Die Erinnerung bewahren Zeitzeugen-Schwerpunkt in ARD alpha
Bald werden sie verstummen, die Stimmen der Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus erlebt oder erlitten haben. Was bleibt, sind ihre Erinnerungen, festgehalten in literarischen und filmischen Zeugnissen sowie in Tondokumenten. Im Rahmen eines Zeitzeugen-Schwerpunkts geben ein Spielfilm und drei Dokumentationen aus unterschiedlichen Perspektiven Einblick in die bewegenden Lebensgeschichten von Yoram Fridman, Claus Günther, Wilhelm Simonsohn und Margot Friedländer: am Samstag, 6. und Sonntag, 7. November 200, jeweils ab 20.15 Uhr in ARD alpha.
Der Spielfilm ʺLauf Junge laufʺ von Regisseur Pepe Danquart nach dem gleichnamigen Roman von Uri Olev und der Lebensgeschichte von Yoram Fridman erzählt am Samstag, 6. November, um 20.15 Uhr die wahre Geschichte des neunjährigen Jungen Srulik, dem die Flucht aus dem Warschauer Ghetto gelingt. Bis zum Ende des Krieges muss er sich allein durch die Wälder schlagen. Er lernt, auf Bäumen zu schlafen und Eichhörnchen mit der Schleuder zu jagen. Um nicht entdeckt und verhaftet zu werden, muss Srulik eine andere Identität annehmen.
1921 in Berlin geboren, erlebte Margot Friedländer das ganze Grauen der NS-Diktatur. 1946 emigrierte sie mit ihrem Mann nach New York. Erst 2010 kehrte sie wieder zurück nach Berlin und in das Land, das sie nie mehr betreten wollte. Seitdem engagiert sich die Holocaust-Überlebende gegen das Vergessen, veranstaltet Lesungen aus ihrer Autobiografie und besucht Schulen. Die Dokumentation ʺAngekommen – Margot Friedländer, Berlinʺ um 21.55 Uhr zeichnet ein Porträt dieser bemerkenswerten Zeitzeugin und fragt danach, wie sie ihr altes, neues Land und die Entwicklungen der letzten Jahre sieht.
Der Hamburger Claus Günther, am Ende des Zweiten Weltkriegs 14 Jahre alt, machte ganz andere Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Seine Vorbilder hießen Hitler, Göring und Goebbels. Seine Schulbücher waren bebildert mit Helden in Nazi-Uniformen. Seine Überzeugung war es, einer überlegenen ʺarischenʺ Herrenrasse anzugehören. Als Kind kannte Claus Günther nichts Anderes. Aber nach Kriegsende erfährt er, welche zerstörerische Wirkung die Nazi-Ideologie hatte, und wird zu einem Kämpfer für Demokratie. Was macht eine Diktatur mit Menschen? Wie konnte die Menschenverachtung des NS-Systems zum Ideal werden? Diesen Fragen geht die Dokumentation ʺZeuge der Zeit: Claus Günther – ʹWir fühlten uns starkʹʺ am Sonntag, 7. November, um 20.15 Uhr nach und bringt manches Licht ins Dunkel.
Wilhelm Simonsohn, Jahrgang 1919, wuchs als Adoptivsohn eines jüdischen Kaufmanns in Hamburg-Altona auf und machte Karriere als Luftwaffenpilot bei der Wehrmacht. Was widersprüchlich klingt, wird in seiner Biografie zur sonderbaren Wirklichkeit. In dem Film ʺZeuge der Zeit: Wilhelm Simonsohn – Leben im freien Fallʺ um 21.00 Uhr schildert Simonsohn die NS-Zeit aus zweierlei Perspektiven: aus dem Blickwinkel des Sohnes eines Juden, der an den Folgen der Rassendiskriminierung stirbt, aber auch aus dem Blickwinkel des Soldaten, der den Überfall auf Polen und Frankreich mitgemacht hat. Er erzählt von den Tumulten während der Weimarer Republik, der Verhaftung seines Vaters sowie seinen Erinnerungen an die Zerstörung Warschaus im September 1939, die seine Überzeugung, Pazifist zu werden, verstärkt haben. Bis heute setzt sich der inzwischen 102-jährige Wilhelm Simonsohn für eine bessere Welt ein.
Zur Reihe "Zeuge der Zeit"
Was bleibt, wenn die letzten Zeuginnen und Zeugen nicht mehr am Leben sind? Wie kann auch den nachfolgenden Generationen nachhaltig vermittelt werden, was während der NS-Zeit geschah? Diese Fragen gaben den Anstoß für die Porträtreihe ʺZeuge der Zeitʺ von ARD alpha. Die Filme widmen sich den Worten der Überlebenden – ihren Erlebnissen und Gefühlen. Jeder Interviewfilm im Sinne einer ʺOral Historyʺ ist ausschließlich einem Zeitzeugen gewidmet. Teilweise berichten diese hier zum ersten Mal so ausführlich, was geschah. Der gezielte, reduzierte Einsatz von Archivbildern und bewusst gewählte, zurückhaltende Musikakzente rahmen die Worte ein. Die fast unmerkliche Kamera lässt den Menschen erzählen. Nah, intensiv und fokussiert. Geschichten, die bleiben und ohne Zeigefinger zum Frieden mahnen.
Neustart von ardalpha.de: Weiterentwicklung zum ARD-weiten digitalen Wissens- und Bildungsangebot
Das Online-Angebot ardalpha.de präsentiert sich seit Ende Oktober 2021 in vollständig überarbeitetem Aufbau, neuer Optik und mit spannenden neuen Inhalten. Der Relaunch ist der erste Schritt der Fortentwicklung von ARD alpha zu einem multimedialen Bildungs- und Wissensangebot, das künftig starke Inhalte aus der gesamten ARD thematisch vernetzen und gebündelt zugänglich machen soll.
Zeitzeugen-Schwerpunkt – Die Sendungen im Einzelnen:
Samstag, 6. November 2021
20.15 Uhr: Lauf Junge lauf
Spielfilm, Deutschland/Frankreich 2013
BR Mediathek: nach Ausstrahlung bis 13. November 2021 verfügbar
Zum 100. Geburtstag von Margot Friedländer
21.55 Uhr: Angekommen – Margot Friedländer, Berlin
Dokumentation, 2021
BR Mediathek: nach Ausstrahlung unbegrenzt verfügbar
Sonntag, 7. November 2021
20.15 Uhr: Zeuge der Zeit: Claus Günther
ʺWir fühlten uns starkʺ
Dokumentation, 2021
BR Mediathek: nach Ausstrahlung 5 Jahre verfügbar
21.00 Uhr: Zeuge der Zeit: Wilhelm Simonsohn
Leben im freien Fall
Dokumentation, 2021
BR Mediathek: nach Ausstrahlung 5 Jahre verfügbar