Polizeigewalt in den USA Der verdrängte Rassismus
Weiße Polizisten erschießen unbewaffnete Schwarze - und bleiben meist straffrei. Die USA werden überrollt von einer Welle aus Wut, tausende Demonstrieren. Der Versuch einer objektiven Einordnung.

Eric Garner, Michael Brown, Tamir Rice, Freddie Gray, Alton Sterling, Philando Castile. Sechs Namen, sechs Tote. Sie stehen stellvertretend für hunderte Menschen mit dunkler Hautfarbe, die innerhalb der vergangenen Monate durch weiße Polizeigewalt starben. Jahrzehnte nach Martin Luther King gehen erneut zehntausende Demonstranten auf die Straßen. Sie rufen "Black lives matter", frei übersetzt also "auch schwarze Leben sind wertvoll". Die USA diskutieren über das Ausmaß an Rassismus und Rassenhass, über Weiße gegen Schwarze, über Recht und Unrecht, über angeblich schießwütige Polizisten, die ohne Gerichtsverfahren davonkommen.
Eine neue Stufe auf der Eskalationsleiter
Jüngste Eskalationsstufe: Der Tod von zwei Schwarzen, erschossen vor laufender Kamera, sowie die tödlichen Schüsse auf weiße Polizisten während einer Demonstration.
Wer verstehen will, was dort auf der anderen Seite des Atlantiks genau los ist, der braucht belastbare Daten. Denn während die einen behaupten, es gebe eine regelrechte Hatz auf Schwarze, argumentieren andere, Schwarze seien deutlich gewalttätiger als Weiße und Polizisten müssten sich schließlich verteidigen. Wer aber hat Recht?
Die Faktenlage - Löchrige Daten
So schnöde und mühsam sie auch zu lesen sind, Statistiken ermöglichen eine objektive Einordnung. Doch offizielle Stellen in den USA führen keine Statistiken über Polizeigewalt. Auch die 18.000 US-Polizeiwachen sind nicht verpflichtet, das Wie und Warum von Schüssen ihrer Beamten auf Zivilisten zu dokumentieren - geschweige denn zu vermerken, welcher Ethnie die Opfer angehören. Nur ein Bruchteil der Wachen übermittelt Daten an das FBI. Freiwillig, eine Fallauswahl nach Gutdünken. In anderen Worten: Die statistische Grundlage ist löchrig, nicht objektiv und nicht belastbar.
Das FBI veröffentlicht diese Statistiken über tödliche Polizeigewalt dennoch. Es gibt es nur absolute Zahlen, keine Untergliederung in den Anteil schwarzer und weißer Opfer. 444 Menschen starben dem FBI zufolge 2014 durch den Einsatz von Polizeiwaffen bei einer Bevölkerungszahl von rund 319 Millionen. Zum Vergleich: In Deutschland mit seinen rund 81 Millionen Einwohnern erschossen Polizisten 2014 sieben Menschen.
Neben den nicht-representativen FBI-Statistiken gibt es eine einzige offizielle Studie. Diese aber ist veraltet - und auch die Zahlen sind erneut wenig aussagekräftig: Das Justizdepartment publizierte 2001 eine Analsye mit Fokus auf die späten siebziger bis neunziger Jahre. Allein der Titel wirft die Frage auf, wie objektiv die Autoren zu Werke gegangen sind: "Justifiable homicide by police / police officers murdered by felons" lautet der Untertitel. Zu deutsch: "Rechtmäßige Tötungen durch die Polizei / Polizisten, die von Verbrechern ermordet wurden." Recht vs. Mord also.
Zivile Datensammlungen
Um sich nicht allein auf die löchrigen offiziellen Daten verlassen zu müssen, haben Journalisten der US-Ausgabe der britischen Tageszeitung Guardian eine eigene Datensammlung gestartet. "The Counted. People killed by police in the US" basiert auf Meldungen aus der Bevölkerung, die die Autoren anschließend verifizieren. Das Problem: Die Daten sind nicht objektiv, weil die Sammlung auf der Bereitschaft der Bevölkerung fußt, ihre Beobachtungen mitzuteilen. Nicht gemeldete Fälle bleiben damit weiter im Dunklen - sowohl auf Seiten weißer als auch schwarzer Opfer. Klar wird aber mit Blick auf eine Karte der USA, die sämtliche Fälle dokumentiert: Polizeigewalt gibt es im ganzen Land - und zwar gleichermaßen gegen Schwarze wie Weiße.
Mehr Meldungen erhielten die Datenbank-Autoren aus den Oststaaten. Eines der zahlreichen Ergebnisse: 2015 war die Todesrate junger schwarzer Männer fünf Mal höher als die gleichaltriger Weißer. Unbeantwortet lassen die Autoren aber die entscheidende Frage, ob die Opfer von weißen Polizisten erschossen wurden. Genau das ist aber der Dreh- und Angelpunkt der derzeitigen Demonstrationen, der Vorwurf nämlich, weiße Polizisten würden Schwarze leichtfertig erschießen.
Die Namen der Toten
Michael Brown
Der 18-Jährige starb am 9. August 2014 in Ferguson (Missouri), getroffen von sechs Kugeln aus einer Polizeiwaffe. Er war unbewaffnet. Brown soll zuvor einen Ladendiebstahl begangen haben. Gegen den Polizisten wurde kein Stafverfahren eingeleitet.
Eric Garner
John Crawford
Ezell Ford
Darrien Hunt
Tony Terrell Robinson
Tamir Rice
Walter Scott
Antony Hill
Freddie Gray
Philando Castile und Alton Sterling
"Mapping Police Violence" ist ein weiteres groß angelegtes Daten-Sammelprojekt. Betrieben wird es von vier Bürgern mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen. Ihren Recherchen zufolge sind die Opfer bei tödlichen Polizeieinsätzen drei Mal häufiger schwarz als weiß. Im Fokus der Analysen stehen anders als beim Datenprojekt des Guardian nicht sämtliche Fälle von Polizeigewalt unabhängig von der Ethnie der Opfer, sondern speziell jene Fälle, bei denen Schwarze getötet wurden.
Viele Thesen, keine Antworten
Was bleibt, ist eine unbefriedigende Erkenntnis: Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA ist objektiv kaum greifbar. Die offiziellen Stellen scheinen kein Interesse an einer Aufarbeitung zu haben, um die Gewaltspirale zu stoppen, zivile Datensammlungen können nur bedingt herangezogen werden. Damit bleiben entscheidende Fragen unbeantwortet: Ist es nur eine Frage der öffentlichen Wahrnehmung, dass mehr Schwarze als Weiße bei Polizeieinsätzen getötet werden oder ist dieser zentrale Vorwurf der "Black lives matter"-Bewegung auch objektiv Fakt? Ist die US-Polizei rassistisch oder muss sie sich schlicht häufiger gegen Schwarze als gegen Weiße wehren?
Es wäre leicht, der medialen Wahrnehmung nachzugeben. Dann würde die Antwort wohl eindeutig lauten: Ja, weiße Polizisten erschießen ohne mit der Wimper zu zucken unbewaffnete Schwarze.
Genau das aber lässt sich eben nicht belegen. Und so bliebe nur eine fahrlässige Schlussfolgerung, mehr Bauchgefühl als Fakt, mehr Spekulation als Analyse. Vor diesem Problem stehen auch die USA - und damit vor einer explosiven Mischung aus Mutmaßungen, Beobachtungen und Meinungen.
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Tom, Freitag, 08.Juli 2016, 23:20 Uhr
10. USA / Deutschland - Konsequenzen
Die Verhältnisse in den USA zeigen, dass es grundsätzlich nicht funktioniert, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben. Statt "Rassismus" anzuklagen sollte man dies endlich als Tatsache akzeptieren und die Konsequenzen ziehen. Die Lehre für Deutschland sollte sein, dass es grundfalsch ist, Millionen Afrikaner und Araber aus falsch verstandener "Menschlichkeit" nach Deutschland zu holen. Unsere ohnehin bereits gespaltene Gesellschaft wird sonst unweigerlich in Konflikte gestürzt, wie es sie in den USA bereits gibt. Das brauchen wir wirklich nicht und das kann man auch den Flüchtlingen nicht zumuten. Es wäre für alle seiten sinnvoller und nachhaltiger, wenn man nicht Milliarden für die "Integration" von Flüchtlingen ausgeben würde, die nicht funktionieren wird. Das Geld sollte man besser verwenden, um die Fluchtursachen zu bekämpfen und die Verhältnisse in den Heimatländern der Flüchtlinge zu verbessern, damit sie dort Frieden und eine Perspektive für die Zukunft haben.
Antwort von BR-Fan, Samstag, 09.Juli, 07:23 Uhr anzeigen
@Tom
Falscher Vergleich @Tom
"...dass es grundsätzlich nicht funktioniert, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben. "
1. die "Schwarzen" in den USA sind nicht zugewandert sondern wurden "importiert"
2..die "Schwarzen" wurden und werden nicht als Menschen sondern als "Ware" betrachtet
3.
Ab " Es wäre für alle seiten sinnvoller und nachhaltiger, wenn man nicht Milliarden für die "Integration" von Flüchtlingen ausgeben würde,..." gehe ich mit ihnen konform.
Als Anfang "könnte" bzw müsste man mit dem lukrativen Waffenexporten die sich im letzten Jahr verdoppelt haben, Schluss machen.
Die Ausrede: "Wenn wir es nicht machen..." ist mir sehr wohl bekannt.
Das will man auch nicht.
Das mit der Integration funktioniert auch leider aus "Geldmangel" bei der Bildung nicht.
Das mit der Integration funktioniert leider auch bei manchen "Bio- Inländern" nicht.
Alles könnte man machen.
Mit gutem Willen.
Aber der Fisch fängt auch beim Kopf zu stinken an.
Batzi , Freitag, 08.Juli 2016, 22:01 Uhr
9. Vorgeschmack
was bei uns so ansteht die nächsten Jahre...
Antwort von Franz, Samstag, 09.Juli, 09:34 Uhr anzeigen
Warum wandern Sie nicht nach Nordkorea aus, wenn es bei uns so schlimm ist ?
Antwort von Cosi, Samstag, 09.Juli, 10:55 Uhr anzeigen
@Batzi
was steht denn bei uns so an?
Das die Menschen nicht aus der Geschichte lernen?
Das die AFD eine Alternative für Dummys ist?
Das alle Deutschen/Ausländer/Flüchtlinge kriminell sind?
Oder was....?
Das würde ich gerne mal wissen!
Deutschland ist nicht nur ein schönes Land wie auch Europa sehr schön ist, hässlich ist nur das was die Menschen aus ihren Ländern machen.
Das Land selbst kann nichts dafür.
Der Mensch schon, er kann ein Mitgestalter im positiven Sinne sein. Weil auf gute Gedanken folgen auch gute Taten.
Kreativität hat nicht nur mit mit Kunst oder Musik / Malen zu tun. Kreativität ist auch eine Eigenschaft im Sozialen Miteinander .
Alles was in der Kunst möglich ist ,kann man auch im Leben anwenden. Es gibt nicht nur eine Lösung es gibt immer verschiedene Wege.
Es gibt auch nicht richtig oder falsch es gibt zu jeder Zeit Möglichkeiten mit positivem Charakter.
Anton A., Freitag, 08.Juli 2016, 20:45 Uhr
8. "Black Panther"-Gruppe übernimmt Verantwortung und kündigt weitere Morde an
US-Medien berichten, dass die radikal-schwarze Terrororganisation "Black Panther" die Verantwortung für die Ermordung von fünf Weißen übernommen hat und kündigt weitere rassistisch motivierte Morde an Weißen an.
Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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KSLL, Freitag, 08.Juli 2016, 20:10 Uhr
7. Polizist im Fall Philando Castille nicht weiß
Der Polizist, der mutmaßlich die Schüsse auf Philando Castille abgegeben hat, ist asiatischer Abstammung.
Uwe R., Freitag, 08.Juli 2016, 19:57 Uhr
6. Bessere Recherche und sachlichere Berichterstattung helfen
Verschwörungstheorien gibt es in allen gesellschaftlichen Kreisen, sie haben nur andere Namen: "Rassismus", "Fremdenfeindlichkeit", "Islamophobie" ... . Guckt man in den vom US-Justizministerium herausgegebenen Bericht Homicide Trends in the United States, 1980-2008, stellt man schnell fest, dass ca. 90% der Schwarzen von Schwarzen umgebracht wurden. Man recherchiere selbst: Race and crime in the United States, Wikipedia, Quellen dortselbst. Seit den 1960ern kennt man in den USA: Nation of Islam (1930 gegründet), Black Panther, Black Liberation Army, Black Power, Black Supremacy und damit einhergehend eine steigende Gewalt Schwarzer gegen die weiße Gesellschaft. Übrigens verlieren pro Jahr ca. 150 Polizeibeamte in den USA ihre Leben durch Gewalttäter. Der Supreme Court stützt deshalb seit 1989 die "officer safety", aufgrund derer die Polizisten zu ihrer Sicherheit schnell tödlich schießen dürfen. Deshalb gibt es "nur" so wenige getötete Polizeibeamte. Sonst wären es noch mehr.
Antwort von KSLL, Freitag, 08.Juli, 21:30 Uhr anzeigen
Guter Beitrag, Uwe. Es ist wichtig, dass in Deutschland über diese Sachverhalte differenzierter berichtet und diskutiert wird. Ich habe den Eindruck, dass viele Deutsche aufgrund schlechter Englischkenntnisse unseren zum Teil einseitigen Medien ausgeliefert sind. Über Fälle wie den der kleinen Alaysha Carradine, eines achtjährigen schwarzen Mädchens, das von einem schwarzen Schwerkriminellen auf Rachefeldzug ermordet wurde, liest man auch in den USA meist nur in Regionalzeitungen. Auch der Fall des kleinen Aaron Shannon (5, schwarz) in LA, der von zwei Mitgliedern der Kitchen Crips ermordet wurde, ist wohl außerhalb von LA County unbekannt. Es gibt noch viele andere Fälle, über die weder in den USA noch in Europa berichtet wird, weil kein weißer Polizist und kein schwarzes Opfer involviert waren. Es scheint heuchlerisch, wenn dies das Auswahlkriterium bei der Berichterstattung ist. Und nicht zuletzt ist Abtreibung die Haupttodesursache unter Schwarzen -- daran stößt sich niemand.
Antwort von HM, Samstag, 09.Juli, 03:57 Uhr anzeigen
Danke dass sie sich die mühe machten zu recherchieren. -HM, Indiana USA
Antwort von BR-Fan, Samstag, 09.Juli, 07:31 Uhr anzeigen
@Uwe R. & @ KSSL
Alles was sie schreiben wird so stimmen und dennoch sind ihre Kommentare rassistisch weil sie nicht auf das Kernproblem eingehen.
Was könnte das wohl sein?
Steht auch in manchen Statistiken und Berichten.
Ursachen-Forschung wäre angebracht will aber fast niemand.
PS
In dem gelobten Land USA sterben jährlich ca. 36.000 Menschen durch Schusswaffen. Darunter sind auch Kinder die von Kindern durch "herumliegende" Schusswaffen getötet werden
Antwort von Rumplhanni, Samstag, 09.Juli, 09:34 Uhr anzeigen
Werden zwei Schwarze erschossen, wird der Arikel durch die gesamten Medien gereicht. Ähnliches an zig-Weißen in Afrika, zig-Christen in Nahost erscheint kaum. Durch humane christlich-geprägte EU-Ethik zu Pazifisten erzogen, geht die schleichende Diskriminierung eher gegen das eigene bunte Volk. Unsere Polizei hat kaum noch Rückhalt. Zwar auch von politisch-Grün(?)gefordert, zu welchen Bedingungen - interessant.
Bildlich: Eine weiße Madonna gestützt von immens technischem Aufwand, eine schwarze Tina Turner ohne diese Blendung, aber voller ehrlicher Power, Lebenserfahrung, daher Lebensfreude, die sicher viele mehr besticht - Hautfarbe uninteressant. Es gäbe viele Beispiele. Schwarzenegger-Terminator, gegensätzlich True Lies -„Charisma“.Gouverneur von Kalifornien. Interessante Wiki-Info!
Könnten wir uns im überbevölkerten DE/EU den 10H-Abstand zum Nachbarn leisten, was viele schätzen würden -man mag ja auch nicht jeden „indigenen Nachbarn“- wären „amerikanische“ Diskussionen nötig.
Antwort von Cosi, Samstag, 09.Juli, 10:40 Uhr anzeigen
@Rumpelhanni
man mag ja auch nicht jeden indigenen Nachbarn?
Das hat weder mit Haut oder Herkunft was zu tun. Es gibt einfach nette und freundliche Menschen die die Regeln des guten Miteinander beherzigen und Solche die immer was zu meckern haben.
Dann gibt es noch Die ,die Niemanden kennen aber über Jeden etwas schlechtes zu berichten haben.
Man braucht auch keine amerikanische Diskussionen ;weil es keine Amerikanische Verhältnisse gibt, wie z.B. der Waffenbesitz für Alle.
Antwort von KSLL, Samstag, 09.Juli, 10:56 Uhr anzeigen
Ich weiß nicht, was rassistisch ist an meinem Beitrag, in dem ich auf den Tod von zwei schwarzen Kindern durch schwarze Kriminelle hinweise, BR-Fan. Mir tut der Großvater des kleinen Aaron sehr leid, der bis heute (6 Jahre später) noch nicht über den Mord hinweggekommen ist.
Ihr Kommentar scheint mir nebenbei recht zusammenhangslos.