RESPEKT Pflegenotstand
- Bis ins Jahr 2030 werden in Deutschland mehr als 3,5 Millionen Menschen pflegebedürftig sein.
- Dann werden in Deutschland rund eine halbe Million Pflegekräfte fehlen.
- Die Pflegeversicherung wurde zu einer Zeit eingeführt, als Menschen noch in Großfamilien lebten. Deshalb gibt es viel zu wenig Geld, um professionelle Pflegekräfte angemessen zu bezahlen.
- Wegen der schlechten Bezahlung und der großen körperlichen und seelischen Belastung gibt es auch nicht genügend Menschen, die diesen Beruf ausüben.
Harte Arbeit für (zu) wenig Geld
Pflegeberufe sind oft keine Traumberufe: Es ist hart, den ganzen Tag für kranke oder alte Menschen da zu sein, in Schichten und mit Zeitdruck zu arbeiten und dafür wenig Lohn zu bekommen. Gerade in teuren Ballungsräumen reicht das Einkommen kaum aus. Dabei werden in den dichtbesiedelten Räumen in den kommenden Jahren die meisten Pflegefälle leben. Die Arbeitsüberlastung in den Einrichtungen ist auch eine Folge der vielen fehlenden Fachkräfte, die besetzten Stellen müssen umso mehr arbeiten.
Definition
Woher kommt das Geld für Pflege?
Jeder Mensch, der bei einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist, ist seit 1995 auch pflegeversichert. Die Pflegeversicherung deckt allerdings nur selten alle Pflegekosten. Deshalb werden private Zusatzversicherungen empfohlen. Um Geld aus der Pflegeversicherung zu bekommen, muss man einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Die lässt von Gutachter*innen prüfen, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt und wie diese einzuordnen ist.
Was sind Pflegegrade?
Die Pflegegrade beschreiben seit der Pflegereform 2017, wie viel Unterstützung jemand braucht. Zur Einstufung gibt es einen Katalog von Fragen, die vor allem darauf abzielen, wie viel ein Mensch noch selbst tun kann und wo er oder sie Hilfe braucht. Diese Hilfsbedürftigkeit muss auf Dauer (also voraussichtlich länger als 6 Monate) bestehen.
Es gibt fünf Pflegegrade, je nach Schwere der Pflegebedürftigkeit.
Für Pflegegrad 1 genügt bereits eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
Pflegegrad 5 ist die höchste Stufe. Dafür müssen schwerste Beeinträchtigungen vorliegen, so dass der Pflegebedürftige auf eine Betreuung rund um die Uhr angewiesen ist.
Wertschätzung statt Diskriminierung
Neu in der Diskussion ist, dass jetzt auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als Ursachen des Fachkräftemangels in der Pflege angesprochen werden. Fachkräfte aus dem Ausland für Deutschland anzuwerben, ist schwierig. Denn in der Schweiz und Skandinavien wird dem Beruf mehr Wertschätzung entgegengebracht und er wird auch deutlich besser bezahlt. In Deutschland dagegen warten Fachkräfte aus dem Ausland teilweise ein Jahr auf die Anerkennung ihrer Qualifikation. Junge Auszubildende und Absolvent*innen müssen sich häufig erst als Alten- oder Krankenpfleger*innen verdingen, bevor sie angemessen bezahlt und eingesetzt werden.
Zahlen und Fakten
Wertschätzung in Zahlen
- In Deutschland verdienen Krankenpfleger*innen im Schnitt nur 30.000 Euro im Jahr. In der Schweiz bekommen sie das Doppelte, fast: 60.000 Euro.
- In Deutschland muss sich eine Pflegekraft um 10 Patient*innen kümmern, in Norwegen nur um vier.
- Nur 35 % der Pflegekräfte in Deutschland bekommen Lob und Anerkennung, etwa durch Vorgesetzte. In der Schweiz sind es 61 %.
Rassismus in der Pflege
Ausländische Pflegekräfte haben es hier schwer: Nicht selten werden sie rassistisch angefeindet. Es fehlt oft an Maßnahmen zur Integration: Jemand, der sie unterstützt beim Lernen der Sprache und Gepflogenheiten in deutschen Einrichtungen. In Team-Besprechungen werden sie seltener eingebunden, auch weil sie sich sprachlich nicht so gut ausdrücken können. Viele müssen unbezahlte Überstunden leisten. Oft müssen sie Dinge erledigen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind.
Wer den Pflege-Job trotzdem gerne machen würde? Geflüchtete. Aber deren Qualifikationen werden oft nicht anerkannt. Das soll sich aber ändern: Gesundheitsminister Jens Spahn will auch Pflegepersonal aus dem Ausland anwerben. Keine neue Idee. Und reichen wird das auch nicht, warnt das deutsche Ärzteblatt. Was sich ändern muss: bessere Ausbildung, bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung für Pflegekräfte. Dem stimmen fast alle zu.
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Autorin: Monika von Aufschnaiter