Spaenles Plan: G8 und/oder G9 Neues Gymnasium erst ab 2018
G8 und G9 sollen künftig parallel existieren und Schüler damit eine Wahlmöglichkeit haben. Damit stehen erneut Veränderungen im bayerischen Bildungssystem bevor. Lehrer- und Elternverbände sind geteilter Meinung.
Soll die Gymnasialzeit acht Jahre oder neun Jahre dauern - das war lange die große Frage in der bayerischen Bildungspolitik. Das Kabinett traf jetzt eine Grundsatzentscheidung: G8 und G9 sollen parallel existieren. Die Schulen sollen selbst entscheiden. "Alles für alle" an jedem Standort sei aber nicht finanzierbar, so Spaenle. Wie viele Lehrer am Ende zusätzlich benötigt werden, ist noch unklar.
Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) teilte mit, er wolle aufgrund der Erfahrungen mit der Mittelstufe Plus ein "langfristig tragfähiges Modell für die Zukunft des Bayerischen Gymnasiums" entwickeln. Alle sollen sich dabei einbringen können: Schüler, Eltern und Lehrer, Bildungspolitiker und Verbände. Bis zum Schuljahr 2018/2019 wird sich allerdings nichts verändern.
Laut Mitteilung des Kultusministeriums will Spaenle die Diskussion auf diesen Eckpunkten aufbauen:
- Das Gymnasium verfügt auch künftig über einen einheitlichen Rahmen wie z.B. den Fächerkanon und den LehrplanPLUS
- Das Gymnasium weist auch künftig eine zweijährige Qualifikationsphase der Oberstufe und eine Abiturprüfung mit denselben Bedingungen und Qualitätsanforderungen auf.
- Das Gymnasium wird einheitlich nach Jahrgangsstufe 10 die Mittlere Reife verleihen.
- Innerhalb des einheitlichen Rahmens mit einer Grundkonzeption von acht Jahren wird eine langfristig tragfähige Lösung am besten dann erzielt, wenn das Gymnasium vor Ort über sein Lernzeitangebot bestimmen kann. Angesichts der Heterogenität der Schülerschaft sind dabei auch Instrumente zur Lernzeitverlängerung von Bedeutung.
- Nicht nur über das „Ob“, sondern auch über das „Wann“ einer solchen Entscheidung befindet die Schule selbst.
Kritik der Opposition und von Verbänden
Grüne und Sozialdemokraten kritisierten die Pläne des Kultusministeriums, sie plädieren für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring sagte:
"Spaenle hat nur eine Aufgabe, nämlich klare Rahmenbedingungen für Schulen zu schaffen und klare Aussagen zu treffen. Hier versagt er. Denn jetzt ist nur klar, dass beim Gymnasium gar nichts klar ist."
Thomas Gehring, Grünen-Bildungsexperte
SPD-Bildungsexperte Martin Güll erklärte, Spaenles Plan "klingt verdammt nach Chaos". Notwendig sei ein verlässliches neunjähriges Gymnasium. Die Freien Wähler wollen zwar die Wahlfreiheit, aber klare Konzepte für G8 und G9 - und keine Mittelstufe plus wie bisher.
Die Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien hofften auf Klarheit und fürchten nun Konkurrenzsituationen:
"Wir würden uns eine klare Leitentscheidung wünschen. Wenn ich an meiner Schule entscheiden soll, G8 oder G9, dann muss ich natürlich auch schauen, was machen die Nachbarschulen. Das ist vielleicht im ländlichen Raum kein großes Problem, aber bei Schulen im städtischen Raum. Wenn meine Nachbarschule auf G9 geht, kann ich dann noch bei G8 bleiben oder muss ich befürchten, dass mir die Schüler weglaufen?"
