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Trawniki Mordhelfer der Nazis

Mit dem Demjanjuk-Prozess rückt erstmals auch die Rolle der sogenannten Trawniki in den Vordergrund. Diese meist kriegsgefangenen Ukrainer, Balten oder Wolgadeutschen wurden von der SS rekrutiert - als Handlanger für den Massenmord in Vernichtungslagern wie Sobibor.

Stand: 26.08.2010 | Archiv

Ehemaliges Vernichtungslager Sobibor: Gedenkstätte | Bild: picture-alliance/dpa

Für extrem grausame Vorhaben fand das Nazi-Regime gern harmlose Bezeichnungen. So stand die "Aktion Reinhardt" für nichts Geringeres als die systematische Vernichtung der Juden im Generalgouvernement, wie das von Deutschland besetzte Polen genannt wurde. Dazu wurden dort 1941 und 1942 die drei Vernichtungslager Bełżec, Sobibor und Treblinka errichtet. Bis 1943 ermordete man darin insgesamt mehr als zwei Millionen Juden und 50.000 Roma. In Sobibor, wo angeblich Demjanjuk Wachmann war, sollen zwischen 150.000 und 250.000 Menschen umgekommen sein.

Trainings-Camp fürs Töten am Fließband

In den Lagern befand sich zunächst nicht genug Personal, um diese gigantische Auslöschungsmaschinerie organisatorisch zu bewältigen. Im stockenden Russland-Feldzug benötigte Hitler deutsche Einsatzkräfte dringend an der Front. Daher rekrutierte man vor Ort nichtdeutsche Mordgehilfen, zumeist Kriegsgefangene. Um ihnen das Handwerk des Tötens beizubringen, errichtete die SS im September 1941 in einer ehemaligen Zuckerfabrik das Ausbildungslager Trawniki im gleichnamigen Ort 40 Kilometer südöstlich von Lublin im Generalgouvernement. Im SS-Jargon nannte man die Angehörigen dieser paramilitärischen Polizeieinheit "Hilfswillige" oder eben "Trawniki". Der US-Historiker Peter Black bezeichnet sie als "Fußvolk des Genozids".

Sadistische Exzesse

Treblinka-Häftlinge auf dem Weg in die Gaskammer

Auch Iwan Demjanjuk, kriegsgefangener Rotarmist, war den Ermittlern zufolge ein Trawniki, einer von insgesamt etwa 5.000. Es waren hauptsächlich Ukrainer, aber auch Balten oder Volksdeutsche aus der Sowjetunion. In Sobibor waren neben 30 SS-Männern bis zu 150 Trawniki eingesetzt. 

"Die Ukrainer waren im allgemeinen übereifrige und fanatische Bewacher. Sie machten von ihren Peitschen und Gewehrkolben Gebrauch, ohne weitere Befehle abzuwarten, um so die nackten Juden vom Entkleidungsplatz in die Gaskammern zu jagen. In den Augen der Arbeitshäftlinge, die sie mit Herr Posten ansprechen mussten, waren sie gefährlicher als die SS."

Jules Schelvis, Sobibor-Überlebender

Diese Wachleute arbeiteten nicht nur als Aufseher, sie mussten auch Ghettos räumen, Häftlinge erschießen, Juden entkleiden und in Gaskammern treiben. Als "hilfswillig" erwiesen sich in der Tat nicht wenige von ihnen. Wie Holocaust-Überlebende berichten, wurden manche Trawniki zu ebenso brutalen Quälern wie viele ihrer deutschen Auftraggeber. Sadistische Exzesse waren keine Seltenheit. Zu trauriger Berühmtheit brachte es in diesem Zusammenhang der berüchtigte "Iwan der Schreckliche", ein besonders grausamer Schlächter im Lager Treblinka. Andererseits gab es unter den Trawniki eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Deserteuren.

Freiwillig "hilfswillig"

Auch wenn offenbar nicht wenige "Hilfswillige" eine antisemitische Gesinnung hatten, war nicht jeder von ihnen per se ein mordgieriger Scherge. Die Zustände in den Kriegsgefangenlagern waren teilweise so katastrophal, der Hunger so groß, dass sie jede Chance wahrnahmen, um herauszukommen. Als Mordgehilfe für die Nazis konnten sie ihre eigene Situation verbessern.

Dennoch standen sie als deren Handlanger auf der untersten Stufe der Lagerhierarchie. Durch Grausamkeit konnten sie sich gewissermaßen "empfehlen" und aufsteigen: vom Wachmann zum Oberwachmann, Gruppenwachmann, Zugwachmann bis zum Oberzugwachmann. Auch materielle Anreize in einer besonders pervertierten Form spielten eine Rolle: Man konnte sich am Geld der Ermordeten bereichern und sich davon zum Beispiel Alkohol oder Prostituierte kaufen. So kam es, dass Trawniki nicht unbedingt zwangsverpflichtet werden mussten, viele meldeten sich freiwillig.


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