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Spaenles Plan: G8 und/oder G9 Neues Gymnasium erst ab 2018

G8 und G9 sollen künftig parallel existieren und Schüler damit eine Wahlmöglichkeit haben. Damit stehen erneut Veränderungen im bayerischen Bildungssystem bevor. Lehrer- und Elternverbände sind geteilter Meinung.

Von: Johanna Kempter und Doris Bimmer

Stand: 03.08.2016 |Bildnachweis

Soll die Gymnasialzeit acht Jahre oder neun Jahre dauern - das war lange die große Frage in der bayerischen Bildungspolitik. Das Kabinett traf jetzt eine Grundsatzentscheidung: G8 und G9 sollen parallel existieren. Die Schulen sollen selbst entscheiden. "Alles für alle" an jedem Standort sei aber nicht finanzierbar, so Spaenle. Wie viele Lehrer am Ende zusätzlich benötigt werden, ist noch unklar.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) teilte mit, er wolle aufgrund der Erfahrungen mit der Mittelstufe Plus ein "langfristig tragfähiges Modell für die Zukunft des Bayerischen Gymnasiums" entwickeln. Alle sollen sich dabei einbringen können: Schüler, Eltern und Lehrer, Bildungspolitiker und Verbände. Bis zum Schuljahr 2018/2019 wird sich allerdings nichts verändern.

Laut Mitteilung des Kultusministeriums will Spaenle die Diskussion auf diesen Eckpunkten aufbauen:

  • Das Gymnasium verfügt auch künftig über einen einheitlichen Rahmen wie z.B. den Fächerkanon und den LehrplanPLUS
  • Das Gymnasium weist auch künftig eine zweijährige Qualifikationsphase der Oberstufe und eine Abiturprüfung mit denselben Bedingungen und Qualitätsanforderungen auf.
  • Das Gymnasium wird einheitlich nach Jahrgangsstufe 10 die Mittlere Reife verleihen.
  • Innerhalb des einheitlichen Rahmens mit einer Grundkonzeption von acht Jahren wird eine langfristig tragfähige Lösung am besten dann erzielt, wenn das Gymnasium vor Ort über sein Lernzeitangebot bestimmen kann. Angesichts der Heterogenität der Schülerschaft sind dabei auch Instrumente zur Lernzeitverlängerung von Bedeutung.
  • Nicht nur über das „Ob“, sondern auch über das „Wann“ einer solchen Entscheidung befindet die Schule selbst.

Kritik der Opposition und von Verbänden

Grüne und Sozialdemokraten kritisierten die Pläne des Kultusministeriums, sie plädieren für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring sagte:

"Spaenle hat nur eine Aufgabe, nämlich klare Rahmenbedingungen für Schulen zu schaffen und klare Aussagen zu treffen. Hier versagt er. Denn jetzt ist nur klar, dass beim Gymnasium gar nichts klar ist."

Thomas Gehring, Grünen-Bildungsexperte

SPD-Bildungsexperte Martin Güll erklärte, Spaenles Plan "klingt verdammt nach Chaos". Notwendig sei ein verlässliches neunjähriges Gymnasium. Die Freien Wähler wollen zwar die Wahlfreiheit, aber klare Konzepte für G8 und G9 - und keine Mittelstufe plus wie bisher.

Die Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien hofften auf Klarheit und fürchten nun Konkurrenzsituationen:

"Wir würden uns eine klare Leitentscheidung wünschen. Wenn ich an meiner Schule entscheiden soll, G8 oder G9, dann muss ich natürlich auch schauen, was machen die Nachbarschulen. Das ist vielleicht im ländlichen Raum kein großes Problem, aber bei Schulen im städtischen Raum. Wenn meine Nachbarschule auf G9 geht, kann ich dann noch bei G8 bleiben oder muss ich befürchten, dass mir die Schüler weglaufen?"

Karl-Heinz Bruckner ist Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, Simone Fleischmann, betont: "Das Zahlenspiel G8/G9 liegt uns nicht." Ihr Ziel ist ein Gymnasium, das jedes Kind mit seinen individuellen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellt. Unabhängig davon, ob die Gymnasiasten nach acht oder neun Jahren das Abitur machen. Dazu erarbeitet der Verband gerade ein Eckpunkte-Papier. Es soll im Herbst vorgestellt werden, wenn es an die konkrete Umsetzung der Reform geht.

Doppellösung kann sich keiner leisten

Auch der Philologenverband wird mit am Tisch sitzen – und der ist von den Reformplänen des Kabinetts wenig begeistert. Die Gymnasiallehrer hätten sich eine eindeutige Entscheidung für ein neunjähriges Gymnasium gewünscht. Nun droht laut dem Vorsitzenden Max Schmidt eine weitere mehrjährige Periode der Unsicherheit. Er spricht im BR von wahltaktischen Motiven. In der Bayern 2 Radiowelt sagte er:

"Ich denke, man möchte die alten Positionen nicht ganz verlassen, aber man möchte die anstehende Entscheidung noch verschieben bis nach der Wahl, und das halte ich für den falschen Weg."

Max Schmidt, Vorsitzender des bayerischen Philologenverbandes

Schmidt plädierte dafür, besonders begabte Schüler in einer Regel-G9-Schule betreut zu fördern und damit den Schülern die Entscheidung zu überlassen, welchen Weg zum Abitur sie wählen wollen. Beide Modelle an einer Schule anzubieten, hält er oftmals für unmöglich. Außerdem bedürfe es bei einem Zwei-Wege-Gymnasium deutlich mehr Lehrkräfte und damit auch Räume, und das wiederum werde die Kosten für den Freistaat spürbar erhöhen.

Der Bayerische Elternverband hat ebenfalls Bedenken und zwar, was das Nebeneinander von G8 und G9 angeht. Der Landesvorsitzende, Martin Löwe, befürchtet, kleinere Gymnasien könnten den Kürzeren ziehen, eben weil sie G8 und G9 kaum gleichzeitig stemmen können. Sie müssten sich wohl für einen der beiden Wege entscheiden. Größere Schulen, die beide Modelle anbieten können, würden dagegen mehr Zulauf bekommen.

Bedenken in den Regionen

Auch Politiker in den Regionen teilen diese Einschätzung - wie etwa Stefan Rößle, der Landrat des Kreises Donau-Ries. Er bezeichnete die Pläne - ebenso wie der CSU-Landtagsabgeordnete der Region, Wolfgang Fackler - als große Herausforderung gerade für die Gymnasien auf dem Land. Wegen geringer Schülerzahlen würde es dann wohl nicht mehr möglich sein, mehrere Zweige anzubieten, befürchten beide.

Fächer mit geringer Nachfrage wie Griechisch würden dann wohl verloren gehen. Auch sei das eine Herausforderung für den öffentlichen Nahverkehr, da Schüler dann möglicherweise, obwohl ein Gymnasium vor Ort sei, den Weg zu einem anderen weiter weg auf sich nehmen würden, um erst nach neun oder bereits nach acht Jahren Abitur machen zu können.







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DDT, Dienstag, 02.August 2016, 08:42 Uhr

8. Theater

ein Theater.
Übrigens war das Argument G8 einzuführen, dass wir in Deutschland zu lange ausbilden und die Absolventen mittels
G8 dem Arbeitsmarkt schneller zur Verfügung stünden.
Was danach kam, ist mit Chaos noch beschönigt beschrieben. Einzige Profiteure waren die Schulbuchdrucker könnte
man meinen.
Die damalige besonders eifrige Förderin des G8, soll auf die Problematik angesprochen, geantwortet haben: .. ist mir egal.
Meine Kinder gehen auf eine Privatschule. Aha.

