Unter unserem Himmel Kochgeschichten - Besonderes von Ochs, Gans und Kalb
Gebackene Milzwurst, gefüllter Ganskragen oder feistes Tellerfleisch vom Ochsen, in welchen Wirtshäusern stehen solch traditionelle Gerichte noch auf den Speisekarten? Wer traut sie sich anzubieten, wenn von den meisten Gästen bei Geflügel nur das Brustfleisch geschätzt wird und bei Rind und Schwein magerer Braten, Filet und Lende? Autor Paul Enghofer zeigt in seinem Film, dass alte, in ihrer Wertigkeit oft unterschätzte Gerichte mancherorts immer noch hoch in Ansehen stehen.
Ein Film von Paul Enghofer
Im Landgasthof Schwinghammer in Staudach nahe dem niederbayerischen Markt Massing gibt es schon seit 30 Jahren Spezialitäten vom Ochsen. Die Wirtsleute betreiben selbst Landwirtschaft und Ochsenmast. Vater Hermann und Sohn Martin Schwinghammer sind Landwirtschaftsmeister und lassen ihre Ochsen auf den eigenen Weiden grasen.
Gerade am Ochsenfleisch schätzte man früher schon und jetzt wieder, die besondere Marmorierung wegen des höheren Fettanteils im Fleisch. Stolz ist die Wirtin Veronika Schwinghammer besonders auf ihren Ochsenbraten, aber auch Ochsenschwanz und Ochsenbackerl sowie ein saftiges Ochsengulasch.
Das Geheimnis bei der Zubereitung von Ochsenfleisch
Ihre Tiere können die Schwinghammers ganz nach Bedarf zur Landmetzgerei Kieswimmer zum Schlachten bringen. Sie können das Fleisch zerteilt, portioniert und gekühlt mit nach Hause nehmen. Edi Kieswimmer zeigt im Film, wo die begehrten und die zu Unrecht verschmähten Teile im Schlachtkörper eines Ochsen zu finden sind. Er selbst schätzt die „b’sonderen Stückl“, die „Backerl“, die Zwerchrippe oder die flache Schulter mit ihrem sehnigen Kern, Fleisch also, das heute eher als Verarbeitungsfleisch zum Wursten verwendet wird. Er weiß aber, wie vermeintlich minderwertiges Fleisch auch als Braten gelingt. Das Geheimnis ist die Zeit, bei der Zubereitung, die das Sehnige zart macht und in einzigartigen Wohlgeschmack verwandelt.
Das Gericht für Gourmets: gefüllter Ganskragen
In Thonlohe am Geflügelhof von Maria und Max Biedermann lässt man nichts verkommen. Deshalb gibt es dort ab Kirchweih nur die Gans im Ganzen zu kaufen. Eine Gänsebrust ausgelöst ist dort tabu. So wie immer schon werden Flügel, Herz und Magen sowie der Kragen beim Verkauf zur Gans in die Leibeshöhle gesteckt. Eine Kundschaft aus dem nahen Riedenburg, Fritz Graf, würde auch darauf bestehen, dass Flügel und Kragen bei der Abholung der Weihnachtsgans mitgeliefert werden und er nimmt an Innereien mit, was andere dalassen. Ihm ist ein gefüllter Ganskragen ebenso viel wert wie der Gansbraten an Weihnachten selbst. Fritz Graf und seine Frau Margit zeigen, wie man die Kragenhaut löst, sie mit Fleisch, den Innereien und allerlei Gemüse- und Kräuterzutaten füllt, zunäht und brät. Den Grafs gilt der gefüllte Ganskragen als Gericht für Gourmets, dessen Zutaten heute zu Unrecht als minderwertig erachtet werden. Deshalb halten sie ein Glas Champagner als Begleitung für angemessen.
Bries-Milzwurst - eine traditionsreiche Spezialität zu Weihnachten
Die Zubereitung eines alten Gerichtes auf eine sehr ursprüngliche Art zeigen Lore Huber und ihr Sohn Uli aus Pfarrkirchen. Um eine traditionelle Milzwurst auf den Tisch bringen zu können, muss ihr Sohn nicht nur „bratiges“ Kalb- und Schweinefleisch, sondern auch ein Schweineherz und Kalbsbries sowie Leber und ein Kalbsnetz besorgen. Er erhält die heute kaum noch nachgefragten Zutaten auch frisch bei der Landmetzgerei Kieswimmer in Massing. Bei Familie Huber gilt die Milzwurst als Festtagsessen. Die im Ofen gebratene Milzwurst, bei der man nicht nur die Milz, sondern jedes Fleisch und jede Innerei einzeln schmecken kann, ist eine Spezialität, deren traditionelle Zubereitung an Weihnachten Uli Huber weiterführen will.
Mit Zeit und Hindwendung zum größeren Genuss
Der Film zeigt also, wie Köchinnen und Köche in Gastwirtschaften und Privathaushalten dem Verschwinden alter, unterschätzter Gerichte etwas entgegenhalten und sie dabei ganz zeitgemäßen Forderungen nach Qualität und Nachhaltigkeit folgen. Sie unterstützen artgerechte Tierhaltung und wirken Lebensmittelverschwendung entgegen, indem sie alle Teile eines Tieres in der Küche verwenden. Beim Entdecken alter Qualitätsmaßstäbe setzen sie auf Regionalität und zeigen, dass es sich lohnt, den Aufwand beim Kochen gegenüber der Verwendung und dem Konsum von Fertig- und Massenprodukten nicht zu scheuen und dass es im Spektrum der Ernährungsformen zwischen den extremen Polen „Billigfleischkonsum“ und „Veganismus“ auch verantwortungsvolle Varianten gibt, bei denen die Freude an traditionellen Genüssen nicht verloren geht.