Bayern 1 - Experten-Tipps


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Fairtrade Schokolade Nachhaltige Schokolade - gibt es die überhaupt?

Der meiste Kakao in Deutschland kommt aus Westafrika. Noch immer müssen dort in den Plantagen viele Kinder schwere Arbeit verrichten. Doch es geht auch anders: Mit Schokolade, die komplett in Afrika produziert wird.

Von: Alexander Dallmus

Stand: 21.10.2021 08:15 Uhr | Archiv

Fairtrade Schokolade | Bild: mauritius-images

https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/welche-schokolade-kann-ich-mit-gutem-gewissen-kaufen/bayern-1/12121173/

Der erste Eindruck

Von wegen "süß". Kakao hat einen schlechten Ruf. Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung sind mit dem Anbau von Kakao eng verbunden. Gerade in Westafrika. Von dort kommen knapp drei Viertel des gesamten Roh-Kakaos weltweit. Auch der Nationalpark Taï, eines der letzten Gebiete von tropischem Regenwald in Côte d‘Ivoire ist ständig durch eine weitere Abholzung bedroht, um weitere landwirtschaftliche Flächen für den Kakaoanbau zu schaffen.

Pro Kopf Verbrauch von Schokolade in Deutschland

Im Schnitt nascht jeder Deutsche über 9 Kilogramm Schokolade pro Jahr - von der Praline bis zum Schokoriegel. Nur die Schweizer sind in Europa noch ein bisschen süßer unterwegs.
70 Prozent des importierten Kakaos bei uns sind zwar mittlerweile zertifiziert, aber: "Das muss man immer noch mal kritisch hinterfragen: Was sind denn die Maßstäbe, nach denen zertifiziert wird? Denn im Moment können wir eben Kinderarbeit immer noch nicht wirklich ausschließen", sagt Maria Flachsbarth, Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in Berlin.    

Stichwort "Palmöl": Auch das steckt in vielen Lebensmitteln, hat aber einen schlechten Ruf. Ob zu Recht oder zu Unrecht, und welche Alternativen es gibt - hören Sie in dieser Folge unseres "Besser leben"-Podcasts: Ist Palmöl wirklich so böse? Lassen Sie uns gerne ein Abo da :-)

Leuchtturmprojekt aus Bayern: "fairafric"

Einen ganz neuen Weg geht seit ein paar Jahren das Münchner Start-up "fairafric": Das Unternehmen stellt die Schoko-Industrie sozusagen auf den Kopf und produziert dort, wo der Kakao auch angebaut wird, erklärt Marketingleiterin Elisa Scheidt:

"Das Besondere an fairafric ist, dass wirklich von der Bohne bis zur fertig verpackten Tafel die Schokolade Made in Ghana ist. Die erste Schokolade, die so in deutschen Supermärkten und Biomärkten im Regal steht."

Elisa Scheidt, Marketingleiterin 'fairafric'

Die eigentliche Wertschöpfung also - bei der aus Roh-Kakao das wertvolle "braune Gold", Schokolade, wird - findet in Westafrika statt.

Seit Herbst 2020 produziert fairafric-Gründer Hendrik Reimers in einer neu gebauten, solarbetriebenen Fabrik nahe der Hauptstadt Tema in Ghana. Die Finanzierung erfolgte über öffentliche Zuschüsse, im Rahmen der Entwicklungsarbeit, aber auch über Crowdfunding. Die Nachfrage nach fairafric-Schokolade ist groß, zumal dort viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden und am Ende auch mehr bei den Produzenten, also den Kakaobauern, hängen bleibt.

"Wenn man sich eine konventionelle Tafel Schokolade vorstellt, bleiben da vielleicht sechs bis sieben Cent im Ursprungsland. Wenn es eine faire Schokolade ist, kann es schon acht, neun oder zehn Cent sein, je nach Unternehmen. Bei uns ist es über einen Euro, der im Ursprungsland bleibt."

Elisa Scheidt, Marketingleiterin 'fairafric'

Stiftung Warentest: Dunkle Schokolade im Test

"Öko"? Fehlanzeige im Test der Bitterschokoladen

Die Stiftung Warentest hat 24 Bitterschokoladen mit einem Kakaogehalt von 60 bis 75 Prozent getestet (11/2020). Auf Geschmack und Geruch, aber auch auf Schadstoffe und möglich Keime. Ergebnis: 13 Schokoladen erhielten ein "gut", darunter die eher teuren Testsieger Hachez Edle Bitter und Lindt Excellence Edelbitter Mild. Die preiswerten Dunklen von Aldi (Moser Roth Edel Bitter) oder Lidl (J.D. Gross Ecuador) haben ebenfalls gut abgeschnitten.  

Auch wenn manche Sorten sogar ein Nachhaltigkeitssiegel hatten, wirklich "öko" war keine Bitterschokolade. Tatsächlich ist Bio-Schokolade immer noch ein Nischenprodukt. Nur etwa 5 Prozent des weltweit verkauften Kakaos stammt aus Bio-Landbau. Immerhin bei sechs Schokoladen bemängelten die Tester erhöhte Schadstoffwerte - etwa die Mineralölrückstände Moah und Mosh bei den Produkten von Rewe (Feine Welt Madagaskar Edelbitter) und Heilemann (Confiserie Vietnam Edelbitter). Die gefundenen Mengen sind zwar nicht akut schädlich, haben aber in Schokolade nichts verloren.

Faitrade Schokolade

Bei unter 2.500 US-Dollar pro Tonne Kakao hat sich der Preis am Weltmarkt derzeit eingependelt. Wie viel einzelne Kakaobauern davon sehen, ist eine andere Frage. Den Milliardenumsätzen der großen marktbeherrschenden Konzerne wie Mars, Mondelez oder Nestlé einerseits stehen Kakao-Bauern in bitterer Armut gegenüber. Hinzu kommt: Mit Kakao wird an den Terminbörsen spekuliert! Deshalb gibt es auch bei Rohkakao viel extremere Preisausschläge als bei anderen Rohstoffen - wie etwa Weizen oder Soja.

Über Fairtrade-Schokolade wird zumindest versucht, mit einem Garantiepreis und Prämien der Ausbeutung von Kakaobauern entgegenzuwirken. Umgekehrt müssen viele Kriterien umgesetzt werden, um überhaupt für Fairtrade zertifiziert zu werden. Fairtrade-Preise lassen sich jedoch nicht von den gezahlten Dumpingpreisen vor Ort entkoppeln und so lebt auch ein Großteil der fairtrade-zertifizierten Kakaobauern unterhalb des Existenzminimum.

Die Kakao-Hauptanbauländer wie Côte d'Ivoire und Ghana versuchen daher über einen staatlich festgelegten Preis schon zu Beginn der Ernte, für Planungssicherheit zu sorgen. Darüber hinaus wird seit Oktober 2020 auch noch ein Aufschlag von 400 US-Dollar pro Tonne Kakao verlangt, sozusagen als Differenz für ein menschenwürdiges Einkommen. Wie der Festpreis erheoen wird, ist derzeit allerdings noch undurchsichtig und verlangt mehr Transparenz.

UTZ Siegel

Das UTZ-Siegel auf Kakao-Produkten entspricht wirklich nur den Mindestanforderungen. Es ist zwar ein erster Schritt, sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern, aber auch nicht mehr:

"UTZ ist ganz klar kein Fairtrade-Siegel. Bei den UTZ-zertifizierten Produkten handelt es sich häufig um Preiseinstiegsprodukte, also Produkte, die viel im Discounter angeboten werden, wo einfach nicht die Bereitschaft da ist, einen Mehrpreis zu bezahlen, um den Kaffee- oder Kakaobauern zu unterstützen."

Daniela Krehl, Verbraucherzentrale Bayern

Warum es ohne Artenvielfalt keinen Kakao gibt

Über den spanischen Eroberer Cortez kam die aztekischen "xocolatl" nach Europa. Zum endgültigen Durchbruch verhalf ihm aber erst der Zucker, denn unseren Vorfahren war der Kakao anfangs viel zu bitter. Mittlerweile kommen meist nur noch Edelkakaosorten aus Ecuador oder Peru. Fast 90 Prozent der Kakao-Importe der deutschen Süßwarenindustrie stammen von westafrikanischen Küste. Knapp 60 Prozent allein aus Côte d’Ivoire. Dahinter folgen Nigeria, Ghana und Kamerun.

Ameisen und Fliegen sind wichtige Bestäuber des Kakaobaumes - Artenvielfalt ist daher lebensnotwendig...

Kakaobohnen sind die Samen des Kakaobaumes. Etwa ein halbes Jahr dauert es, bis die Früchte nach der Blüte reif sind. Der Kakaobaum trägt zwar das ganze Jahr über Früchte - die Ernte erstreckt sich also über zwölf Monate - aber nur ein Bruchteil der Blüten geht tatsächlich auf. Für die Bestäubung sind ausnahmsweise nicht die Bienen zuständig. Lange Zeit wurden zwei Bartmücken-Arten (Gnitzen) als hauptamtliche Bestäuber geführt, allerdings gelang vor kurzem Wissenschaftlern der Universität Göttingen eine interessante Entdeckung:  Die Forscher haben bei Kakaobäumen in Indonesien nachgewiesen, dass auch Fliegen und vor allem Ameisen bei der Bestäubung von Kakaoblüten wesentlich mitwirken. Umso wichtiger erscheint eine Artenvielfalt auf den Plantagen und ein biodiverses Umfeld.

Wasserverbrauch Kakao

Der Kakaobaum braucht es warm und schön feucht. Idealerweise wird er unter naturnahen Bedingungen im Wald oder zwischen Schattenbäumen kultiviert - das gilt vor allem für Bio-Kakao. Der weit größte Teil, wird aber leider konventionell auf gerodetem Land und in voller Sonne angebaut. Deshalb muss eine intensive Bewässerung, unter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, für intensives Wachstum sorgen.

Kein Wunder also, dass für die Produktion von einem Kilo Kakaobohnen rund 27.000 Liter Wasser benötigt werden. Laut Word Wildlife Foundation (WWF) macht allein der Wasser-Fußabdruck des Kakaos etwa 16 Prozent der gesamten, nach Deutschland importierten Landwirtschaftsprodukte aus. Da kann nur noch der Kaffee mithalten.

Ausbaden müssen es die Kakaobauern

Über 5,5 Millionen Kleinbauern betreiben in Westafrika Kakaoanbau. Sie haben sich teilweise in Kooperativen zusammengeschlossen, um überhaupt existieren zu können. Das Problem ist, dass die Einnahmen oftmals nicht für notwendige Investitionen, wie neue Kakaobäume, reichen, und dass der Ertrag deshalb unterdurchschnittlich ist - wodurch statt erwachsener Erntehelfer verstärkt Kinder eingesetzt werden. Ein Teufelskreis, sagt Maria Flachsbarth, Staatssekretärin im BMZ:

"Im Moment sind 50 Prozent der Produzenten in Kooperationen und Genossenschaften organisiert und haben damit natürlich eine größere Marktmacht beim Anbau, beim Einkauf von Saatgut, von Bäumen, von Pflanzmaterial und von Dünger. Das muss noch wesentlich mehr werden. Denn die einzelne Familie, die durchschnittlich dreieinhalb Hektar bewirtschaftet, die kann am Markt letztendlich wenig ausrichten."

Maria Flachsbarth, Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ)

Deshalb soll auch auf politischer Ebene versucht werden, über Gespräche mit den Anbauländern und auch mit internationalen Organisationen, dass die Volatilität des Marktes nicht immer wieder unmittelbar auf die Produzenten durchschlägt.

Zwischen einer und 1,5 Millionen Kinder müssen auf den Kakaoplantagen arbeiten, statt in die Schule zu gehen. Für die Familien geht es meist ums nackte Überleben, sagt Elisa Scheidt von Fairafric:

"Ich glaube, keine Familie dieser Welt schickt freiwillig die eigenen Kinder auf die Plantagen, wo sie harter körperlicher Arbeit und gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgesetzt sind. Das ist aus der Not heraus. Da ist es auch falsch, die FarmerInnen zu sanktionieren. Da musste ich strukturell was verändern."

Elisa Scheidt, Marketingleiterin 'fairafric'

Die großen Konzerne haben der Politik viel versprochen, aber nicht geliefert. Dafür können die Verbraucher ein Zeichen setzen und bewusst Kaufentscheidungen treffen. Fair gehandelte Bio-Schokolade kostet zwar mehr, aber dafür steckt mit aller Wahrscheinlichkeit auch keine Kinderarbeit drin.

Weiterführende Links und Quellen

Podcast "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast"

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Alle Folgen zum Nachlesen finden Sie auf der Übersichtsseite "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast".

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