  • Antwort von waldler, Dienstag, 02.August, 10:40 Uhr anzeigen

  • Antwort von DDT, Dienstag, 02.August, 15:26 Uhr anzeigen

Gans, Dienstag, 02.August 2016, 08:30 Uhr

7. G8G9?

Liebes Team,
unsere Tochter hatte das unglaubliche Glück an ihrem unterfränkischen Gymnasium in Miltenberg am Main die erstmalig zugelassene Mittelstufe Plus zu besuchen. Ich kann ihnen gar nicht sagen, was das für eine Entlastung für die Familie insgesamt war. In der 7. Klasse hatte sie noch eine Wochenstundenanzahl von 37 Stunden incl. Wahlfächer, Orchester,... exlusive Hausaufgaben und Vorbereitung auf drohende Exen am nächsten Tag.
Nun hat sie eine 30 Std. Woche und kann ihren musischen Neigungen (Orchester, Sport) wieder ohne schlechtem Gewissen nachgehen.
Und wenn man mal die Abiturzeitungen der letzten Jahre durchliest: was machen die durchgehetzten G8 Schüler ? 1 Jahr Australien, "...erst mal nix..."-Kommentaren sind da zu lesen, irgendein Praktikum,... die wenigsten schlagen den direkten Weg auf die Uni ein, erst zum kommenden Sommersemester, nachdem sie sich von dem ganzen unnötigen Stress erholt haben. Deshalb unser Klarer Favourit: die verlängerte Schulzeit!!!

  • Antwort von Truderinger, Dienstag, 02.August, 09:12 Uhr anzeigen

  • Antwort von Gabriele Schönfeld, Dienstag, 02.August, 09:43 Uhr anzeigen

Markus, Dienstag, 02.August 2016, 08:19 Uhr

6. Produkt reift beim Nutzer

Wir, die Schulen, freuen uns schon: Ministeriale und Institutspädagogen, die schon seit Jahren oder überhaupt noch nie eine Schulklase geführt haben, lassen sich wieder einmal in ihren Kämmerchen etwas Neues einfallen. Der Grund, warum sie im Ministerium oder eben im ISB sitzen, ist nämlich genau jener, dass sie nicht dafür geeignet waren ganz "normale" Lehrer mit "normalen Schülern" zu sein. So tritt man dann lieber einen Verwaltungsposten an oder geht in die Politik. Die Fehler die Ihnen unterlaufen, dürfen wir dann wieder in jahrelangen Experimenten ausbessern oder durch kurzfristig eingegangene Faxe die Fettnäpfchen aus den Abiturprüfungen noch abändern, damit dann wieder der Abischnitt für die Politiker passt. Pfusch auf der ganzen Linie!

  • Antwort von Insider, Dienstag, 02.August, 08:35 Uhr anzeigen

  • Antwort von waldler, Dienstag, 02.August, 10:33 Uhr anzeigen

  • Antwort von Insider, Dienstag, 02.August, 18:30 Uhr anzeigen

Truderinger, Dienstag, 02.August 2016, 08:16 Uhr

5. Kein guter Plan!

Allein zur Gestaltung des Lehrplanes wird bei zwei unterschiedlichen Lehrplänen vermutlich eine speziell dafür entwickelte Software verwendet. Ursprünglich wurde das G8 mit dem Ansatz entwickelt, deutschen Abiturienten bzw. Studenten schneller den Zugang zum internationalen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Sieht man sich doch das Ergebnis in der Nachbetrachtung an, stellt man fest, dass sich unsere Jungakademiker ganz bestimmt nicht hinter der internationalen Konkurrenz verstecken müssen, selbst wenn sie ein Jahr später ins Berufleben einsteigen. Ein wesentlicher Faktor ist nämlich auch persönliche Reife und die hat nicht jeder, der nach 8 Jahren Abitur und 3 Jahren Bachelor mit 22 Jahren verantwortliche Positionen übernehmen soll.

Renate Wiebel, Dienstag, 02.August 2016, 07:46 Uhr

4. Tagesgespräch heute G 8 - G9

Bitte bringen Sie die Grundschulkinder ins Gespräch. Durch das G 8 wurde der Grundschulstoff um ein Jahr vorverlegt. 2.Klässler lernen heute Verb und Nomen statt Tunwort und Hauptwort, sie müssen einen Aufsatz schreiben und Einleitung, Hauptteil und Schluß bedenken. Das ist zu abstrakt und entwicklungspsychologisch gar nicht möglich. Das Gehirn funktioniert nicht so, wie die bayerische Staatsregierung das vorgibt. Wenn man also 2 Gymnasialwege ermöglichen möchte, müßte es genaugenommen auch 2 Grundschulwege geben. Aber eine dahingehende Entscheidung können Elktern nicht leisten, wenn ein Kind 5 oder 6 Jahre alt ist.
Am liebsten wäre es mir, sie würden einen Entwicklungspsychologen oder Kinderpsychiater zu diesem Thema hinzuziehen. Als Logopädin arbeite ich schwerpunktmäßig mit Grundschulkindern und weiß, wovon ich spreche. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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