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Wählen ab 16?

RESPEKT Wählen ab 16?

Stand: 02.11.2021 12:04 Uhr

  • Nur 2 Millionen von insgesamt 60,4 Millionen Wahlberechtigten sind zwischen 18 und 20 Jahre alt.
  • Bisher dürfen 16-Jährige nur in einzelnen Bundesländern bei Kommunalwahlen oder Landtagswahlen abstimmen.
  • Befürworter:innen sagen: Bei Zukunftsthemen wie dem Klimawandel sei es gerade die junge Generation, die die Folgen zu tragen habe - also sei Mitbestimmung nur gerecht.
  • Gegner:innen sagen: 16-Jährige seien noch nicht reif genug, um politisch mitzubestimmen.

Definition

Video (1:53) Was ist das Wahlrecht?

Junge Menschen ab 16 haben bereits viele Rechte und Pflichten: Sie dürfen einer Partei beitreten, ein eigenes Konto eröffnen, von 5 Uhr bis 22 Uhr arbeiten und sie müssen Steuern zahlen. In Bremen, Hamburg, Brandenburg und Schleswig-Holstein dürfen sie bei Landtagswahlen abstimmen und in elf Bundesländern auch auf kommunaler Ebene. Warum ist die Wahl ab 16 auf Bundesebene dann (noch) nicht erlaubt? Im Nachbarland Österreich ist dies schon seit 2007 möglich.

"Fehlende politische Reife"?

Doch in Deutschland werden entsprechende Vorstöße von Jugendlichen und Jugendverbänden seit Jahren immer wieder abgelehnt. Für die Senkung des Wahlalters auf Bundesebene wäre im Bundestag eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. Bislang lehnen die Unionsparteien CDU/CSU und die AfD das ab. Ihre Begründung: Jungen Menschen unter 18 Jahren fehlt die politische Reife. Befürworter des Wahlrechts ab 16 vermuten, dass sich hinter dieser ablehnenden Haltung die Angst vor Stimmverlusten verbirgt. Ist diese Angst berechtigt? - Wir haben uns die U18-Wahlen angeschaut und Expert:innen befragt.

"Ich bin seit 25 Jahren Lehrer und habe festgestellt, dass die Jugendlichen sehr wohl großes politisches Interesse haben, aber manchmal gar nicht wissen, wie sie es formulieren sollen, wo sie sich hinwenden können, um sich zu engagieren."

Markus Theil, Sozialkundelehrer und Organisator der U18-Wahlen in Bad Tölz

U18-Wahlen - wen die Jugend wählt

U18-Wahlen sind Wahlen, bei denen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ihre Stimme abgeben. Das waren die Ergebnisse der U18-Wahl in Baden-Württemberg parallel zu den offiziellen Landtagswahlen 2021: Die drei stärksten Parteien sind die Grünen mit (jeweils gerundet) 32 %, gefolgt von der CDU mit 27 % und der SPD mit 10 %.

Landtagswahlen 2021 - Vergleich U18-Wahl und offizielle Wahl
 U18-Ergebnisse in %offizielle Wahlergebnisse in %
Grüne31,732,6
CDU26,924,1
SPD10,211,0

Bei den offiziellen Wahlen in Baden-Württemberg eine ähnliche Abfolge: die Grünen 33%, CDU 24 % und SPD, 11 %. 4 Jahre zuvor, 2017, war das Ergebnis von offizieller Bundestagswahl und U18-Wahl nicht so ähnlich: Da entschieden sich doppelt so viele Kinder und Jugendliche für die Grünen wie bei den volljährigen Wähler:innen.

Bundestagswahl 2017 - Vergleich U18-Wahl und offizielle Wahl
 U18-Ergebnisse in %offizielle Wahlergebnisse in %
CDU/CSU28,533,0
SPD19,820,5
Grüne16,68,9
Linke8,19,2
AfD6,812,6
FDP5,710,7

"Wenn jetzt Erwachsene festlegen, 50-plus-Jährige, was Politik ist und was politische Belange sind, dann könnte man aus jugendlicher Sicht vielleicht sagen: Nee, ich bin da nicht daran interessiert. Aber in ihren Belangen sind sie topmotiviert."

Verena Peck, Kreisjugendpflegerin Bad Tölz-Wolfratshausen

Welche Themen interessieren junge Leute?

Junge Wähler:innen interessieren sich weniger für Rente oder Steuerfragen. Ihnen geht es vor allem um Freiplätze im öffentlichen Raum. Verena Peck, Kreisjugendpflegerin Bad Tölz-Wolfratshausen fasst es so zusammen: "Plätze zum Chillen, wo sie sich ohne An- und Abmelden frei bewegen, Musik hören, feiern können." Also: Räume, die die Jugendlichen selbst gestalten können und wo sie Raum für sich haben. Peck setzt sich für Wahlen ab 16 ein und lässt das Argument nicht gelten, dass junge Menschen sich grundsätzlich nicht für Politik interessieren. "Ich habe das jetzt in der Arbeit, in der U18-Arbeit mit den Politiker:innen schon bemerkt, dass, sobald wir Formate anbieten, wo wir versuchen, den jungen Leuten die Politik schmackhaft zu machen, gehen natürlich auch Menschen, die gewählt werden möchten, in die Themen der jungen Leute hinein." Deshalb lässt sie das Argument der CSU nicht gelten, die abnehmende Wahlbeteiligung junger Menschen spreche gegen eine Absenkung des Wahlalters.

"Ich wäre schon froh, wenn diejenigen, die die erste Wahlmöglichkeit hätten, zum Wählen gehen würden. Darum ist das, glaube ich, wäre das ein Schritt, der etwas vorgaukeln würde, das Ziel aber nicht erreicht. Ich würde bei der Fragestellung {Wählen ab 16} 'Nein' sagen."

Alexander Radwan (CSU)

Würden denn mehr Jugendliche wählen gehen?

Menschen, die Wahlen ab 16 skeptisch gegenüber stehen, sagen, dass Jugendliche überfordert seien. Dass sie nicht genügend Informationen hätten, um verantwortungsbewusst zu entscheiden. Oder dass sie sich dann gar nicht so sehr beteiligen würden. Dazu kommt, dass eine repräsentative Umfrage bei 18-20-Jährigen gezeigt hat, dass fast die Hälfte in dieser Altersgruppe das deutsche Wahlsystem nicht versteht: Was zum Beispiel ist der Unterschied zwischen Erststimme und Zweitstimme? Bessere Information, etwa auch im Unterricht, wäre also Voraussetzung für das Absenken des Wahlalters, so Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.

"Das Problem ist, da versprechen sich so viele davon etwas, weil sie sagen, ja, wir sind selber politisch interessiert, wir sind sogar Aktivistinnen und Aktivisten, zum Beispiel bei Fridays for Future und die verallgemeinern dann von ihrem eigenen Interesse auf alle anderen. Und das ist meines Erachtens falsch."

Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin

Zahlen und Fakten

Video (3:26): Wahlen ab 16

Wer kann denn die Wahl ab 16 einführen?

Das könne der Bundestag im Grunde recht einfach tun, so Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Denn im Grundgesetz ist bereits verankert, dass die Wahl gleich, allgemein und geheim ist. Das Wahlsystem ist dann als Bundesgesetz im Bundeswahlgesetz beschrieben. Um es so zu ändern, dass Mitbestimmung ab 16 möglich wird, braucht es nur eine Zweidrittel-Mehrheit im Deutschen Bundestag. Die Grünen sind dafür, die SPD auch, ebenso wie die FDP. "Endlich mal ein gemeinsames Thema für eine mögliche Ampelkoalition", so das Fazit von Ursula Münch. Bisher bremsen allerdings noch die AfD und die CDU/CSU.

"Die jungen Menschen von heute müssen die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, ja ausleben. Und deswegen finde ich, dass sie auch mitentscheiden sollten. Deswegen wäre Absenkung des Wahlalters auf 16 das Mindeste."

Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen)

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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