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Eigene Moscheen-Bauten Der Islam wird sichtbar

Viele Muslime blieben in Deutschland. Sie leben hier zum Teil in dritter Generation. Bei den Gläubigen unter ihnen wuchs der Wunsch nach repräsentativen Moscheen. In vielen Städten wurde er Wirklichkeit.

Stand: 30.12.2009 | Archiv

Kocatepe-Moschee in Ingolstadt | Bild: Stadt Ingolstadt

Die "Gastarbeiter" blieben, leben heute in dritter Generation hier, sprechen Deutsch, haben zum Teil die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie gehen hier zur Schule, studieren hier, üben jetzt auch akademische Berufe aus - haben also einen ganz anderen Lebenshintergrund als ihre Großväter. Viele der Enkel betrachten nicht mehr die Türkei, Marokko oder Bosnien als ihre Heimat, sondern Deutschland.

In Deutschland geblieben

1969 in München: Der millionste Gastarbeiter aus Südosteuropa wird am Hauptbahnhof begrüßt.

Die "Gastarbeiter" blieben, also wollten sie bauen. Nachdem Deutschland 1973 die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte gestoppt hatte, ermöglichte es die Zusammenführung mit den Familienmitgliedern aus den Herkunftsländern. Der Lebensmittelpunkt vieler Gastarbeiter verlagerte sich langfristig hierher, der Islam wurde die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland.

Wunsch nach repräsentativen Moscheen

Dementsprechend stieg auch das Selbstbewusstsein der Muslime. Das sollte ihrer Ansicht nach auch nach außen hin sichtbar werden; für sie war die Zeit reif, dass ihre Gebetshäuser nicht länger nur eine Hinterhofexistenz führen sollten. Seit den 1980er-Jahren wurde immer häufiger der Wunsch laut, repräsentative Moscheen hinsichtlich Standort, Größe und Architektur zu bauen. Doch ein gut sichtbares Gebäude mit Kuppel und Minarett hat Signalwirkung für die Umgebung.

Bayerns größte Moschee steht in Ingolstadt - am Stadtrand.

Reibungslos verliefen die Baupläne daher fast nirgendwo, wie etwa das Beispiel der "Pionierstadt" Lauingen zeigte. In München-Sendling verhärteten sich die Fronten so sehr, dass sich das Moschee-Projekt am Gotzinger Platz in juristischen Auseinandersetzungen verlor. Auch in anderen Orten kämpften Muslime oft mit hohen Hürden - oder hatten keine Chance, wie im schwäbischen Wertingen, wo Bürger per Unterschriftensammlung eine Moschee verhinderten. Eine orientalische Moschee passe nicht zum Ort, hieß es.

Umgekehrt ging es den Muslimen im unterfränkischen Karlstadt am Main. Um Konflikte mit den Behörden zu vermeiden, hatte man im ursprünglichen Bauplan auf die klassischen Elemente verzichtet. Doch der Bürgermeister appellierte, ein Gebäude mit Kuppel und Minarett zu errichten. So geschah es, freilich am Stadtrand. Relativ konfliktarm ging es auch in Penzberg oder Ingolstadt zu.

Raum fürs Freitagsgebet

Freitagsgebet: Eine großzügig gestaltete Moschee erlaubt die gemeinsame Andacht der gesamten Gemeinde.

Eine große Moschee hat nicht nur symbolischen Charakter, sondern auch praktische Funktion: Sie bietet genug Platz für eine ganze Gemeinde. Wie es im Christentum mit der Sonntagsmesse einen zentralen, gemeinsamen Wochen-Gottesdienst gibt, so auch im Islam: das Freitagsgebet.

Wie Christen dazu ein angemessenes Gebäude - die Kirche - benutzen, so auch die Muslime: die Moschee. Geleitet wird das Freitagsgebet von einem Vorbeter (arabisch: Imam, türkisch: Hoca) Er hält auch die Predigt.

Strukturen und Organisationen

Türkei, Algerien, Syrien, Indonesien, Irak, Albanien, Iran - Muslime aus sehr vielen Ländern leben in Deutschland. Sie gehören den unterschiedlichsten Richtungen an: Sunniten, Schiiten, Aleviten etc. Teilweise differieren die Glaubensvorstellungen so stark, dass die Bildung einer einheitlichen Gesamtvertretung der Muslime bisher nicht möglich war. Sie haben damit nicht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie die katholische Bischofskonferenz, der evangelische EKD und der Zentralrat der Juden.

Gläubige Muslime organisieren sich auf lokaler Ebene in Moschee-Vereinen, oft mit angegliedertem Kulturzentrum. Einige davon sind unabhängig, die meisten sind einer überregionalen Organisation bzw. einem Dachverband angeschlossen:

Spitzenverbände

  • Einer der beiden Spitzenverbände in Deutschland ist der Zentralrat der Muslime in Deutschland.
  • Der andere - zum Zentralrat konkurrierende - Spitzenverband ist der eher konservativ ausgerichtete Islamrat der Bundesrepublik Deutschland. Ihm angegliedert ist unter anderem die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.


Weitere Verbände (Auswahl):

  • Der mitgliederstärkste Verband in Deutschland ist die liberalere, zum Zentralrat gehörende "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), die etwa 900 Moschee-Vereine vertritt. DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, also dem türkischen Staat.
  • Der "Verband Islamischer Kulturzentren" (VIKZ) versammelt mehrheitlich konservative Muslime mit türkischem Migrationshintergrund. Auch VIKZ ist Mitglied des Zentralrats.
  • Die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" (IGD) versammelt arabische Muslime. Die IGD steht der in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft nahe, die mit islamistischem Fundamentalismus in Verbindung gebracht wird. Die IGD wurde in Verfassungsschutzberichten erwähnt.

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