Erkältungen, Infekte Was bringen Vitamin C & Zink dem Immunsystem?
Pünktlich zur Herbst- und Winterzeit geht es bei vielen Menschen wieder los: Ist es draußen kalt und nass, steht der nächste Infekt vor der Tür. Bei Symptomen wie Halskratzen, Schnupfen und Husten greifen viele zu einer Extraportion Vitamin C und Zink. Nahrungsergänzungsmittel haben gerade jetzt Hochkonjunktur. Aber was bringen Vitamine und Spurenelemente aus der Packung dem Immunsystem wirklich? Kann man damit Infekten vorbeugen oder kommt man schneller wieder auf die Beine?
Ob Brausetablette, Pulver oder Pille – ob mit oder ohne Depotwirkung - ob teures Apotheken- oder günstiges Drogeriepräparat, zahlreiche Hersteller bewerben Vitamin C und Zink als DIE Wunderwaffe im Kampf gegen Erkältungen und Infektionen.
Vitamin C und Zink: riesiges Angebot
Mit Slogans wie „Immunkur“, „Abwehr-Plus“ oder „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ wird suggeriert, dass man seinem Immunsystem damit etwas Gutes tun und die Abwehrkräfte stärken kann. Aber kann man das System damit tatsächlich „tunen“? Laut Nationaler Verzehr-Studie greift immerhin fast jeder Dritte zu Vitaminen aus der Packung. Eine von ihnen ist Anika Rauchenberger: Seit Monaten setzt die junge Mutter auf Zink und Vitamin C-Präparate, um vorzubeugen: Denn der letzte Winter steckt ihr noch in den Knochen.
"Seit unsere Tochter Anna im Kindergarten ist, jagt bei uns ein Infekt den nächsten. Ich glaube jeder, der Kinder hat, weiß von was ich spreche. Die Kleinen schnappen ja alles auf und bringen das mit nach Hause. Ich bin davon meist besonders hart getroffen. Bei der Kleinen ist es nach ein bis zwei Tagen meist vorüber, aber ich ziehe das dann wochenlang mit."
Anika Rauchenberger, Patientin
Täglich nimmt sie deswegen 500 mg Vitamin C sowie 25 mg Zink in Tablettenform, um das Immunsystem zu unterstützen. Aber bringt das was?
"Prinzipiell muss man erst mal sagen, es geht ja um Nahrungsergänzungsmittel nicht um ein Arzneimittel, das irgendwie eine Krankheit bekämpft. Das ist ein Milliardengeschäft, das momentan läuft, weil jeder sich irgendwie schützen oder optimieren möchte, was aber völliger Blödsinn ist. Weil die Deutsche Gesellschaft für Ernährung einfach auch aufzeigt, dass wir in Deutschland ausreichend versorgt damit sind. Und mehr als ausreichend versorgt bringt uns kein Plus."
Daniela Krehl, Ernährungs-Expertin, Verbraucherzentrale Bayern
Die Effekte von Vitamin C und Zink
Fest steht: Vitamin C ist ein wasserlösliches Antioxidans. Es fängt gefährliche freie Radikale und ist daher wichtig für das Immunsystem. Was der Körper nicht braucht an Vitamin C, scheidet er aus. Enthalten ist es in vielen Lebensmitteln, vor allem in Obst und Gemüse. Vitamin C ist auch wichtig, um etwa Eisen besser aufnehmen zu können.
Im Schnitt brauchen Männer 110, Frauen 95 mg pro Tag. Raucher, chronisch Kranke oder Schwangere haben eventuell einen anderen Bedarf.
Auch ohne Zink läuft nichts im Immunsystem: Das Spurenelement ist ein echter Allrounder, der im ganzen Körper für alle Lebensvorgänge benötigt wird. Ob Haut, Haare, Zellteilung, Abwehrkräfte, nichts funktioniert ohne Zink. Man findet es in vielen tierischen Produkten wie Fleisch, Fisch, Eiern, Käse aber auch in Getreide und Nüssen.
Für Männer werden im Schnitt circa vierzehn Milligramm pro Tag empfohlen , für Frauen acht. Vegetarier oder Veganer sollten ihre Zinkwerte im Blick behalten.
Der Bedarf an Vitamin C und Zink wird in der Regel locker durch unsere normale Ernährung gedeckt. Übrigens: Auch wenn man nicht jeden Tag frisches Obst und Gemüse isst, sind die Speicher bei den meisten Menschen voll. Denn selbst in Pommes oder Fertigpizzen stecken ja Vitamine.
Aber warum sind manche trotzdem ständig krank? Diese Frage hört Prof. Dr. Marco Roos häufiger in der Sprechstunde: Er ist Professor für Allgemeinmedizin
"Wssenschaftlich betrachtet sind fünf bis sieben Infekte pro Jahr ganz normal. Der Leidensdruck Einzelner hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Zum Beispiel ist es so, dass natürlich gerade Eltern mit kleinen Kind sicherlich ein höheres Risiko haben, einen Infekt zu entwickeln, eben weil auch Kinder viel häufiger Infekte haben als Erwachsene und diese mit nach Hause bringen. Dass man deswegen ein schlechteres Immunsystem haben soll als andere, das lässt sich wissenschaftlich so nicht bestätigen."
Prof. Dr. med. Marco Roos, Institut für Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Was sagt die Studienlage zu Vitamin C-Präparaten und Infekten?
