#NichtEuerErnst vs. #NichtEgal Schlecky Silberstein entlarvt YouTube-Kampagne
Das Netz quillt über vor Hasskommentaren. Deshalb haben YouTube und Familienministerin Schwesig eine Kampagne gegen Hatespeech gestartet: Videoblogger setzen ein Zeichen unter #nichtegal. Der Haken: Sie haben selbst ausgeteilt.
Hasskommentare sind ein Riesenproblem im Netz - aber nur 10 Prozent der Leute zwischen 18 und 24 Jahren setzen Hatespeech im Netz etwas entgegen. Deshalb haben Youtube, die Freiwillige Selbstkontrolle und die Bundeszentrale für Politische Bildung die Kampagne #nichtegal ins Leben gerufen. Das Ziel: Augen und Mund auf gegen Onlinehass. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ist Schirmherrin der Aktion. Prominente Youtuber supporten das Ganze in einem Werbevideo.
Der Haken: Die Kunst der deftigen Hatens beherrschen auch manche der Beteiligten recht gut. Das haben der Internet-Satiriker Christian Brandes aka Schlecky Silberstein und sein Team herausgefunden - und decken das in einem eigenen Video zu der Kampagne auf.
Mit "Spasti" und "FOTZE" gegen Hasskommentare
Ein Beispiel: Chris Manazidis von Bullshit TV, einem Kanal für Prank- und Comedyvideos postete im März 2015: "Im Netz ist der Internet-Penner sehr mutig. Aber im wahren Leben rennt er mit erhobenen Händen weg wie ne FOTZE :)" Wen auch immer genau Chris damit meinte – seine Distanz zu Hatespeech war in diesem Fall eher gering.
Andere Worte, wie zum Beispiel "Spasti", das YouTube-Gamer Maximilian Knabe verwendete, lassen vermuten, dass dessen Vorbildfunktion für eine Anti-Hass-Aktion eher begrenzt ist.
Aber Schleckys Kritik geht noch weiter. Der Satiriker, der sich in der Werbebranche auskennt, wirft zum Beispiel Dagi Bee vor, in ihren Videos vor allem Werbung für Produkte zu machen und damit wenig geeignet zu sein, um Werte zu vermitteln.
Hat Youtube nicht genau genug hingeschaut?
Haben Youtube, die FSK und die BPB vielleicht nicht genau genug hingeschaut, als sie die YouTuber für die Kampagnenwerbung angeschrieben haben? Google, der Mutterkonzern von YouTube, will sich nicht dazu äußern und verweist darauf, dass alle Kommentare der beteiligten Videoblogger längst gelöscht seien. Offenbar will man dort keinen weiteren Skandal riskieren. Das Unternehmen befindet sich sowieso in einer ambivalenten Situation: Einerseits ist YouTube beim Löschen von Hasskommentaren nicht gerade schnell, andererseits zeigen die neuesten Beispiele, dass die Videoplattform sexuelle Anzüglichkeiten in Videos häufig damit bestraft, dass sie ihnen die Werbefreundlichkeit abspricht – das heißt, dass die YouTuber kein Geld mehr mit diesem Video verdienen können.
Und die Schirmherrin der Kampagne, Familienministerin Schwesig, die das ganze zwar nicht finanziell aber symbolisch mit ihrem Namen unterstützt? – Das Bundesministerium schickt PULS eine schriftliche Stellungnahme:
"Mit der Schirmherrschaft unterstützt das Bundesfamilienministerium eine Netzkultur, in der Hass keinen Platz hat. Das muss natürlich auch für alle YouTuber gelten, die an der Kampagne beteiligt sind und denen Millionen Kinder und Jugendliche im Netz folgen. Das Internet vergisst Hassbotschaften nicht, auch wenn man sie später bereut."
Pressestelle, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
Schlecky Silberstein findet die Idee der Kampagne gegen Hatespeech gut – und er gibt zu, selbst schon ausfällig geworden zu sein – gegenüber der AfD.
"Ich dürfte gar nicht in so einer Kampagne auftreten, ich weiß es ja, dass ich unglaubwürdig bin. Und das ist ja mein Kritikpunkt: Wenn du weißt, dass du in der Vergangenheit viel Blech gelabert hast, mit einem Twitteraccount, den du später wieder gelöscht hast – dann sag ich doch nein, wenn Manuela Schwesig fragt, ob ich nicht Teil einer Anti-Hatespeech-Kampagne sein will."
Christian Brandes aka Schlecky Silberstein
Mit seinem Video sei es ihm darum gegangen, Videoblogger an ihr Glaubwürdigkeitsproblem zu erinnern. Sein Beispiel zeigt: Die Frage, was noch politisch korrekt ist und was Hatespeech, kann oft nicht genau geklärt werden. Höchste Zeit, genau hinzuschauen – und offen darüber zu diskutieren. Letzteres hat die Kampagne schonmal erreicht.