Braune Kleidung Was Rechtsextreme tragen
Neonazis treten längst nicht mehr nur in martialischem Look auf, sie haben inzwischen die Mode entdeckt. Sie versuchen damit, nicht mehr so abschreckend zu wirken und neue Zielgruppen zu erreichen.
Von Ernst Eisenbichler und Jonas Miller
Die Zeiten von Springerstiefel, Hitler-Bärtchen und strengem Fascho-Seitenscheitel sind längst vorbei - äußerlich tritt der Rechtsextremismus heutzutage so vielfältig in Erscheinung wie ein Chamäleon - und ist ebenso anpassungsfähig. Neonazis geben sich heute "cool", tragen Kapuzenpullover, umgeben sich mit Hip-Hop-Flair - oder unterscheiden sich äußerlich überhaupt nicht mehr von "normalen" Menschen. Selbst in Anzug und Krawatte und rhetorisch gut geschult treten sie heutzutage auf.
Aber auch lange Haare oder Basecaps - eigentlich Merkmale aus dem linken Spektrum - sind keine Seltenheit mehr. Sogar klassische Kult-Kleidungssymbole wie Che-Guevara-T-Shirt und Palästinensertuch haben die Rechten übernommen - als Lockmittel für rebellische Jugendliche, die in ihrer politischen Orientierungsphase anscheinend leicht zu manipulieren sind.
Millionen für Merchandising
Auf diese Weise ist die Gesinnung der Rechtsextremen äußerlich nur noch schwer zu erkennen. Das hat für sie mehrere Vorteile, zum Beispiel weniger Polizeikontrollen oder weniger Probleme im Elternhaus, in der Schule und am Arbeitsplatz. Der Verkauf von Kleidung, Schmuck und natürlich auch einschlägiger Musik hat außerdem einen wirtschaftlichen Nutzen für Neonazis: Über diese Artikel wird ein Millionenumsatz gemacht, mit dem rechtsextremistische Strukturen gestärkt werden können. Viele dieser Vertriebe kommen aus Bayern. Darunter der "Versand der Bewegung" in Murnau, der "Wikingerversand" in Geiselhöring oder der Augsburger Versand "Tradition und Moderne".
Schwarzes Outfit, gefährlicher Auftritt
Autonome Nationalisten: Neonazis, die sich bei linkem Outfit und bei linken Themen wie Globalisierungskritik bedienen
Schwarze Kapuzenpullis, Sonnenbrillen, Basecaps: Aus dem Spektrum linker Erkennungszeichen bedienen sich auch die sogenannten "Autonomen Nationalisten" (AN), eine besonders gewaltbereite Strömung der "Freien Kameradschaften". Die AN treten militant auf, ähneln stark dem Schwarzen Block der linksextremen Autonomen und versuchen so, gerade bei Jugendlichen anzukommen. Bei Demonstrationen attackieren sie immer wieder politische Gegner, Journalisten oder Polizisten und nehmen dabei auch Verletzte in Kauf.
Von "Lonsdale" zu "Consdaple"
Rechte Buchstaben-Spielereien: Kleidung der Marke "Lonsdale". Das Label hat sich von der rechten Szene distanziert.
Neben dem aggressiven Look des "traditionellen" Neonazis hatte sich vor einigen Jahren auch ein rechtsradikaler modischer Lifestyle etabliert - kahl rasierter Schädel und martialische Tattoos sind eben auch bei den braunen Kameraden nicht jedermanns Sache. In den 1990er-Jahren entdeckte die rechte Szene T-Shirts der englischen Marke "Lonsdale": Eine darüber getragene Jacke, offen oder nur halb geschlossen, verdeckt die beiden ersten und die beiden letzten Buchstaben, übrig bleiben "nsda". Nur das "p" fehlt noch zur Hitler-Partei NSDAP.
Vollständig zu lesen ist dieser Schriftzug bei Kleidungsstücken des ursprünglich bayerischen Herstellers "Consdaple" - ein orthografisch bewusst falscher Bezug zum englischen Wort "constable" (Schutzmann). Diese Marke von einem ehemaligen NPD-Funktionär ins Leben gerufen.
"Mittels dieses Auftretens besteht die Möglichkeit, sozusagen unerkannt, da dem bekannten Bild des 'Faschisten' entgegen laufend, in die bisher von gegnerischen Lagern beherrschten Gebieten vorzudringen, politisch und kulturell."
Neonazi-Aktivist Axel Reitz
"Lonsdale" distanzierte sich im Zuge dieser Vereinnahmung vom Rechtsextremismus. Mehr noch: In Kampagnen warb die Firma unter dem Motto "Lonsdale Loves All Colours" mit Models unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Danach verschwand "Lonsdale" wieder weitgehend als Erkennungszeichen von Neonazis. Mittlerweile unterstützt das Unternehmen antirassistische Fußballvereine und Projekte gegen Rechtsextremismus.
"Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch sich generell sozial und auf jeden Fall 'gegen Rechts' engagieren sollte."
Lonsdale
"Thor Steinar" und "Storch Heinar"
Großen Wirbel gab es auch um das deutsche Modelabel "Thor Steinar". Auf den Kleidungsstücken der Marke ist als Logo eine altgermanische Rune und zuweilen auch die norwegische Flagge aufgenäht - alles in allem ein "nordischer" Touch. Nicht zuletzt deswegen wird "Thor Steinar" in der Öffentlichkeit häufig mit Rechtsextremismus assoziiert. Die Firma selbst bestreitet einen solchen Zusammenhang. Doch im Bundestag, in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie in vielen Fußballstadien ist das Tragen von Kleidung dieser Marke verboten. Der brandenburgische Verfassungsschutz sieht in "Thor Steinar" ein "identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten".
In einigen deutschen Städten protestierten Anwohner erfolgreich gegen "Thor-Steinar"-Läden. Mit Satire und Verballhornung reagierte die Aktion "Endstation Rechts" der SPD-Jugendorganisation Jusos aus Mecklenburg-Vorpommern auf "Thor Steinar". Sie vertreibt Textilartikel mit der Aufschrift "Storch Heinar".
Die Firma "Thor Steinar" strengte daraufhin eine Klage an. Doch das Landgericht Nürnberg-Fürth wies sie im August 2010 weitgehend ab. Zum einen bestehe keine Verwechslungsgefahr von "Storch Heinar" mit dem Label "Thor Steinar", zum anderen sei diese Form der satirischen Auseinandersetzung durch Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt.