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Franz Graf von Pocci Poccis Taugenichts - Kasperl Larifari

Stand: 06.03.2007 | Archiv

Kasperl Larifari (Marionettentheater München) | Bild: Marionettentheater München

Nachdem er erheblich dazu beigetragen hatte, dass sich Schmids Puppenbühne etablieren konnte, widmete sich Pocci nun mit Leib und Seele dem Marionettentheater. Bis zu seinem Tod verfasste er mehr als 40 Kasperl-Komödien, malte Kulissen, entwarf Kostüme und zeichnete sogar Eintrittskarten. Pocci fand in jener Zeit auch einen Verleger für sein "Neues Kasperltheater".

Theater - keine moralische Lehranstalt

Von Franz Graf von Pocci gemaltes Plakat mit Kasperl (im Münchner Stadtmuseum) | Bild: Stadtmuseum München

Von Pocci selbst gemaltes Plakat

Neues Kasperltheater - das ist das Stichwort: Pocci erfand die Figur neu, befreite sie vom damaligen bloßen Grobian-Image des Dult-Kasperls, vermied aber auch den erhobenen Zeigefinger. Pädagogisch wertvoll - ein Tugendbold kann ohnehin nicht jemand sein, der Larifari heißt. 

Wie Eichendorffs "Taugenichts" ist Poccis Kasperl naiv und herzensgut. Vom "poetisch kindlichen Gemüt", das die Romantiker gefordert hatten, ist beim Kasperl das Streiche fabrizierende Kindliche übrig geblieben. Als Unsinnsproduzent erfüllt er im Sinne der kapitalistischen Produktivgesellschaft keinen "Zweck". Er ist bekannt "wie's schlechte Geld", taugt nach eigenem Bekunden zum "Privatier, Rentier, Bankier oder so was G'scheits", doch nicht zur Arbeit. Sein liebster Aufenthaltsort - vergessen wir nicht, dass wir in Bayern sind - ist das Wirtshaus.

Erbe des Hofnarren

Stichwort Kasperl

Prototyp des Kasperl soll der Hofnarr gewesen sein. Feststeht, dass der Vorläufer Pulcinello war, eine langnasige Figur der italienischen Commedia dell'arte.

Um 1700 entwickelte sich daraus der österreichische Hanswurst und daraus schließlich der Dult-Kasperl.

In diesem Sinne ist Kasperl kein "nützliches" Mitglied der Gesellschaft, in einem anderen aber doch, da die - vermeintliche - Einfalt stereotype Verhaltensmuster entlarvt: den weltfremden Wissenschaftler oder wichtigtuerischen Staatsbeamten. Wie einst der Hofnarr, darf jetzt der Kasperl die Wahrheit sagen. Und wie der Hofnarr seine Späße nicht nur für Kinder machte, so auch nicht Pocci die seines Kasperl.

Wenn's sein muss - Totschlag

Kasperl gerät in die abenteuerlichsten Situationen in den fernsten Ländern, die aber merkwürdigerweise den bayerischen Verhältnissen immer sehr ähneln. Dabei schlüpft Kasperl in die verschiedensten Rollen: Ritterknappe, Schneidergeselle, Bauernknecht, auch Minister. Er hat es zu tun mit dem Geheimen Rat Aktenmaier, dem Bäcker Schmalzmaier, dem Jäger Hasenmaier, dem Metzger Fleischmaier, dem Polizist Schnüffel, dem trinkfesten Magistrat Schöppel oder dem Sultansdiener Pfeifistopfiri.

Kasperl furioso (Zeichnung von Franz Graf von Pocci) | Bild: Stadtmuseum München

Kasperl furioso (Zeichnung von Franz Graf von Pocci)

In der Regel wählt Kasperl - das hat Pocci auch bei dem großen österreichischen Satiriker Johann Nestroy gelernt - als Waffe den Spott, doch er kann auch zu drastischeren Maßnahmen greifen: In "Kasperl in der Türkei" erschlägt er kurzerhand den Sultan Schurimuri, als dessen despotisch Bizarrerien allen zu sehr auf die Nerven gehen.

Einfluss auf Busch und Richter

Das Leben Poccis verlief wesentlich weniger abenteuerlich als das seines Helden, am Ufer des Starnberger Sees eher beschaulich. Es endete am 7. Mai 1876, als der Graf auf dem Weg nach Hause einen Schwächeanfall erlitt und im Alter von 69 Jahren starb. Sein Grab liegt in Münsing, einem kleinen Ort unweit seines Heimatschlosses Ammerland. Namhafte Zeichner und Satiriker wie Wilhelm Busch und Ludwig Richter oder Maler wie Moritz von Schwind ließen sich von Pocci beeinflussen.


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