschutz nicht zu übertreiben.
"Da bewegen wir uns wirklich in der Steinzeit und im Mittelalter. Wir können das digital schnell, effizient und gut. Jeder, der heute auf Amazon unterwegs ist, macht sich nackig, und wenn es dann um das hohe Gut der Gesundheit geht, dann ist man nicht bereit, bestimmte Daten zur Verfügung zu stellen. Das passt nicht zusammen."
Dr. jur. Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetages
München: Hybridwatches in der ambulanten Betreuung
Unterdessen forschen Prof. Kääb und sein Team an anderen technischen Hilfsmitteln im Kampf gegen die Pandemie. Auch Dr. Moritz Sinner und Dr. Eric Lemmermöhle sind zur Zeit im Dauereinsatz. In München besuchen sie Corona-Patienten im Rahmen einer neuen Studie. Diese erforscht, ob man mit der richtigen Technik Covid öfter und sicher zu Hause überwachen kann.
Im Rahmen der "MR SPOC-Studie" bekommen Patienten eine Smartwatch, mit der sie laufend ihre Herzfunktion und die Sauerstoffsättigung im Blut messen und an die Studienärzte weiterleiten können. Diese sind im Ernstfall rund um die Uhr telefonisch erreichbar.
"Wenn man als Arzt sieht: Die Herzfrequenz ist normal. Wenn man als Arzt sieht: Die Sauerstoffsättigung ist zwar erniedrigt, aber nicht so, dass man sich Sorgen machen muss. Dann kann man den Patienten erklären, wann es sinnvoll und nötig ist, in die Klinik zu gehen und wann es sinnvoll und möglich ist, zu Hause zu bleiben."
PD Dr. med. Moritz Sinner, Studienleiter, MR SPOC-Studie, LMU München
Neudiagnostizierte Covid-Patienten im Großraum München können aktuell an der Studie teilnehmen. Informationen dazu gibt es unter der Studienhotline 0152 - 54 84 99 07 und auf der Website der Universität. Wenn mehr Erkrankte zu Hause betreut werden, werden schließlich auch die Krankenhäuser nicht so schnell überlastet.
Augsburger Forscher wollen Corona an der Stimme erkennen
An der Universität Augsburg wird eine ganz neuen Methode erforscht, um Covid-Erkrankungen zu diagnostizieren. Prof. Björn Schuller setzt auf künstliche Intelligenz, um Corona an der Stimme zu erkennen.
"Was wir uns erträumen, ist, dass wir tatsächlich eine Art Vordiagnose leisten können, die auch im Alltag funktioniert."
Prof. Dr.-Ing. habil. Björn Schuller, Informatiker, Universität Augsburg
80 Prozent Treffgenauigkeit durch künstlicher Intelligenz
Denn bei Covid-Erkrankungen ändern sich bestimmte Parameter in der Stimme – vom Sprach-Pausenverhältnis über die Rauhigkeit in der Stimme bis hin zum Shimmer, dem Schwanken der Amplitude von Grundperiode zu Grundperiode. Tiefe Neuronale Netzwerke, also künstliche Intelligenz (KI), erkennen solche und tausende andere kleine Besonderheiten in der Stimme von Erkrankten und lernen kontinuierlich dazu.
Im Moment erreicht das System rund 80 Prozent Treffgenauigkeit – aber die Forscher brauchen noch mehr Stimmproben, damit die Daten valider werden. Die Umsetzung in eine App wäre dann mit einem Partner aus der Wirtschaft in relativ kurzer Zeit denkbar.
"Deswegen sammeln wir gerade Proben, nach dem Motto: Jede Stimme zählt."
Prof. Dr.-Ing. habil. Björn Schuller, Informatiker, Universität Augsburg
KI und Spracherkennung, Smartwatches oder eine verbesserte Warn-App: Technische Hilfsmittel könnten einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen Corona leisten.