John Demjanjuk Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat das Ermittlungsverfahren zum Tod des verurteilten NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk eingestellt. Der 91-Jährige war im März in einem Pflegeheim im oberbayerischen Bad Feilnach gestorben.
Die Vorwürfe der Hinterbliebenen in einer Strafanzeige, wonach Demjanjuk wegen einer Falschbehandlung starb, seien haltlos, sagte der Sprecher der Anklagebehörde, Bernd Magiera. Ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass "keine Kausalität zwischen dem eingetretenen Tod und der ärztlichen Behandlung besteht".
Die Familie von Demjanjuk hatte eine Strafanzeige wegen Totschlags gegen das behandelnde Personal gestellt. Der Vorwurf der Hinterbliebenen: Demjanjuk sei in dem Heim ein Schmerzmittel verabreicht worden, das zu seinem Tod geführt habe. Mit der regelmäßigen Verabreichung des Mittels Novalgin sei eine "medizinische Hinrichtung auf Raten" erfolgt, heißt es in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Rosenheim weiter.
Vorwurf des zehntausendfachen Mordes an Juden
Demjanjuk war am 17. März - zehn Monate nach seiner Verurteilung - in Bad Feilnbach gestorben, wo er nach dem Richterspruch lebte. Die genaue Todesursache ist unbekannt - allerdings habe Fremdeinwirkung keine Rolle gespielt, so Magiera. Der frühere NS-Wachmann Demjanjuk wurde nach seinem Tod in den USA, wo er vor seiner Auslieferung nach Deutschland gelebt hatte, beigesetzt.
Hintergrund
Demjanjuk war zwar am 12. Mai 2011 vom Landgericht München II wegen Beihilfe zum Mord von mindestens 28.060 Juden verurteilt worden. Für das Gericht war erwiesen, dass Demjanjuk sich als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor schuldig gemacht hatte. Die fünfjährige Haftstrafe musste er aber nie antreten, weil das Urteil nicht rechtskräftig war. Anwälte und Staatsanwaltschaft hatten es angefochten. In einem nächsten Schritt hätte der Bundesgerichtshof entscheiden müssen.
Mögliche Taten in Flossenbürg ungeklärt
Mit Demjanjuks Tod wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Schwandorf zu den Akten gelegt. Es ging um die mögliche Beteiligung an der Ermordung von 5.000 Menschen im oberpfälzischen Konzentrationslager Flossenbürg. Dort soll Demjanjuk in den Jahren 1943 und 1944 als Wachmann tätig gewesen sein.
Ein eng mit Bayern verknüpfter Lebenslauf
3. April 1920
Der Bauernsohn Iwan Demjanjuk wird im ukrainischen Dorf Dubowi Macharynzi geboren.
Mai 1942
Der Rotarmist Demjanjuk wird nach der Schlacht von Kertsch von der Wehrmacht gefangen genommen. Anschließend wird er im SS-Ausbildungslager Trawniki als Helfer ausgebildet.
27. März 1943
Demjanjuk wird als Wachmann ins Vernichtungslager Sobibór abkommandiert.
16. September 1943
Demjanjuk wird ins KZ Flossenbürg versetzt.
Sommer 1945
Demjanjuk meldet sich in einem Auffanglager in Feldafing bei München.
Februar 1952
Demjanjuk kommt als Auswanderer per Schiff von Bremerhaven in New York an und findet Arbeit bei den Ford-Werken in Cleveland. 1958 wird er US-Bürger, heißt nun John Demjanjuk.
Mai 1976
US-Behörden ermitteln. Holocaust-Überlebende meinen, in Demjanjuk einen Wachmann aus Treblinka wiederzuerkennen. Er verliert die US-Staatsbürgerschaft.
Februar 1986
Demjanjuk wird nach Israel ausgeliefert.
April 1988
Demjanjuk wird wegen Mordes zum Tode verurteilt.
Juli 1993
Nach der Öffnung sowjetischer Archive stellt sich heraus, dass ein anderer "Iwan der Schreckliche" in Treblinka war. Das Todesurteil wird aufgehoben, Demjanjuk zurück in die USA geschickt.
2002
Die USA verdächtigen Demjanjuk, Wachmann in Sobibór gewesen zu sein. In einem jahrelangen Verfahren wird ihm die Staatsbürgerschaft erneut entzogen.
12. Mai 2009
Demjanjuk wird nach München abgeschoben und ins Untersuchungsgefängnis Stadelheim gebracht.
13. Juli 2009
Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen.
30. November 2009
Der Prozess beginnt. Es werden 41 Verhandlungstage bis zum 6. Mai 2010 angesetzt.
2009 bis 2011
Der Prozessverlauf verzögert sich mehrfach. Zu den Gründen zählen Demjanjuks schlechte Gesundheit und eine Fülle von Beweisanträgen durch die Verteidigung.
22. März 2011
Die Plädoyers beginnen. Die Staatsanwaltschaft fordert sechs Jahre. Nebenkläger fordern höhere Strafen.
11. Mai 2011
Nach einem fünftägigen Plädoyer fordert die Verteidigung Freispruch.
12. Mai 2011
Das Landgericht München II verurteilt Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 28.060 Menschen zu fünf Jahren Haft. Das Urteil wird nie rechtskräftig.
7. März 2012
Demjanjuk stirbt im Pflegeheim von Bad Feilnbach in Oberbayern.
(Quelle: dapd)