Karl-Heinz Bruckner ist Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, Simone Fleischmann, betont: "Das Zahlenspiel G8/G9 liegt uns nicht." Ihr Ziel ist ein Gymnasium, das jedes Kind mit seinen individuellen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellt. Unabhängig davon, ob die Gymnasiasten nach acht oder neun Jahren das Abitur machen. Dazu erarbeitet der Verband gerade ein Eckpunkte-Papier. Es soll im Herbst vorgestellt werden, wenn es an die konkrete Umsetzung der Reform geht.
Doppellösung kann sich keiner leisten
Auch der Philologenverband wird mit am Tisch sitzen – und der ist von den Reformplänen des Kabinetts wenig begeistert. Die Gymnasiallehrer hätten sich eine eindeutige Entscheidung für ein neunjähriges Gymnasium gewünscht. Nun droht laut dem Vorsitzenden Max Schmidt eine weitere mehrjährige Periode der Unsicherheit. Er spricht im BR von wahltaktischen Motiven. In der Bayern 2 Radiowelt sagte er:
"Ich denke, man möchte die alten Positionen nicht ganz verlassen, aber man möchte die anstehende Entscheidung noch verschieben bis nach der Wahl, und das halte ich für den falschen Weg."
Max Schmidt, Vorsitzender des bayerischen Philologenverbandes
Schmidt plädierte dafür, besonders begabte Schüler in einer Regel-G9-Schule betreut zu fördern und damit den Schülern die Entscheidung zu überlassen, welchen Weg zum Abitur sie wählen wollen. Beide Modelle an einer Schule anzubieten, hält er oftmals für unmöglich. Außerdem bedürfe es bei einem Zwei-Wege-Gymnasium deutlich mehr Lehrkräfte und damit auch Räume, und das wiederum werde die Kosten für den Freistaat spürbar erhöhen.
Der Bayerische Elternverband hat ebenfalls Bedenken und zwar, was das Nebeneinander von G8 und G9 angeht. Der Landesvorsitzende, Martin Löwe, befürchtet, kleinere Gymnasien könnten den Kürzeren ziehen, eben weil sie G8 und G9 kaum gleichzeitig stemmen können. Sie müssten sich wohl für einen der beiden Wege entscheiden. Größere Schulen, die beide Modelle anbieten können, würden dagegen mehr Zulauf bekommen.
Bedenken in den Regionen
Auch Politiker in den Regionen teilen diese Einschätzung - wie etwa Stefan Rößle, der Landrat des Kreises Donau-Ries. Er bezeichnete die Pläne - ebenso wie der CSU-Landtagsabgeordnete der Region, Wolfgang Fackler - als große Herausforderung gerade für die Gymnasien auf dem Land. Wegen geringer Schülerzahlen würde es dann wohl nicht mehr möglich sein, mehrere Zweige anzubieten, befürchten beide.
Fächer mit geringer Nachfrage wie Griechisch würden dann wohl verloren gehen. Auch sei das eine Herausforderung für den öffentlichen Nahverkehr, da Schüler dann möglicherweise, obwohl ein Gymnasium vor Ort sei, den Weg zu einem anderen weiter weg auf sich nehmen würden, um erst nach neun oder bereits nach acht Jahren Abitur machen zu können.
Kommentieren
Karg Michael, Dienstag, 02.August 2016, 14:27 Uhr
18. G8-G9
Ich bin Vater von 4 Kinder.
Von den 4 Kindern haben 2 das G9-Abitur absolviert.
Beim jüngsten Sohn wurde erstmalig das G8 eingeführt.
2015 hat er das Abitur abgelegt.
Das G8 wurde auf Druck der Wirtschaft auf die Politik mit Hilfe der Consultants eingeführt.!
Vorteil für die Wirtschaft: Abiturienten stehen 1 Jahr früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
Vorteil für Bayern: Einsparung von einem Lehrerjahrgang
Die eingesparten Kosten erhalten je zur Hälfte der Staat und die Consultants für die geniale Idee!
Gruß Michael Karg
Antwort von Oliver S., Dienstag, 02.August, 18:06 Uhr anzeigen
Mich würden Ihre Erfahrungen G8/G9 interessieren. Von Eltern, die - wie Sie - Kinder auf dem G8 und G9 hatten höre ich einstimmig, dass die Kinder auf dem G8 einem hohen Leistungsdruck ausgesetzt sind und kaum noch Zeit für außerschulische Aktivitäten haben.
Aus Ihrem Beitrag werde ich nicht ganz schlau, ob Sie das G8 oder das G9 befürworten. Vielleicht sind Sie auch in der glücklichen Lage, dass Sie Superchecker als Kinder haben. Das wäre zugegeben die ideale Voraussetzung für das Gymnasium. Dumm nur, dass wir den Bedarf an Akademikern mit Supercheckern bei weitem nicht decken können...
Edgar Fahmüller, Dienstag, 02.August 2016, 12:58 Uhr
17. G9
für G9
Kritischer Hörer, Dienstag, 02.August 2016, 12:55 Uhr
16. Das G9 war in Wirklichkeit ein G10!
Nicht nur Stoiber hat sein Abitur in 14 Jahren gemacht. Bei meinem eigenen Abitur waren wir eine Minderheit, die ohne Wiederholung ans Ziel kamen.
Die Reform müsste aber an einer anderen Stelle ansetzen. Gerade in Bayern hat sich - wie ich beim eigenen Nachwuchs und dem vieler Bekannter festgestellten muss, eine Art "Bulimielernen" (sagen manche Schüler selbst) etabliert.
Man lernt nur für die nächste Prüfung, aber eben nicht für die Dauer.
Aber die Bürokratie bzw. die juristische Absicherung wird eine vernünftige Änderung auch weiterhin verhindern.
Oliver S., Dienstag, 02.August 2016, 11:59 Uhr
15. Rat der Experten wird ignoriert?
" ... Kultusminister Spaenle sieht weder in einem 'G8 für alle' noch in einem 'G9 für alle' die Lösung ..."
Menschen wie Hr. Spänle sollten die Experten, die mit der alltäglichen Praxis zu tun haben - hier Lehrer - darüber abstimmen lassen, was sinnvoll ist und nicht ständig ihren eigenen Kopf durchsetzen.
Es wäre wohl allgemein angebracht, gegen das deutsche Bildungssystem bis zur höchsten Instanz Klage einzureichen.
1. Die Zugangsvoraussetzungen zum sowie der Anspruch und Drill der Gymnasien ist von Bundesland zu Bundesland teilweise massiv unterschiedlich. Daran ändert auch ein einheitliches Abitur nichts. Wo bleibt hier die Bildungsgerechtigkeit? Schon auf die Grundschulen übt das G8 massiv Druck aus ...
2. Die Berufswelt fordert örtliche Flexibilität der Arbeitnehmer. Wie soll das funktionieren, wenn es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Schulsysteme gibt?
Aber vermutlich gehen solche Klagen ins leere gemäß dem Motto "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" ...
Ein Land wie Deutschland braucht ein bundesweit einheitliches Schulsystem. Das den Bundesländern zu überlassen ist veraltet!
iPig, Dienstag, 02.August 2016, 11:58 Uhr
14. anno 1986
Meine Eltern waren zu arm für Musikunterricht, freiwillige Jahre etc. Mag sein, dass das einen jungen Menschen voranbringt, ist aber nicht immer und überall machbar.
Froh wäre ich gewesen, mein Abitur nach 8 Jahren machen zu dürfen, um endlich mehr eigenen Gestaltungsspielraum zu haben (und sei es nur die Option, selbst Geld verdienen zu können). So brauchte ich für mein Einser-Abi (ja, auch Kinder aus armen Verhältnissen schaff(t)en das, auch ohne Multiple-Choice-Fragen) halt neun Jahre, und aus meiner Sicht war das neunte mehr als überflüssig.
Kaum mehr Wissensvermittlung, bloß warten, bis die Prüfungen endlich losgehen, und ab Pfingsten nur noch nominell Schule. Wofür?