Penzberg Die Vorzeigegemeinde
Der arg strapazierte Begriff "multikulturell" - für Penzberg trifft er vielleicht zu. Bürger aus etwa 70 Nationen leben in der 16.000-Einwohner-Stadt im katholischen Oberbayern. Bis in die 60er-Jahre wurde in dem etwa 50 Kilometer südlich von München gelegenen Ort Kohlebergbau betrieben, danach siedelten sich in Penzberg große Konzerne an. Das verlangte nach Arbeitskräften, viele davon kamen aus dem Ausland.
Vom umgebauten Kuhstall zur modernen Moschee
Die Muslime unter ihnen mussten ihre Freitagsgebete zunächst in einem umgebauten Kuhstall abhalten. Solche Zeiten sind längst vorbei.
Für die etwa 400 Muslime in Penzberg sowie weitere mehrere Hundert im Umland wurde 2005 eine Moschee mit Bibliothek und Mehrzweckräumen eröffnet. Dieses Islamische Forum wird immer wieder als Modellfall für Integration bezeichnet. Inzwischen ist das Gebäude touristische Sehenswürdigkeit, obwohl es viele auf den ersten Blick womöglich gar nicht als islamisches Gotteshaus identifizieren. So fehlt die Kuppel, Standard-Element von Moscheen in der osmanisch-türkischen Tradition.
Keine Kopie traditioneller Architektur
Aber, so argumentiert Alan Jasarevic, Architekt des Penzberger Baus, die klassische Moschee gebe es nicht, Muslime in China oder Mauretanien kämen ebenfalls ohne Kuppel aus. Vor diesem Hintergrund verzichtete Jasarevic auf einen Import traditioneller Formen aus dem türkischen oder arabischen Raum. Auch das Minarett in Penzberg hat nicht die klassische, sondern mehr künstlerische Funktion; der Gebetsruf erschallt nicht durch einen Muezzin, er ist als Kalligrafie in die 13 Meter hohe Turmkonstruktion eingearbeitet.
Das Gebäude zitiert dezent traditionelle Moschee-Formen, dennoch mutet der kubische Bau modern an. Auch in der nicht-muslimischen Bevölkerung genießt er hohe Akzeptanz. Den Penzberger Kompromiss halten nicht wenige für ein zukunftsweisendes Modell, für einen eigenständigen Weg von Moschee-Bauweise im Westen. Jasarevic, Augsburger Architekt mit bosnisch-muslimischen Wurzeln, erlangte mit diesem Projekt überregionale Bekanntheit in der Branche.
Dialog im Vorfeld
Hauptinitiator war der Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP), Benjamin Idriz. Er propagiert einen liberalen Islam und will für Transparenz in seinem Einflussbereich sorgen. So müssen die Vorstandsmitglieder der Gemeinde Deutsch beherrschen, auch die Freitagspredigt wird auf Deutsch gehalten. Von Anfang an setzte er auf Dialog: Die Bürger Penzbergs sowie Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche wurden bereits im Vorfeld über das Moschee-Bauprojekt informiert, um mögliche Konflikte frühzeitig zu bewältigen. Das Konzept ging auf: Die Moschee konnte beinahe reibungsfrei gebaut werden.
Integrationsprojekt mit Klassenfahrten
Alle Penzberger Stadtratsfraktionen und die christlichen Kirchen hatten stets die Integrationsleistung in der 16.000-Einwohner-Stadt als herausragend gelobt. Auch Münchner Politiker wie Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) oder der CSU-Stadtratsfraktionschef Josef Schmid äußerten sich positiv über die IGP. Die Penzberger Moschee wurde regelmäßig von Schulklassen zum Anschauungsunterricht besucht - als Beispiel für gelungene Integration.
Doch ab 2007 wurde die IGP im Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes erwähnt - wegen angeblicher Kontakte zu islamistischen Extremisten. Rektoren bayerischer Schulen stellten daraufhin die Klassenfahrten nach Penzberg ein. Idriz hatte immer betont, er unterhalte keine Kontakte zu Extremisten. Die IGP wehrte sich gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht - am Ende mit Erfolg. Die IGP kommt nun darin nicht mehr vor.
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