Braune Musik Was Neonazis hören
Die Musik der Rechtsextremen ist eines der wichtigsten Propagandamittel für die rechte Szene. Daher wundert es kaum, dass die Zahl der Bands und Konzerte in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.
Von Kai Brinckmeier und Jonas Miller
Seit den späten 1970er-Jahren ködert die rechtsextreme Szene vor allem Jugendliche mit ihrer szeneinternen Musik. Die Idee stammt aus Großbritannien und wurde erfolgreich auf andere Länder übertragen. Stilistisch bestand sie zunächst aus hartem Gitarrenrock - dem sogenanntem Rechtsrock - inzwischen bildet sie jedoch die ganze Breite popkultureller Musikstile ab. Gelegentlich verschwimmen dabei die Grenzen zur unpolitischen Popkultur.
Große Bandbreite rechter Musik
Die aktuelle Musik der rechtsextremen Szene unterscheidet sich von reaktionären Militärmärschen und Nazi-Propagandaliedern wie dem "Horst-Wessel-Lied" so sehr wie die Volksmusik vom Punkrock. Zum ursprünglichen Rechtsrock sind etwa rechtsextreme Liedermacher, Nazi-Hip-Hop oder Heavy Metal hinzu gekommen. Es gibt kaum einen modernen Musikstil, der nicht auch von der rechten Szene übernommen wurde. Inhaltlich könnten die Unterschiede allerdings kaum größer sein: Es werden die alten Germanen aus einer häufig verklärt historischen Perspektive verehrt, die Wehrmacht und ihre Soldaten glorifiziert und Ausländern mit Vertreibung gedroht. Häufig attackiert werden die Juden. In solchen Liedern finden sich teilweise unverhohlene Anspielungen auf den Massenmord in deutschen Konzentrationslagern während der Zeit des Nationalsozialismus. Zwar ist die überwiegende Mehrheit der Alben rechter Bands verboten. Die internationale Zusammenarbeit und insbesondere das Internet sorgen aber für eine relativ problemlose Verfügbarkeit. Wer in der Szene vernetzt ist, weiß ganz genau, über welche Quellen die Musik bezogen werden können.
Der Ursprung: Großbritannien
Der Rechtsrock, ursprünglich "White Power Music" genannt, entstand in den späten 1970er-Jahren im Umfeld britischer Neonazi-Gruppierungen als Reaktion auf die seinerzeit populäre Bewegung "Rock Against Racism". Die rechtsextreme Gegenbewegung nannte sich "Rock Against Communism" und diente der gezielten Rekrutierung von Skinheads. Die prominenteste und einflussreichste Band nannte sich "Skrewdriver". Ihr Frontmann, der 1993 verstorbene Ian Stuart Donaldson, hatte die Bedeutung von Musik zur Rekrutierung von Jugendlichen schnell erfasst:
"Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen."
Ian Stuart Donaldson
Die rechtsextreme Musik dieser Zeit war schnell, laut und orientierte sich vor allem am zeitgenössischen Punk und Hardcore - der dann später in "Hatecore" umbenannt wurde. Als im Laufe der 1980er-Jahre auch in Deutschland eine Skinhead-Szene entstanden war, übernahmen hiesige Organisationen das Rekrutierungsmodell von der Insel - eine Strategie, die sich auch heute noch bewährt.
