Der Samstag beginnt wieder pünktlich und wieder knallheiß. Vorm Pressezentrum stehen an die hundert Mannschaftswagen der Polizei. Auf dem Gelände gelten neue Sicherheitsvorschriften: Fahrradverbot, Check-in-Schleuse. Der Weg zum Online-Container führt einmal rum um die Eissporthalle und zickzack wie im Nintendospiel hindurch. Hallo, Kollegen der Weltpresse! Viele seid ihr! Am Cateringstand lieber zwei Sandwiches mitnehmen. Die Demonstration hat noch nicht begonnen, und auf dem CNN-Laufband steht "G7 protesters clash with German police". Läuft da eine Wette, wer zwei Bandnamen in eine Polit-Schlagzeile packen kann?

Polly und die Krake

Am Mittag zum Nachschauen ins Zentrum, das sich langsam füllt. Die Stimmung ist gelöst. Die Gipfelgegner sind ein ziemlich bunter Haufen mit tiefroten Klecksen. Die Polizisten sehen von fern nach schwarzem Block aus; wer die Bilder großzieht, sieht leicht angespannte, aber auch lachende Gesichter. Ich spreche mit Polly, die einen überlebensgroßen Kraken mit Totenkopf und NATO-Symbol auf dem Schädel gebaut hat.

Auf die Frage, woher sie angereist ist, sagt sie: aus dem Protestcamp. In den nächsten Stunden wird der Krake im Strom der Demonstranten mitschwimmen. Auch Frau Landgraf ist wieder da, die den Demonstranten Kuchen gebacken hat und erstaunlich findet, dass sie jetzt fernsehberühmt ist.

Happening, Gewalt, Gewitter

Zurück zum Container. Die Online-Kollegen bleiben im Zug, das Fernsehen dreht auch. Obwohl die Demo mit um die 5.000 Teilnehmern und mindestens so vielen Polizisten kleiner ist als erwartet, zieht sich der Zug. Aus den verschiedenen Ecken kommen gleichzeitig immer unterschiedlichere Nachrichten. Immer wieder stockt der Zug; es beginnt zu regnen. Kippt die Stimmung?

Menschen werden aus der Menge getragen - ob nach Kreislaufkollaps oder verletzt, ist unklar. Erste Fernsehbilder zeigen, wie Polizisten mit Knüppeln und Demonstranten mit Styroportafeln, die gerade noch Teil einer Performance waren, aufeinander losgehen. Das Bündnis "Stop-G7-Elmau" twittert, die Polizei greife Demonstranten an. Die Polizei twittert: "Polizisten mit Fahnenstange angegriffen und mit benzingefüllter Flasche beworfen. Deshalb Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz". Das Benzin wird später noch rauskorrigiert. Die Schlacht um die Deutungshoheit in den den sozialen Medien tobt noch, als sich die Demo im Prasselregen aufgelöst hat.

Danach die Sintflut

Am Abend ist das Bergtal zum Dampfkessel geworden. Die Wände des Online-Containers beben im Dauerdonnergrollen. Im Wagen der ZDF-Kollegen springt eine Sirene an und hält lange durch. Kollege meldet: Das Camp wird vorläufig evakuiert, in der Unterführung, wo eben noch die Polizeibusse parkten, findet eine große Beratung statt.

Beim nächtlichen Weg nach Hause stehen einige Campies noch immer verloren in der Unterführung. In der Kneipe besiegt Barcelona Turin gerade mit 3:1. Verschwommener Gedanke beim Einschlafen: Einige Demonstranten, Polizisten und Fußballfans würden den Tag wohl gerne nochmal drehen.