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München Kirchturm statt Minarett

Stand: 30.09.2010 | Archiv

Großenvergleich von geplanter Moschee in München-Sendling und Kirche Sankt Korbinian | Bild: Architekturbüro Walter Höfler

"Das Wunder von Marxloh" heißt ein Film über einen repräsentativen Moschee-Bau im gleichnamigen Stadtteil von Duisburg. Dort errichtete man 2008 ein großes islamisches Gotteshaus im traditionellen islamischen Stil - im Einvernehmen aller bedeutenden gesellschaftlichen Gruppen vor Ort.

Eingang über den Hinterhof: Moschee in München-Sendling

Ein entsprechendes "Wunder von Sendling" ist ausgeblieben. 2004 hatte die lokale türkisch-islamische Gemeinde den Wunsch geäußert, in diesem Münchner Viertel eine würdige Moschee mit Kultur- und Begegnungszentrum zu bauen. Ohnehin war der Gebetsraum in einem Hinterhof für die Gemeinde zu klein geworden.

So sollte die neue Moschee am Gotzinger Platz aussehen.

Was daraus wurde? Ein Lehrstück über mögliche Konfrontationslinien bei derartigen Projekten: Größe der Moschee, Höhe der Minarette, Standort, Parkplatz-Probleme. Diese Moschee sollte nämlich nicht am Stadtrand gebaut werden, sondern innerhalb des Mittleren Rings, überdies gegenüber einer katholischen Kirche.

Zankapfel Gotzinger Platz

Bauherr wäre das Türkisch-Islamische Kulturzentrum München (DITIM). Dieser Moscheeverein gehört zum deutschen Dachverband DITIB. Der untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, also dem türkischen Staat. DITIM hatte sich mit der Stadt auf den Gotzinger Platz geeinigt und schloss 2005 einen Kaufvertrag über das Grundstück. Im März 2006 entschied das Ismaninger Architekturbüro Walter Höfler die Ausschreibung für sich. Finanziert werden sollte das Projekt aus Mitteln der Gemeinde.

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Größenvergleich: Sankt Korbinian - Moschee

Doch nicht allen Anwohnern gefiel die Aussicht auf eine selbstbewusst platzierte Moschee in der Nachbarschaft - speziell am geplanten Standort, der sich gegenüber der Neobarock-Kirche Sankt Korbinian befindet.

Anwohner gründeten eine Initiative "Bürger für Sendling". Ihr Hauptargument: Das islamische Gotteshaus beeinträchtige das städtebauliche Ensemble am Gotzinger Platz und zerstöre somit das Stadtbild, es sei eine überdimensionierte "Provokation". Die Türme von St. Korbinian sind 55 Meter hoch; die geplante Höhe der Minarette beträgt 41 Meter, damit wären sie nicht nur fast so hoch wie die Kirchtürme, sondern würden auch das Kirchenschiff überragen.

Konflikt wurde zum Rechtsstreit

In mehreren Bürgerversammlungen lehnten die Sendlinger das Projekt - mit knapper Mehrheit - ab. Entscheidungen auf dieser Ebene sind allerdings rechtlich nicht verbindlich. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) befürwortete die Moschee, der rot-grün dominierte Stadtrat sprach sich 2005 - gegen die Stimmen der CSU - dafür aus. München erteilte die Baugenehmigung. Doch die oberbayerische Bezirksregierung, die dem bayerischen Innenminister - damals Günther Beckstein (CSU) - untersteht, hob sie auf und forderte einen Bebauungsplan. Seitdem schwebt ein Bebauungsplanverfahren.

Der "Platzhirsch": Sankt Korbinian am Gotzinger Platz

Muslime reagierten enttäuscht auf die Entwicklung, leben sie doch zum Teil schon 50 Jahre in Sendling. "München braucht eine Moschee. Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft, wieso sollen wir nach draußen gehen? Wir wollen in München bleiben", klagte der frühere DITIM-Vorsitzende Önder Yilmaz.

Aus für Moschee - offenbar kein Geld da

Doch jenseits aller juristischen Streitereien scheiterte das Projekt offenbar an der Finanzierung. Das teilte der neue DITIM-Vorsitzende Recep Dereli Ende Februar 2010 mit. Demnach fiel die Entscheidung auf einer Versammlung in München, an der auch DITIB-Vertreter teilnahmen. Diese hätten sich ausdrücklich gegen den Bau ausgesprochen. DITIB konzentriere finanzielle Mittel auf die Errichtung einer repräsentativen Moschee in Köln. Aber: "Ohne die Unterstützung des Dachverbands sehe ich keine Möglichkeit, das Projekt zu verwirklichen", so Dereli.

München macht den Rückzieher

Im September 2010 beschloss auch noch der Münchner Kommunalausschuss, vom Verkauf des Grundstückes am Gotzinger Platz an DITIM zurückzutreten. Das Projekt ist damit wohl endgültig zu den Akten gelegt.

Schon vor 500 Jahren: Muslime in München

Moriskentänzer, inspiriert durch reisende Araber

80.000 Muslime leben heute in der 1,3-Millionen-Stadt München, zwei Drittel sind türkischer Herkunft. Wie überall in Deutschland schätzt sich nur die Hälfte als gläubig ein. Sie kann etwa 40 Moscheen in der Stadt nutzen. Fast alle sind in Hinterhöfen oder Wohnungen untergebracht, also eher Gebetsräume.

Was weniger bekannt ist: Muslime gab es in München schon vor Hunderten von Jahren, wenn auch nur sporadisch. Die berühmten von Erasmus Grasser geschnitzten Moriskentänzer gehen vermutlich auf reisende Araber im 15. Jahrhundert zurück. Ende des 17. Jahrhunderts brachte Kurfürst Max Emanuel 800 türkische Kriegsgefangene mit nach München, nachdem er 1683 dabei mitgewirkt hatte, Wien von der türkischen Belagerung zu befreien. Manche heutige Münchner stammen von diesen Soldaten ab.

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