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Tatort München: Charlie Regisseur Lancelot von Naso

Stand: 21.01.2025

Regisseur Lancelot von Naso bei den Dreharbeiten in Bad Tölz.  | Bild: BR/Lucky Bird Pictures/Oliver Oppitz

Schon als ich die erste Buchfassung vo Tatort: "Charlie" gelesen habe, hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen. Dagmar Gabler hat einen Tatort geschrieben, der einen in eine völlig unbekannte Welt eintauchen lässt. Diese wilde Geschichte, bei der man die starken Bilder schon im Drehbuch spürt, erzählt von den COBs – den Civilians on the Battlefield – Zivilistendarstellern im Manöver.

Seit fast drei Jahren ist wieder Krieg quasi vor unserer Haustür mitten in Europa. Und wer will, kann täglich militärische Erfolgs- oder Misserfolgsmeldungen lesen. Aber das Drama des Krieges ist immer das Drama der Zivilisten. Schon 500 vor Christus schrieb Herodot: "Niemand, der bei Verstand ist, zieht den Krieg dem Frieden vor; denn in diesem begraben die Söhne ihre Väter, in jenem die Väter ihre Söhne."

Die Zivilisten im Krieg, ein Thema, das mich seit meinem Debutfilm "Waffenstillstand" nie ganz losgelassen hat. Der Tatort: "Charlie" erzählt von eben diesen Dramen, wenn auch allegorisch. Es geht um Darsteller von Zivilisten während eines NATO-Manövers, in dem der Krieg noch geübt wird. Eigentlich ist es unmöglich, so eine Art von Film im Rahmen von einem Tatort zu drehen. Der Aufwand ist mit TV-Mitteln unmöglich zu leisten. Aber irgendwie haben es die Produzenten Oliver Schündler und Boris Ausserer geschafft, dass wir quasi "live" während eines echten NATO-Manövers mit 6.000 Soldaten drehen konnten. Mit kleinem, flexiblem Team und unseren Darstellern in der echten Kulisse. Lange war nicht klar, ob der Dreh überhaupt stattfinden kann. Bis ein Brief kam, in dem stand: "The Pentagon is approving the production." Damit war klar, es geht los.

Normalerweise versucht man bei Spielfilmdrehs immer alles zu kontrollieren. Bei "Charlie" war es oft quasi genau umgekehrt. Wir hatten Szenen, die wir drehen wollten, und haben dann versucht, möglichst schnell zu reagieren und die Szenen in den bestmöglichen aktuellen "Kulissen" zu drehen, während des echten Manövers, es war eher wie in einem Dokumentarfilm.

Eine exemplarische Szene dafür: Einmal saßen wir alle gemeinsam auf Bierbänken beim Mittagessen, als plötzlich mehrere Hubschrauber über unser Dorf flogen. Alle sprangen auf, weil wir für eine Szene mit Udo Wachtveitel unbedingt einen fliegenden Hubschrauber brauchten. Militärhubschrauber für uns extra zu mieten, wäre aber viel zu teuer gewesen. Udo hat sich schnell seine Kostümjacke übergeworfen, Teller flogen runter. Peter von Haller, unser Kameramann rannte zur Kamera am LKW. Und dann wurde gedreht. Es war eher wie eine Liveübertragung als ein Spielfilmdreh. Eine große Herausforderung für das ganze Team, weil man oft blitzschnell reagieren musste, aber auch ein großer Spaß. Toll auch, mit den Kommissaren Schauspieler zu haben, die zwar fast 100 Filme gemacht haben für den Tatort, aber trotzdem noch bereit sind zu jedem Abenteuer und sich nicht zu schade sind, quasi durch den Schlamm zu robben für ein spannendes Projekt.

Der Tatort: "Charlie" war also in jeder Hinsicht ein sehr ungewöhnliches Projekt und wird dadurch auch zu einem ungewöhnlichem Film, der sich nicht in staubigen Polizeirevieren und Altbauwohnungen bewegt, wie viele Krimis, sondern fast ausschließlich im militärischen Übungsgelände: in dem 20 mal 30 Kilometer großen Gebiet, das extra aufgebaut wurde für militärische Übungsschlachten mit verrückten Städten, gebaut nur fürs Häuserkampftraining, in dem ebendiese Zivilistendarsteller leben für mehrere Wochen, während eines Manövers. Dieses Setting gibt dem Film eine ganz besondere Atmosphäre. Wir tauchen ein in eine Welt, die weder wir noch die Kommissare kennen. Und in der die Kommissare auch nicht die Kontrolle haben, denn hier im militärischen Sperrgebiet gelten andere Regeln. Ein Setting wie gemacht für einen guten Krimi.


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