Diskussion über Facebook-Live Der gestreamte Tod des Philando Castile
Ein Live-Video nach den tödlichen Schüssen auf einen Schwarzen in den USA sorgt für Entsetzen. Für Opfer von Polizeigewalt sind die Sozialen Medien zu einer neuen Form des Notrufs geworden. Doch Funktionen wie Facebook Live und Periscope sind nicht unumstritten.
"Die Polizist hat ohne ersichtlichen Grund auf meinen Freund geschossen"
Die Freundin des Erschossenen Philando Castile im Live-Video
Im US-Staat Minnesota stirbt ein Afroamerikaner nach Polizeischüssen. Seine Freundin filmt ein Teil des Geschehens und streamt die Bilder live über das Internet. Das Video ist brutal - und zeigt eine neue Form der Gegenwehr. Sie habe die Bilder auf Facebook gestellt, damit die Leute Zeuge sein könnten, erklärt Diamond Reynolds einen Tag nach den Vorfällen. Mehr als fünf Millionen Mal wurde das Video bislang auf Reynolds Facebook-Seite angeklickt. Nach der Veröffentlichung war der Clip kurzzeitig gelöscht, Facebook sprach von einem "technischen Fehler". Inzwischen ist dem Video eine Warnung vorgestellt: Es könne schockieren, kränken und verärgern.
Erschossen wegen eines defekten Rücklichts?
Bei einer Verkehrskontrolle am Mittwoch stoppt ein Polizist den Wagen des 32-jährigen Philando Castile - wohl wegen eines defekten Rücklichts. Im Auto sitzen auch Reynolds und ihre kleine Tochter. Das Video setzt nach den Schüssen ein. Mit bemerkenswerter Ruhe filmt sie ihren stöhnenden Freund, sein T-Shirt voller Blut. Am offenen Fenster ein kreischender Polizist, er zielt weiter auf Castile. Vier Kugeln habe er ihm verpasst. Ihr Freund habe den Polizisten erklärt, dass er legal eine Waffe besitze, berichtet Reynolds weiter. Er habe nur seine Papiere aus der Tasche ziehen wollen.
Bieten Live-Streaming-Portale also eine neue Form der Gegenwehr?
"Für Philando Castille waren die Sozialen Medien der einzige Notruf"
Schlagzeile im US-Magazin 'Wired'
Reynolds Video war demnach ein Echtzeit-Hilfeschrei. "Ihr war es unmöglich, Beamte zu informieren, als ihr Geliebter starb, also informierte sie die Öffentlichkeit", schrieb das Magazin weiter. Facebook Chef Mark Zuckerberg nannte die Bilder "grausam und herzzerreißend". Für ihn sind die Aufnahmen eine Erinnerung daran, wie wichtig es sei, eine offenere und vernetztere Welt zu schaffen, und wie weit der Weg dahin noch sei. Doch Live-Funktionen wie die von Facebook oder Twitters Periscope sind nicht unumstritten. Da die Bilder unmittelbar ins Netz gestellt werden, sind die Inhalte kaum kontrollierbar. So bekannte sich ein französische Extremist, der vor wenigen Wochen in einem Pariser Vorort zwei Polizisten tötete kurz nach der Tat per Live-Stream zur Terrormiliz Islamischer Staat. Das Video wurde später gelöscht.
Live-Bilder kommen lang vor den ersten Stellungnahmen
Und auch als Heckenschützen in Dallas auf Polizisten feuern und mehrere Beamte sterben, zeigt ein Zeuge ein Video live auf Facebook. Neu ist es nicht, dass bei Polizeieinsätzen Fotos oder Videos gemacht werden. Neu ist allerdings, dass diese direkt live gesendet werden. Lange vor dem Ende eines Einsatz, lange vor den ersten offiziellen Stellungnahmen. Und lange bevor das Material möglicherweise beschlagnahmt werden kann. Sie habe immer wieder von Polizeibeamten gehört, die Smartphones konfiszieren und Inhalte löschen, erklärte Michelle Gross, Präsidentin einer Vereinigung gegen Polizeigewalt in Minnesota der "New York Times".
Jim Paso, Chef eines Nationalen Berufsverbands der US-Polizisten sieht Live-Streaming zumindest zwiegespalten. Jeder technologische Fortschritt, der den Ermittlern Information liefere, sei hilfreich. Allerdings erzählten diese Videos nicht immer die ganze Geschichte.