Plastik Recycling Was Plastikrecycling mit der Haltbarkeit von Lebensmitteln zu tun hat
Recyceltes Plastik ist in Deutschland für Lebensmittelverpackungen tabu. Warum das so ist, und warum das aber nicht so bleiben sollte...
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Die Rheinland-Pfälzer sind in Deutschland die ungekrönten Sammelkönige des Verpackungsmülls. Immerhin 90 Kilogramm sammelt dort jeder Bürger pro Jahr (2020) zusammen - das ist weit mehr als der bundesweite Durchschnitt. Zum Vergleich: In Bayern kommen pro Jahr und Kopf gerade mal 70 Kilogramm zusammen. Vor allem der Verpackungsmüll nahm im ersten Corona-Jahr um insgesamt 6,5 Millionen Tonnen zu. Vermeiden geht anders.
Umso wichtiger ist es natürlich, gerade Plastikverpackungen wieder in den Kreislauf zu bekommen. Zwar ist mit dem Verpackungsgesetz (VerpackG) der Anspruch gestiegen und es müssen 2022 mindestens 63 Prozent der gesammelten Kunststoffe aus gelbem Sack, gelber Tonne oder Wertstoffinseln werkstofflich verwertet und bestenfalls für neue Verpackungen und Produkte eingesetzt werden.
Warum aus Altplastik keine neue Käseverpackung wird
Unsere Lebensmittel genießen einen besonderen Schutz in der EU und dagegen ist zunächst auch gar nicht viel einzuwenden. Deshalb ist auch klar geregelt, welche Kunststoffe als so genannte Lebensmittelkontaktmaterialien verwendet werden dürfen (EU Nr. 10/2011). In direkten Kontakt darf derzeit auf keinen Fall wieder aufbereitetes Altplastik (Rezyklat) aus dem Verpackungsmüll kommen. Darüber wacht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Nichts soll über die Verpackungskunststoffe in oder an die Lebensmittel gelangen.
Das liegt vor allem daran, dass die EU vereinfacht gesagt unseren Verpackungsmüll aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne, als "kontaminiert" ansieht. Da gibt es große Vorbehalte, sagt Axel Subklew von "Mülltrennung wirkt!", einer Kampagne der Dualen Systeme Deutschlands: "Zurzeit ist der Einsatz von Rezyklaten, also Sekundärrohstoffen für die meisten Kunststoffe im Lebensmittelkontakt aus hygienischen Gründen gar nicht erlaubt." Technisch ist dieser Ansatz mittlerweile jedoch überholt.
Warum Plastik sparen auch Erdgas sparen heißt
Die EU hat sich jedoch mit ihrem "Green Deal" selbst unter Druck gesetzt. Schließlich sollen bis 2030 nur noch Mehrweg- oder Recyclingverpackungen in Umlauf sein. Auch für die anvisierte Klimaneutralität bis 2050 ist eine ausgeprägte Kreislaufwirtschaft notwendig. Allein die ständig neue Produktion von Plastik trägt zu fast 3,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen bei. Das sind keine Kinkerlitzchen.
Wenn es gelänge, diese Materialkreisläufe bei Plastik besser und effektiver zu schließen, dann könnte auch der CO2-Fußabdruck erheblich verkleinert werden. Zumal bei der Polymerisation, also der Kunststoffherstellung, vor allem Erdgas verwendet wird.
Wie gut lässt sich Plastik recyceln? Beispiel PET
Nur Rezyklat aus Polyethylenterephthalat, landläufig besser bekannt unter der Abkürzung PET, ist derzeit für Lebensmittelverpackungen zugelassen. Das liegt auch an dem eigenen Pfandsystem für PET-Einwegverpackungen, welches eine weitgehend saubere Sammlung garantiert. Auch wenn jetzt schon mehr ginge, müssen in Deutschland ab 2025 alle PET-Einweg-Getränkeflaschen mindestens einen Anteil von 25 Prozent Recycling-Plastik enthalten. Ab 2030 erhöht sich die Quote auf mindestens 30 Prozent. Aber schon jetzt werben zahlreiche Hersteller sogar mit einem Anteil von 100 Prozent Altplastik.
Gerade PET ist für Reinhard Schneider, den Chef des Reinigungsmittelunternehmens "Werner & Mertz", ein gutes Beispiel für aktuelle Möglichkeiten in Bezug auf Lebensmittelsicherheit: "Das sieht man ja auch daran, dass zum Beispiel in Österreich schon in großem Umfang Mineralwasserflaschen aus dem Gelben Sack wieder ins Recycling kommen. Und da kann es auch sein, dass eine Mineralwasserflasche genutzt wurde, um Benzin oder Nitroverdünner drin aufzubewahren. Und die wird natürlich gut vorher aussortiert, und selbst kleinste Reste können dann nicht ins Füllgut zurückwandern. PET ist da sicher ein Vorreiter."
Warum kann man Plastik nicht recyceln?
Von den knapp vier Millionen Tonnen softeren, d.h. gängigen, flexibleren Haushaltsverpackungen in Europa, bestehen etwa 70 Prozent aus Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) oder einem Gemisch aus beiden. Im Gegensatz zum sehr inerten PET sind die durchlässigeren Kunststoffe in der Regel als Mehrschichtverbunde im Einsatz. Mag sein, dass sieben Schichten und mehr unterschiedlicher Materialien für eine größere Lebensmittelsicherheit stehen, im Sinne des Recyclings sind sie eine Katastrophe. In der Regel werden sie verbrannt.
Dass Kunststoffverpackungen ausschließlich nur aus einem oder mehreren leicht voneinander lösbaren Materialien bestehen, ist das Ziel. Auch für Lebensmittelchemikerin Prof. Carolin Hauser, die an der TH Nürnberg, Standort Neumarkt, in Sachen Verpackungen forscht: "Es geht auch immer weiter, auch in Forschungsprojekten, wo wir jetzt tätig sind. In Richtung Monomaterialien - was wirklich wichtig ist, um dann eben auch ein gescheites Recycling zu gewährleisten."
Das hat Plastikrecycling mit der Haltbarkeit von Lebensmitteln zu tun
Was die Haltbarkeit von Lebensmitteln angeht, müsste man bei Monomaterialien und dem verstärkten Einsatz von Rezyklaten ein paar Abstriche machen. Statt drei Jahre sind manche Lebensmittel dann eben nur noch ein Jahr haltbar, weil die Schutzbarrieren durch die Mehrschichtverbunde nicht mehr so ausgeprägt sind.
Recycling-Pionier Reinhard Schneider, der insbesondere im Reinigungsmittelbereich bei seiner Marke "Frosch" zeigt, was sich mit Altplastik alles neu verpacken lässt, glaubt sowieso, dass man auf EU-Ebene einige Ansprüche hinterfragen sollte: "Ob bei einer Orangensaft-Flasche Sauerstoff-Barrieren und UV-Barrieren und was da alles gefordert wird, aufrechterhalten sollen, damit Orangensaft quasi eine lang überdauernde Konserve wird, muss auch hinterfragt werden, wenn man weiß, dass diese Schichten in der Aufbereitung große Probleme darstellen."
Recycling Plastik Deutschland
Im Hygiene- und Reinigungsmittelbereich ist beim Einsatz von Altplastik in Verpackungen bereits jetzt schon einiges möglich. Hier sind die Anforderungen nicht so hoch und für Carolina Schweig, einer der gefragtesten Verpackungsingenieurinnen Deutschlands, ein ideales Spielfeld zum Testen. Vor allem, wenn es dann nicht mehr nur um Waschmittel, sondern um Cremes und Body-Lotion geht: "Das heißt, die Hersteller müssen mehr Verantwortung übernehmen, dass das, was sie einsetzen wollen, auch getestet wird. Und das heißt Charge für Charge testen, damit da keine Kontamination entstehen kann. Wir wollen ausschließen, dass da irgendwelche Wechselwirkungen zwischen Produkt und irgendwelchen Altstoffen passiert. Da sind wir mittendrin. Aber das wird jetzt nicht gleich mit Lebensmitteln sein, sondern wir fangen Stückchen für Stückchen an."
Zudem braucht es verlässliche Standards bzw. DIN-Normen für den Einsatz von Rezyklaten, die verbindlich und für alle gleich sind. Da geht es nicht nur um Kontamination, sondern eben auch um Festigkeiten, um Prüfbarkeiten und die Frage, was Rezyklate eigentlich aushalten müssen.
So viel Altplastik-Recycling wäre erlaubt
Schon jetzt lässt die EU den Einsatz von Rezyklat bei Lebensmittelverpackungen zu. Bis zu einem gewissen Anteil und auch nur, wenn das Altplastik nicht direkt mit dem Lebensmittel in Kontakt ist, sondern noch eine Schutzbarriere vorgelagert ist. "Ich finde es ein Unding, dass sich zu viele Lebensmittelhersteller noch nicht mal an diese fünf Prozent heranmachen", kritisiert Reinhard Schneider von "Werner & Mertz", "weil die sagen, na ja, mehr als fünf Prozent dürfen wir ja eh nicht. Dann lassen wir es ganz." Dabei wäre es umso wichtiger, hier auch Verfahren für die Zukunft auszuprobieren und Materialien zu testen.
"Circular Food Pack" für mehr Recycling
Beim internationalen EU-Forschungsprojekt "Circular FoodPack" geht es genau darum: Wie bekommen wir noch mehr Altplastik - vor allem aus unserem Verpackungsmüll - wieder in den Kreislauf und damit in neue Verpackungen aus altem Material? Federführend ist dabei das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackungen (FIVV) in Freising.
Dort wird, zusammen mit 14 Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus sechs Ländern, untersucht, wie Verpackungen im Kreislauf bleiben, besser recycelt werden und dann auch für den direkten Lebensmittelkontakt eingesetzt werden können. Bis 2024 läuft dieses Forschungsvorhaben mit einem bestimmten Ziel, sagt Nelly Freitag vom Fraunhofer-Institut: "Wir streben im Moment erst mal einen Anteil von 35 Prozent in der Folienstruktur an. Aber der kann sich natürlich in Zukunft auch erhöhen. Es geht da auch um die Materialqualität. Und da spielen mehr Faktoren als nur die Lebensmittelkonformität eine Rolle."
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