Der Fall Chodorkowski Michail Chodorkowski - Biografie
Für viele ist er der prominenteste politische Gefangene in Russland, andere nennen ihn schlicht einen Kriminellen.
Michail Chodorkowski wurde am 26. Juni 1963 in Moskau als einziges Kind einer normalen russischen Familie geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.
Er studierte am Moskauer Mendelejew-Institut für Chemotechnik und machte 1986 einen Abschluss als Diplom-Chemiker. 1987, im Alter von 24 Jahren, gründete Chodorkowski das „Jugendzentrum für Wissenschaftliche und Technische Entwicklung“, welches Marktforschung für große Firmen betrieb und diese mit neuen Technologien vertraut machte. 1988 schloss Chodorkowski das Studium der Volkswirtschaft am Plechanow-Institut für Wirtschaft, der führenden Manager-Schule Russlands, ab.
1989 gründete Chodorkowski zusammen mit Geschäftspartnern eine der ersten kommerziellen Banken in der Sowjetunion, später unter dem Namen Menatep bekannt. Hieraus entwickelte sich eine weit verzweigte Holding, die unter dem Namen Group Menatep firmierte.
Anfang der 1990er Jahre war Chodorkowski Mitglied im Beraterstab des russischen Premierministers und unterstützte den Wahlkampf des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin.
Im Zuge der Privatisierung 1995/96 in Russland erwarben Michail Chodorkowski und seine Geschäftspartner die Mehrheitsanteile an der Ölfirma JUKOS, die zu diesem Zeitpunkt hoch verschuldet war. Durch eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen, die Einführung neuartiger Technologien und bedeutender Restrukturierungsprogramme, wandelte sich JUKOS zu einem der erfolgreichsten Unternehmen in Russland. 2003 trat Chodorkowski zusammen mit anderen Großaktionären von JUKOS in Verhandlungen mit bedeutenden US-amerikanischen Ölfirmen ein, um mindestens 25 Prozent der JUKOS-Anteile zu verkaufen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war Chodorkowski einer der angesehensten Wirtschaftsreformer und Philanthropen in Russland. Er forderte immer deutlicher, die Korruption zu bekämpfen und eine stabile Zivilgesellschaft aufzubauen. Darüber hinaus engagierte er sich politisch, gestaltete öffentliche Angelegenheiten mit und unterstützte Oppositionsparteien. Seine Vision von Russland, als gesellschaftlich fortgeschrittene, marktwirtschaftlich orientierte Demokratie, in der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geachtet und respektiert werden, kollidierte jedoch mit dem Bestreben des Kreml, seine Macht zu festigen, die Zivilgesellschaft in ihrer Entwicklung einzuschränken und staatlich kontrollierte Konzerne zu stärken.
Im Jahr 2003 wurden Michail Chodorkowski und sein Geschäftspartner Platon Lebedew aufgrund einer Anklage, die ihnen rückwirkend die Verletzung von Steuerregelungen und Privatisierungsgesetzen zur Last legte, festgenommen.
Ab Anfang 2004 wurde JUKOS mit einer Reihe von Steuerforderungen überzogen und in den Bankrott getrieben. JUKOS wurde durch mehrere Zwangsversteigerungen enteignet. Den Hauptanteil von JUKOS eignete sich das staatlich kontrollierte Unternehmen Rosneft zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes an.
2005 wurden die Angeklagten in fast allen Anklagepunkten für schuldig erklärt. Das Verfahren dauerte fast ein Jahr und wurde international als politisch motiviert heftig kritisiert. Außerdem wurden schwere verfahrensrechtliche Fehler angemahnt. Die beiden Verurteilten wurden in sibirische Strafkolonien, tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt, verbannt, um dort ihre achtjährige Haftstrafe abzusitzen.
Im Oktober 2007 wären Chodorkowski und Lebedew nach russischem Recht eigentlich für eine Begnadigung in Frage gekommen. Das Gnadengesuch von Chodorkwoski wurde aber im August 2008 abgelehnt. Seine Untauglichkeit für die Rehabilitation wurde mit angeblicher Disziplinlosigkeit und „fehlender Begeisterung für im Gefängnis anfallende Näharbeiten“ begründet.
Bereits im Februar 2007 wurden neue Anschuldigungen der Unterschlagung und Geldwäsche gegen Chodorkowski, Lebedew und JUKOS vorgebracht, die dem Gerichtsurteil aus dem ersten Verfahren widersprachen. Während im ersten Verfahren die Anklage noch lautete, sie hätten ihre Steuern auf die Ölverkäufe nicht bezahlt, wurden sie nun der Unterschlagung von Millionen Tonnen von Öl sowie der Geldwäsche beschuldigt.
Im März 2009 begann das zweite Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew in Moskau und die Gerichtsverhandlungen waren erneut durch gravierende Verletzungen der fundamentalen Rechte der Angeklagten gekennzeichnet. Das Verfahren wurde von internationalen Beobachtern wieder scharf kritisiert. Im Dezember 2010 verurteilt das Gericht die beiden Angeklagten zu jeweils vierzehn Jahren Haft, wobei die Strafe aus dem ersten Verfahren angerechnet wird. Ein Moskauer Berufungsgericht bestätigt das Urteil der Vorinstanz und reduziert die Strafen lediglich um jeweils ein Jahr. Chodorkowski und Lebedew werden voraussichtlich bis mindestens 2016 inhaftiert bleiben.
Im Juni 2011 wurde Chodorkowski in ein Straflager in Karelien (nahe der finnischen Grenze) verlegt.
Im Dezember 2011 wird die Haftzeit um ein Jahr verkürzt. In derselben Woche wurde im russischen Fernsehen ein Propagandafilm gezeigt, in dem Chodorkowski ein weiteres mal der Anstiftung zum Mord beschuldigt wird. Im Sommer 2013 mehren sich die Anzeichen, dass ein dritter Prozess gegen Chodorkowski vorbereitet wird.