Nachhaltiger Tourismus Wie ökologisch ist die Hotelbranche?
Vor 30 Jahren war ein Hotel schon "umweltfreundlich", wenn die Handtücher nicht täglich ausgewechselt wurden. Das reicht den meisten Urlaubern nicht mehr. Entsprechend nachhaltig sind mittlerweile viele Konzepte in der Branche.
Nachhaltigkeit im Tourismus immer wichtiger
Für fast 60 Prozent der Deutschen ist Nachhaltigkeit im Urlaub zumindest ein wichtiges Thema. Laut Umfrage der Forschungsgemeinschaft "Urlaub und Reisen e.V." ist es für knapp ein Viertel der Urlauber sogar wichtig bei der Reisegestaltung.
Dem wollen oder müssen Hotels künftig stärker Rechnung tragen. Umweltfreundliches Handeln wird quasi vorausgesetzt, sagt Stefan Wild vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) Bayern:
"Es gibt die Nachfrage, was für einen CO2-Footprint hast du im Haus. Das interessiert schon die Kunden, also diese Sensibilisierung hat stattgefunden. Die Gesellschaft macht sich da Gedanken drüber."
Stefan Wild, Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) Bayern
Biohotels: Umweltpioniere in der Branche
Die Biohotels, die vor 20 Jahren einen eigenen und streng zertifizierten europäischen Verband gegründet haben, waren so etwas wie die Pioniere der Nachhaltigkeit im Tourismus. Angefangen hatte alles mit der Idee, regionale Küche in Bio-Qualität auf den Tisch des Gastes zu bekommen. Dafür mussten erst Standards und auch Strukturen geschaffen werden, die es damals in dieser Form gar nicht überall gab. Der CO2-Fußabdruck spielte allerdings noch keine Rolle.
Aus Einzelmaßnahmen ist dann ein ganzheitlicher Ansatz entstanden, den die Gäste sehr wohl zu schätzen wissen, sagt Marlies Wech, Geschäftsführerin der Biohotels: "Was das Schöne ist, dass uns die Gäste das auch positiv zurückspielen. Weil sie merken, das ist nicht eine Marketing-Geschichte, sondern geschieht aus wirklicher Überzeugung - wie man ein einen Betrieb angeht und wie man ein Unternehmen führt. Auch in der Hotellerie."
Warum sich Nachhaltigkeit für die Hotels lohnt
Vor allem in drei Bereichen sind die meisten Hotels nachhaltiger geworden. Natürlich nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern auch, weil damit Kosten eingespart werden konnten. Im Bereich Energie hat beispielsweise die Umstellung auf LED-Technik viel bewirkt, sagt Stefan Wild vom DeHoGa Bayern: "Diese Leuchtmittel waren wohl teurer, aber haben eine wesentlich längere Haltedauer und natürlich einen extrem niedrigen Verbrauch, wenn man das konsequent macht."
Von einem Partner lässt der DeHoGa alle zwei bis drei Jahre Energie-Checks durchführen, die den Mitgliedern noch Sparpotentiale aufzeigen können. Von der Wärmerückgewinnung bis hin zum Wassersparen. "Muss ich da 14 Liter pro Minute durch die Dusche jagen? Oder geht das auch mit neun?", erklärt der Ingolstädter Hotelier Stefan Wild das Vorgehen. "Also komfortabel natürlich und nicht so, dass der Gast da hin- und herspringen muss - aber all das funktioniert."
Auch im Bereich Verpackungen bzw. Müllreduzierung hat sich in den letzten Jahrzehnten viel zum Positiven verändert. Selbstgemachte Marmeladen oder Honig von eigenen Bienen auf dem Dach, im wiederverwendbaren Behältnis am Frühstückbuffet, sind mittlerweile auch ein Marketinginstrument für die Hotels. Selbst wenn die Hygienevorschriften durch die Pandemie vielen nachhaltigen Anstrengungen zuwiderlaufen, bedeutet das aber nicht die Müll-Rolle rückwärts, betont Stefan Wild.
Was Nachhaltigkeit in Hotels lange ausgebremst hat
Tatsächlich stand echter Nachhaltigkeit im Hotelbetrieb lange Zeit die Sternevergabe im Weg. Schon ab dem ersten Stern war beispielsweise vorgegeben, dass täglich die Zimmer gereinigt werden müssen. Dieser Standard war auch im entsprechenden Kriterienkatalog so festgelegt. Mittlerweile wird das wesentlich flexibler gehandhabt. Alle fünf Jahre werden die europaweit geltenden Richtlinien für die Hotelklassifizierung überarbeitet. Von den Mitgliedstaaten der "Hostelstars Union", zu denen auch Deutschland gehört.
Seit 2020 gelten auch für die Mitglieder des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands neue bzw. überarbeitete Kriterien für die entsprechende Sterne-Klassifizierung. Was auffällig ist: Es sind weniger. Statt 270 nur noch 250. "Möchte ich einen Service, kriege ich ihn. Möchte ich keinen Service. Ist das auch okay", sagt DeHoGa-Vorstand Stefan Wild, "und das ist eigentlich erfreulich."
Neben der fortschreitenden Digitalisierung spielt vor allem die Nachhaltigkeit eine zunehmend größere Rolle. Daneben gibt's auch für den weitgehenden Plastikverzicht im Badezimmer oder für Ladestationen für Elektrofahrzeuge Punkte auf dem Sternekonto.
Viele Hotels verzichten beispielsweise mittlerweile auf die standardisierte, tägliche Zimmerreinigung. Das spart enorm viel Ressourcen, rechnet Phillip Winter von A&O in Berlin vor: "‘Bleibereinigung‘ heißt das im Fachjargon: Bei uns werden pro Bleibereinigung 7,5 Liter Wasser verbraucht. Das heißt durch Toilettenspülung, Reinigung der Waschbecken, Duschen und beim Wischen der Böden und Oberflächen. Dazu laufen die Staubsauger pro Zimmer für fünf Minuten mit einer Leistung von 850 Watt." In der Summe bedeutet das für eine Hotelkette schnell Wasser-, Müll- und Stromeinsparungen im sechsstelligen Bereich.
Warum auch der Gast von bio profitiert
"Das ist eher ein Gewinn an Komfort. Aber auf keinen Fall ein Verzicht", sagt Biohotels-Geschäftsführerin Marlies Wech ganz klar und meint damit den guten Schlaf in einem Bett aus Naturlatex, in Bettwäsche aus ökologisch angebauter Bio-Baumwolle. Oder das ausgesuchte Essen, das besser vertragen wird als Zuhause. Sich körperlich wohlfühlen und dabei nachhaltig übernachten, ohne auf Komfort verzichten zu müssen.
Nur selten möglich: Nachhaltige Anreise
Ein Schwachpunkt in Sachen Nachhaltigkeit, für den aber die Hotels nicht unbedingt etwas können, ist immer noch die oft schlechte Anbindung der Urlaubsziele durch Bus und Bahn. Wie sich in einer ADAC-Stichprobe von 2020 gezeigt hat, sind spezielle umweltfreundliche, mobile Angebote für Urlauber (noch) eher selten. Nur zwei von 20 untersuchten Gemeinden haben beispielsweise Car-Sharing mit Elektro- oder Hybridautos angeboten. Mittlerweile fast überall Standard sind dagegen E-Bikes und Pedelecs. Viele bieten auch die notwendigen Ladestationen an.
Anreize bietet beispielsweise der Bayerische Wald - er versucht sich als nachhaltige Urlaubsregion mit dem "E-Wald" - speziell für Urlauber, die mit der Bahn anreisen. Für entwertete Bahn-Tickets werden bei der E-WALD GmbH zum Beispiel 10 Prozent des Auto-Mietpreises gutgeschrieben. E-Autos können bequem über das Internet an 100 Verleihstationen gebucht werden.
"Die Biohotels arbeiten natürlich sehr eng mit ihren Regionen zusammen", sagt Geschäftsführerin Marlies Wech, "und es gibt inzwischen auch Hotels, die überlegen zum Beispiel das Bahnticket zu bezahlen, wenn man eine gewisse Aufenthaltsdauer hat." Ein längerer Aufenthalt ist nämlich auch immer nachhaltiger als ein Kurztrip übers Wochenende.
Nachhaltige Hotels - kein einheitlicher Standard
Es gibt Veranstalter wie Studiosus-Reisen, einer der ersten zertifizierten nachhaltigen Reiseveranstalter Deutschlands. Es gibt die Biohotels, die sich selbst als "nachhaltigste Hotelvereinigung am Markt" verstehen. Es gibt das bayerische Umweltsiegel für das Gastgewerbe. Einheitliche Standards, verbindliche Kriterien auch auf europäischer Ebene gibt es in der Tourismusbranche aber nicht. Wenn es hier keine branchenübergreifende Verständigung gibt, könnte das Folgen haben, befürchtet Marlies Wech von den Biohotels: "Wenn der Konsument glaubt, er geht in ein nachhaltiges Hotel und sieht, dass das alles andere als nachhaltig ist - dann wird er den Glauben an solche Siegel verlieren. Und das darf nicht passieren."
Stefan Wild glaubt, dass nachhaltiger Druck derzeit von ganz anderer Seite aufgebaut wird. Über die Buchungsportale im Internet, die derzeit für eine Art Green-Label die jeweiligen Hotels abfragen und für die gesamte Hotelbranche immer wichtiger werden: "Da gibst du deine Daten ein - deine Stromrechnungen, deine Abfallwirtschaft und deine Wäsche - all diese ganzen Sachen. Und daraus ergibt sich dann wahrscheinlich ein Score." Diese Öko-Bewertung dürfte dann auch direkt beim Buchen zu sehen sein und in Zukunft möglicherweise die Entscheidung der nachhaltig geprägten Gäste auch nachhaltig beeinflussen.
Quellen
Podcast "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast"
Alle Episoden zum Nachhören oder auch den Podcast im Abo gibt's jederzeit und kostenlos bei iTunes, Spotify und der ARD Audiothek.
Alle Folgen zum Nachlesen finden Sie auf der Übersichtsseite "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast".
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Christian, Mittwoch, 21.August 2019, 11:26 Uhr
1. Man muss nicht bis 2020 warten
Auf meinen Dienstreisen (und auch privaten Reisen) praktiziere ich es schon seit Jahren so, dass ich einfach das "Do-Not-Disturb" Schild hängen lasse. Einerseits weil ich nicht jeden Tag ein geputztes Zimmer benötige und andererseits weil ich nicht jeden Tag jemand Fremdes in meinem Hotelzimmer haben möchte. Meistens wird sich an das Schild gehalten und man findet einen netten Zettel an der Tür, dass man sich an der Rezeption melden möchte wenn man noch eine Reinigung oder Sonstiges benötigt.