Psychologie Gähnen Warum Gähnen ansteckend ist – und warum wir den Gähnenden mögen, wenn wir mitgähnen
In einer gemütlichen Runde sitzt man zusammen, einer gähnt herzhaft und alle anderen fangen an auch zu gähnen. Was ist das für ein komischer Reflex? Warum lässt es uns kalt, wenn der Chef gähnt?
Wir gähnen etwa fünf bis zehn Mal am Tag, meistens morgens nach dem Aufwachen und abends vor dem Einschlafen. Selbst Föten gähnen im Bauch der Mutter ab der elften Schwangerschaftswoche. Die meisten Wirbeltiere, vom Orang-Utan bis zur Schlange, sperren ihr Maul auf und gähnen. Aber woher dieser Reflex körperlich rührt, ist immer noch unklar.
Warum ist Gähnen ansteckend
Dass Gähnen ansteckend ist, weiß jeder, und die Psychologie hat das in Studien auch eindeutig nachgewiesen. Ein entscheidender Faktor ist die Empathie, also das Einfühlungsvermögen der vom Gähnen angesteckten Person. Eine Untersuchung der Universität in Pisa hat gezeigt: Je enger wir uns mit einem gähnenden Menschen verbunden fühlen, desto ansteckender ist sein Gähnen für uns.
Wenn die Tochter herzhaft gähnt, wirkt das eher, als wenn es ein Bekannter oder der Chef das tut. Die Studie zeigt auch, dass beim Reflex zum Gähnen Geschlecht, Nationalität oder die Situation kaum eine Rolle spielen. Diese Empathie entsteht erst mit etwa vier Jahren und nimmt im Alter wieder ab.
Warum gähnen wir
Diese Frage kann die Wissenschaft noch nicht abschließend beantworten. Es gibt verschiedene Therorien. Gähnen diene dazu, die Durchblutung und die Gehirntemperatur zu regulieren, sei also ein rein körperlicher Vorgang. Gähnen hat aber noch andere Funktionen - als Element der nonverbalen Kommunikation. Gähnen ist oft ein Anzeichen von Müdigkeit oder Langeweile, kann aber auch ein Zeichen von Angst oder Stressbelastung sein.
Empathie entsteht durch Spiegelneuronen
Und jetzt kommt's: Wenn Menschen gähnen, machen sogar Tiere wie Affen, Hunde und Katzen mit. In der Psychologie spricht man von Spiegelneuronen. Das erklärt BAYERN 1 Hausärztin Anne Katrin Liem: "Das ist ein Empathiezeichen. Je besser wir die Leute, die uns gegenüber sitzen und gähnen, kennen, desto leichter steckt uns dieses Gähnen an. Das ist ein Nachahm-Effekt, der sich auch nicht unterdrücken lässt. Das hat mit sogenannten Spiegelneuronen im Gehirn zu tun, die uns das nicht unterdrücken lassen, was unser Gegenüber macht. Menschen zum Beispiel, bei denen das Empathie-Vermögen noch nicht so gut ausgebildet ist, wie zum Beispiel kleine Kinder, machen das nicht."
Spiegelneuronen sind ein Netz aus Nervenzellen, das es möglich macht, sich in andere Menschen oder Tiere einzufühlen. Wenn jemand weint, werden wir zum Beispiel auch traurig. Diese Empathie entsteht ebenso beim Gähnen. Und das sogar, wenn wir nur ein Gähnen hören, es ausschließlich sehen oder nur darüber lesen. Und, haben Sie vielleicht jetzt schon gegähnt ...?
Was bringt uns jetzt der Reflex zum Gähnen?
Der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist der Meinung, dass der Reflex zu gähnen ein Erbe der frühen Menschheit ist. Als wir uns noch ohne Worte verständigten, diente das gemeinsame Gähnkonzert wohl dazu, die Schlafgewohnheiten einer Gruppe abzustimmen. Man kann sich vorstellen: Lagerfeuer, ein paar Leute sind müde, gähnen - für den Rest der Gruppe das Signal, sich aus Empathie auch zur Ruhe zu begeben.
Heute nutzen wir die Spiegelneuronen sogar ein Stück weit bewusst. Um den Nachwuchs zu füttern, machen Mama und Papa selbst den Mund auf. Und schon landet der Brei ganz einfach in Babys Mund.
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Hören Sie in unserem Blaue Couch Podcast mit Schlafcoach Martin Schlott, was dabei hilft, dass wir schnell einschlafen und gut durchschlafen:
https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/schlafcoach-martin-schlott-der-gesunde-schlaf-ist-vor-mitternacht/bayern-1/94981512/