Ausweitung in Deutschland
Rechtsextremer Liedermacher Frank Rennicke, hier als NPD-Kandidat zur Wahl des Bundespräsidenten 2012
Der Erfolg dieser Strategie lässt sich an einigen einfachen Zahlen messen: Für das Jahr 2014 zählte der Verfassungsschutz bundesweit über 180 Bands und 161 Musikveranstaltungen wie Konzerte oder Liederabende. In Bayern lag die Zahl der rechtsextremen Bands demnach bei neun. Mit ihrer Öffnung gegenüber unterschiedlichen Jugendkulturen haben inzwischen ganz unterschiedliche Musikstile Einzug in die Szene gehalten. Der Rechtsrock ist deshalb schon lange nicht mehr die einzige Stilrichtung. Großer Beliebtheit erfreuen sich seit den 1990er-Jahren rechtsextreme Liedermacher wie Frank Rennicke (wohnhaft in Bayern), Jörg Hähnel oder Anette Moeck. Stilitstisch kopieren sie linke Liedermacher wie Reinhard Mey. Ihr Markenzeichen sind auf der Gitarre begleitete Balladen zu Themen wie "Blut und Boden", "Heimat", "Vertreibung", Rassismus, Antiamerikanismus sowie die Ablehnung von Demokratie und pluralistischer Gesellschaft. Dazu kommen nachgespielte Lieder völkischer und nationalsozialistischer Autoren. Auch der US-amerikanische Hip Hop ist mittlerweile Teil des Neonazi-Musik-Business: "NS-Rapper" wie "n'Socialist Soundsystem" oder "MaKss Damage" rappen über Gewalt gegen Ausländer oder über ihren Stolz auf Deutschland.
Makin' Money und Events
Thomas Kuban (li) recherchierte jahrelang undercover in der Rechtsrock-Szene, hier mit Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich, Günther Jauch (re).
So sehr sich Musik als Köder in der Szene durchgesetzt hat, so offenkundig ist auch der simple Umstand geworden, dass sich mit Musik hervorragend Geld verdienen lässt. Denn natürlich ist sie nicht gratis: CDs, MP3 kosten ebenso Geld, wie Kleidung oder andere Fan-Artikel. Allein in Bayern vertrieben im Jahr 2014 insgesamt acht verschiedene Handelsplattformen rechtsextreme Produkte. Genaue Zahlen sind allerdings unbekannt. Geschätzt wird, dass namhafte Vertriebe einige hunderttausend Euro Umsatz pro Jahr erzielen. Musik lässt sich darüber hinaus auch im Rahmen von Konzerten gut vermarkten. Zwar steht hier nicht der finanzielle Gewinn im Vordergrund. Konzerte sind aber gleichermaßen Kontaktbörse, Propaganda-Veranstaltung sowie Musikevent und erfüllen damit ihren zentralen Zweck: "Die Konzerte dienen der Rekrutierung", so der Journalist Thomas Kuban, der jahrelang verdeckt Neonazi-Konzerte besucht und gefilmt hat. Bundesweit 161 Musikveranstaltungen im Jahr 2014 weisen auf ihre Bedeutung für die Szene hin. In mittelfränkischen Scheinfeld fand im Oktober 2013 ein konspiratives Neonazi- Konzert mit über tausend Besuchern statt. Ein ähnlich großangelegtes Konzert, das ebenfalls in Scheinfeld stattfinden sollte, wurde im Mai 2014 von den Behörden unterbunden.
Frei.Wild als Freiwild?
Pop-Bands wie "Frei.Wild" oder "Rammstein" werden zu einer Stilrichtung gezählt, die "Neue Deutsche Härte" genannt wird. Auch wenn die Mehrheit der "NDH" nicht zur rechtsextremen Szene zählt, finden ihre Bands aufgrund ihres Stils und ihrer Ästhetik dort Anklang: Männlich-martialischer Körperkult, Pathos und gezielte Tabubrüche lösen eine Faszination für das "deutsche Böse" aus, wie die Online-Plattform "Netz gegen Nazis" feststellt. Während eine Band wie "Rammstein" hier wohl über jeden Zweifel erhaben ist, wird "Frei.Wild" medial immer wieder eine Nähe zu rechten Motiven nachgesagt. Jedenfalls war die Band zuletzt immer wieder gezwungen, ihre Teilnahme an diversen Festivals aufgrund von Protesten abzusagen. Für Musikforscher der Universität Mainz steht "Frei.Wild" für einen "latent völkischen Nationalismus".
"Frei.Wild" nicht auf den Index
Versuche der Politik, Songs von Frei.Wild zu verbieten, sind allerdings wiederholt gescheitert. Zuletzt stufte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Anfang Februar 2014 eine vom thüringischen Sozialministerium eingereichte CD der Band nicht als jugendgefährdend ein. Zwar wurde ein bestimmter Titel kritisch bewertet, im Kontext zu den anderen Stücken auf der CD erreichte das Gremium aber nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit.