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Syrien-Rückkehrer Die stille Gefahr

Sie waren im syrischen Kriegsgebiet, sind nach Deutschland zurückgekommen: Mehrere hundert Syrien-Rückkehrer und Gefährder leben unter uns. Die Polizei kann nicht alle lückenlos überwachen. Wie gefährlich sind sie?

Von: Joseph Röhmel

Stand: 23.01.2016 | Archiv

Der Funkstreifzug: Wie gefährlich ist die Salfisten-Szene?

Der Fall ist echt, aber wir haben ihn anonymisiert: Ein Syrien-Rückkehrer aus Nordbayern meldet sich zurück – mit einem Bild auf Facebook. Es zeigt ihn in weißem Gewand, als aktiven Salafisten, darunter ein Erklärtext:

"Lasst uns nicht aufhören, für all unsere Brüder in Gefangenschaft zu beten. Überall auf der Welt werden Muslime unterdrückt."

Abdul, Syrien-Rückkehrer aus Bayern

Warum hat sich Abdul zurückgemeldet? Was möchte er der Öffentlichkeit damit sagen? Befindet er sich gerade auf einem Selbstfindungstrip? Das bleibt unklar.

Waffe und IS-Flagge

Symbolbild: Syrien ist das Ziel deutscher Islamisten.

Seit einem halben Jahr ist Abdul wieder aus Syrien zurück. Die Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren gegen den jungen Mann aus Bayern mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Sicherheitskreise sehen Abdul weiterhin kritisch. Seinen Werdegang verfolgen wir schon seit geraumer Zeit.

Ein Foto zeigt ihn, bevor er nach Syrien ausgereist ist: Abdul mit einer Pistole in der Hosentasche, hinter ihm hängt die Flagge eines Landes an einer Wand. Später dann: Auf dem Profilbild seines Twitter-Accounts finden wir das Foto eines Kämpfers, daneben die IS-Flagge. Der Account ist bis jetzt noch verfügbar.

In Syrien soll Abdul ein Video gedreht haben. Ein Screenshot liegt uns vor. Auch hier wieder sieht man offensichtlich den jungen Mann mit Waffe in der Hand. Wir telefonieren mit der Mutter. "Das ist alles nur ein großes Missverständnis", sagt sie, dann legt sie auf. Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, Syrien-Rückkehrer richtig einzuschätzen.

Gefährder leben unter uns

Hunderte Personen sind aus Syrien wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Wie gehen die Sicherheitsbehörden damit um?

"Die Gefahr, die wir hier sehen ist, dass sich jeden Tag junge Männer in Deutschland radikalisieren, zu den Salafisten gehen, sich dort weiter radikalisieren und zu Dschihadisten werden."

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz im BR-Funkstreifzug                 

Doch wer von diesen Dschihadhisten ist wirklich gefährlich? Wem traut man zu, Anschläge zu verüben? Das Bundeskriminalamt zählte zuletzt mehr als 400 sogenannte islamistische Gefährder. Über 200 leben in Deutschland, mehr als 68 sitzen in Haft.

"Die deutschen Sicherheitsbehörden, Verfassungsschutz und Polizei, sollen eigentlich als Brandmelder und Feuerlöscher die Probleme, die Gefahren, die von diesen Leuten ausgehen, beseitigen. Und das ist ausgesprochen schwierig. Denn die Zahl der Menschen steigt. Und es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, zu verhindern, dass sich junge Männer radikalisieren und in den Dschihad gehen."

Hans-Georg Maaßen

Polizei am Limit

Wer von den Gefährdern unter Beobachtung steht, hat es gewöhnlich schwer, auszureisen. Sein Pass wird eingezogen, er muss sich bei der Polizei melden oder sitzt sogar wegen versuchter Ausreise im Gefängnis. Einigen gelingt es trotzdem, unter dem Behörden-Radar durchzuschlüpfen.

Es bräuchte mehr als zehn Beamte pro Person, um Syrien-Rückkehrer und andere Gefährder rund um die Uhr zu bewachen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Eine Utopie sei das, sagt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Polizei habe dafür zu wenig Personal. Schon allein durch die Flüchtlingskrise seien die Beamten am Limit:

"Jetzt sind die Gefährder in zunehmendem Maße dazugekommen. Deshalb muss die Polizei Schwerpunkte setzen. Wir müssen ja sogenannte Gefährdungsanalysen machen und dann die Beobachtungsintensität danach ausrichten. Dass dann hier auch Beobachtungslücken entstehen können, liegt auf der Hand. Wir kennen ja auch nicht alle Gefährder. Wir haben nur die auf dem Schirm, die uns durch die Nachrichtendienste bekannt gemacht wurden."

Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtags-Fraktion, Katharina Schulze, schlägt vor, die Polizei vor unnötigen Aufgaben zu entlasten und damit Zeit zu geben für die "wirklich harten Fälle".

"Ich denke beispielsweise, dass die Polizei in Bayern nicht mehr jeden Schwertransporter Tag und Nacht begleiten muss. Das können auch private Sicherheitsunternehmen machen. Dadurch hätten wir mehr Ressourcen, dass die Polizei beispielsweise Gefährder überwachen kann."

Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion im BR-Funkstreifzug

Drohung aus Syrien gegen Politiker

Ein junger Mann aus Schwaben hat es nach eigenen Angaben geschafft, nach Syrien zu gelangen. Nach unseren Recherchen hat er sich dort offenbar einer Al-Kaida-nahen Terrormiliz angeschlossen. Wir haben mit ihm über Mail Kontakt. Was er in Syrien macht? "Dschihad", sagt er – also heiliger Krieg. Mehr sagt er nicht.

Nur dass er den bayerischen Behörden dankbar sei, dass sie ihn ziehen ließen. Und dass sie doch auch seine Gesinnungsgenossen ausreisen lassen sollten.

Jener Dschihadhist hat vor einigen Monaten auf Facebook einem Politiker namentlich gedroht. Im Folgenden Auszüge - den Namen des bedrohten Politikers nennen wir nicht.

"Passen Sie in Zukunft doch bitte besser auf sich auf, wenn Sie alleine auf die Straßen gehen sollten."

Drohung gegen einen Politiker auf Facebook

Passiert ist nichts. Trotzdem: Verfassungsschützer, Polizei und Landeskriminalämter müssen jede Drohung und jeden Hinweis ernst nehmen. Vor allem das Internet ist ein Tummelplatz für Islamisten und ihre radikalen Botschaften - eventuell auch eine Austauschplattform für Anschlagspläne?              

"Werde zum Albtraum der Geheimdienste!", heißt es in einem neuen Magazin - für jeden frei verfügbar im Internet. Das Magazin liefert in deutscher Sprache einschlägige Informationen, wie man sich als Dschihadist vor Geheimdiensten tarnen kann. Sicherheitsbehörden fürchten nichts mehr, als diejenigen, die unbeobachtet im stillen Kämmerlein Anschlagspläne schmieden. Wie gehen die Sicherheitsbehörden damit um? Nachgefragt beim Bayerischen Landeskriminalamt in München. Ein Ermittler sagt, man habe ein wachsames Auge auf die Umtriebe der Islamisten. Aber er formuliert auch einen Wunsch:

"Da würden wir uns natürlich wünschen, dass wir bestimmte Internetkommunikationsformen, wie zum Beispiel Messenger-Dienste, zukünftig etwas einfacher überwachen können, als es momentan der Fall ist."

Ermittler beim Bayerischen Landeskriminalamt      

Tatsächlich verfügen die Sicherheitsbehörden weder über die personellen Kapazitäten, noch die rechtliche Handhabe, um gegen jeden islamistischen Hetzer vorzugehen. Die Gefahr, möglicherweise auch Anschlagspläne zu übersehen, ist nicht auszuschließen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nun einmal nicht - ganz egal, wo die radikalen Islamisten sich aufhalten. Denn sie machen nicht vor Landesgrenzen halt.

Umso mehr wäre ein Austausch zwischen den europäischen Sicherheitsbehörden über islamistische Gefährder sinnvoll. Wie diese Woche bekannt wurde, hat die Bundesregierung Lücken bei der europaweiten Terrorabwehr festgestellt. Es gebe zur Zeit noch nicht mal eine einheitliche Definition des Begriffs Gefährder, bemängeln die Grünen im Bundestag.

Begriff Salafismus:

Salafisten berufen sich auf die Gemeinschaft Muhammads (Sahaba) und die darauf folgenden zwei Generationen. Sie interpretieren den Koran in der Tradition der frühen islamischen Bewegung. Daher lehnen sie Demokratie ab.

Die salafistische Bewegung ist keinesfalls homogen. Zu den Hauptgruppen zählen Puristen, politische Salafisten und die jihadistisch orientierte Bewegung. Nur ein kleiner Teil der Salafisten gilt jedoch als gewaltbereit. Doch da die unterschiedliche Strömungen häufig Berührungspunkte miteinander haben, bereitet die salafistische Bewegung nicht nur Sicherheitsbehörden sondern auch Pädagogen Sorgen.


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