Die Wirkung von zusätzlichem Vitamin C auf das Immunsystem wird schon lange erforscht. Eine der Expertinnen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel ist die Fachapothekerin Julia Podlogar:
"Für die Allgemeinbevölkerung ist durch zahlreiche Studien belegt, dass man nicht seltener krank wird, wenn man Vitamin C einnimmt, selbst wenn man das jahrelang und in hohen Dosen macht. Es gibt einige Ausnahmen. Zum Beispiel haben einige Studien bei Extremsportlern gezeigt, dass besipielsweise Marathonläufer oder auch Skifahrer unter Extrembedingungen sich seltener erkälteten, wenn sie vorher Vitamin C eingenommen hatten. Aber für die breite Masse macht es keinen Unterschied."
Dr. rer. nat. Julia Podlogar, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation u. klinische Pharmazie, Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster
Präventiv hilft Vitamin C also nicht. Wer mag, kann sich zum Beispiel vor einem Skiurlaub etwas mehr Vitamin C gönnen, etwa durch eine halbe Paprika oder einen Apfel. Tabletten braucht man nicht extra, sagt Dr. Podlogar. Und was ist mit der Dauer einer Infektion? Auch hier zeigen Studien: Vitamin C scheint - wenn überhaupt - einen geringen Nutzen zu haben. Die „Verkürzung“ betrug im Schnitt weniger als einen Tag!
Was sagen Studien zu Zink?
"Es gibt bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Belege dafür, dass Zink in der Prävention von Erkältungskrankheiten wirksam ist. Wenn man allerdings bereits erkrankt ist und dann kurz nach Symptombeginn anfängt, ein hoch dosiertes Zink-Präparat einzunehmen, am besten als Lutschtablette, dann kann sich Studien zufolge die Krankheitsdauer um bis zu zwei Tage verkürzen. Das ist dann aber eben keine Nahrungsergänzung mehr sondern tatsächlich eine hoch dosierte Therapie."
Dr. rer. nat. Julia Podlogar, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation u. klinische Pharmazie, Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster
Erst ab 75 Milligramm Zink war demnach ein Effekt messbar. So hohe Dosen in einer Tablette sind hierzulande aber nicht frei verkäuflich. Zink ist ein Schwermetall: Hohe Zink-Dosen, auch unter 75 Milligramm, können zu gesundheitlichen Problemen führen, warnen Experten:
"Bei einer längerfristigen, zu hoch dosierten Einnahme kann es zum Beispiel zu Blutbildveränderungen oder auch zu Störungen des Kupferhaushaltes kommen. Bei einer kurzfristigen hoch dosierten Einnahme sind eher gastrointestinale Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen und Geschmacksirritationen das Problem."
Dr. rer. nat. Julia Podlogar, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation u. klinische Pharmazie, Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster
Ab 25 Milligramm sind Arzneimittel mit Zink in Deutschland verschreibungspflichtig. Der von der Europäischen Behörde abgeleitete sogenannte "Tolerable Upper Intake Level", also die Menge, die ein Erwachsener maximal pro Tag nicht überschreiten sollte, beträgt 25 Milligramm. Darin ist aber auch schon Zink aus Lebensmitteln enthalten.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung, kurz BfR, hat für Zink in Nahrungsmitteln eine Höchstmenge von 6,5 Milligramm pro Tag empfohlen. Auch Annika nimmt demnach eigentlich zu viel Zink ein, obwohl es ja kaum etwas bringt.
„Health Claims“: Was ist dran?
Sätze und Aussagen wie „Immunkur“ – „Abwehr-Plus“ „Zink und Vitamin C tragen zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ lassen viele Verbraucher glauben, dass die Präparate einen nachgewiesenen Nutzen haben für das Immunsystem. Aber ist das erlaubt, auch bei der nicht belastbaren Studienlage?
"Die sogenannten Health Claims sind deswegen zulässig, weil es völlig unstrittig ist, dass Vitamin C und Zink tatsächlich fürs Immunsystem wichtig sind. Wenn ich zu wenig davon habe, dann kann ich tatsächlich krank werden, weil mein Immunsystem dann schwächer wird. Wenn ich aber schon ausreichend versorgt bin, dann hat man nicht den Effekt im Sinne einer pharmakologischen Wirkung, dass das Immunsystem noch besser wird, wenn ich noch mehr davon einnehme."
Dr. rer. nat. Julia Podlogar, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation u. klinische Pharmazie, Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster
Aber gibt es dennoch Tipps, um besser durch den Winter mit weniger Infekten zu kommen?
"Ja, an die alten Regeln denken, hilft: wie regelmäßiges, gründliches Händewaschen, gegebenenfalls etwas Abstand halten, die Räum gut belüften, sich draußen an der frischen Luft bewegen und eben nicht große Menschenmengen suchen in solchen Phasen, sondern vielleicht auch eher meiden. Das sind wahrscheinlich die wirksamsten Möglichkeiten, eine Infektion zu verhindern."
Prof. Dr. med. Marco Roos, Deutsche Gesellschaft f. Allgemeinmedizin u. Familienmedizin, Berlin
Ansonsten hilft vielen jungen Eltern ja vielleicht der Hinweis, dass es mit der Zeit auch bei ihren Kindern besser wird!
Weiterführende Infromationen und Studien: