Uli Hoeneß Der Manager
Der FC Bayern im Jahr 1979 - ein Verein unter vielen. Die erfolgreichen 70er-Jahre fast passé, zahlreiche Stars am Ende ihrer Karriere, Präsident Wilhelm Neudecker tritt nach 17 Jahren zurück - ein wirtschaftlicher und sportlicher Neuanfang war bitter nötig. Ein letzter, und vielleicht der genialste Schachzug des Ex-Präsidenten: Uli Hoeneß rutscht auf den Managerstuhl.
Ein gerade einmal 27-Jähriger sollte den ehemals erfolgsverwöhnten Verein mehr oder weniger komplett sanieren. Der letzte Meistertitel lag fünf Jahre zurück, auf dem Konto türmten sich rund sieben Millionen Mark Schulden. "Wir hatten Schulden und wir hatten keine Mannschaft", brachte es Hoeneß auf den Punkt. Doch Hoeneß, ein junger Ex-Fußballer ohne Management-Erfahrung, ging keineswegs desillusioniert an seine neue Aufgabe. Sein Selbstbewusstsein als Spieler nahm er mit in seine neue Rolle: "Ich verstehe etwas von Finanzen und Geschäften. Ich verstehe etwas vom Fußball und Fußballspielen. Ich bin prädestiniert für diesen Beruf", sagte er.
Aufbruch in eine neue Ära
Und Hoeneß sollte wieder einmal Recht behalten. Er beschritt neue Wege und revolutionierte fast im Alleingang den deutschen Profifußball. Finanzierten sich Fußballvereine damals weitgehend aus den Eintrittsgeldern, krempelte Hoeneß die Branche komplett um. Marketing, Merchandising, Sponsoring - der Metzgersohn mit Abi 2,4 und abgebrochenem Lehramtsstudium führte den FC Bayern München in eine neue Ära. Eintrittsgelder, die früher fast die kompletten Einnahmen ausgemacht hatten, decken heute nicht einmal mehr ein Fünftel des Bayern-Bedarfs. Den Löwenanteil machen Einnahmen aus Fernsehrechten, Fanartikeln und Sponsorenverträgen aus. Die nationale Konkurrenz folgte zögerlich, peu à peu konnten sich die Münchner - zumindest finanziell - eine Ausnahmeposition aufbauen.
Sag's mit Uli - Sprüche aus der Manager-Frühphase
1
"Demnächst halte ich mir noch einen Privatzoo mit Spielern." (1981 zum Vorwurf falscher Einkaufspolitik)
2
"Früher kam bei uns das Geld vom Kartenverkauf in eine Schachtel, jetzt kommt es in die Kasse. Das ist doch Fortschritt." (November 1981)
3
"Wir werden wieder in Lederhosen auftreten. Die Konkurrenz kann sich also wieder damit beschäftigen, sie uns auszuziehen." (Oktober 1986)
4
"Maradona wird in Neapel angebetet wie ein Gott. Wer die Absicht hat, ihn dort wegzuholen, muss mit einer kugelsicheren Weste nach Neapel reisen." (Oktober 1986)
5
"Den FC Bayern betrachte ich wie meine eigene Familie." (Januar 1987)
6
"Gegen die Stuttgarter Kickers müssen wir mit mindestens drei Toren gewinnen. Ansonsten zahlen wir dem Zuschauer das Eintrittsgeld zurück und unsere Mannschaft bekommt keine Prämie." (Oktober 1988)
7
"Ich stelle mich gerne als Buhmann hin, damit etwas in Gang kommt." (Oktober 1988)
8
"Es geht nicht, dass ich zwei Mal am Tag trainiere und am Abend besoffen unterm Tisch liege." (November 1988)
9
"Ich haue dem Starken zwischen die Hörner und bemühe mich, beim Kranken als Erster am Krankenbett zu sein." (Dezember 1988)
10
"Ich habe genauso viel Macht wie unser Platzwart." (Januar 1989)
11
"Wir müssen ein bisschen Krach machen, wir wollen volles Stadion. Ballyhoo muss sein." (August 1989)
12
"Wir sind langsam die Melkkuh des deutschen Fußballs." (Oktober 1989)
13
"Mit 40 Jahren werde ich mich fragen: Uli, was machst du jetzt?" (Oktober 1989)
14
"Ich bin mir nicht zu schade, einem Spieler in der Halbzeit die Stollen zu wechseln." (Oktober 1990)
15
"Wenn ich wirklich weggehen sollte vom FC Bayern, dann nur nach Italien. Ich würde denen gerne mal zeigen, wie man Europacup-Sieger wird, ohne jedes Jahr 30 Millionen für neue Spieler auszugeben." (Februar 1991)
16
"Im Umgang mit unseren Fans sind wir der volkstümlichste Verein der Welt." (November 1991)
17
"Ich arbeite und lebe für diesen FC Bayern, aber ich würde mich für diesen Klub nicht in den Knast hocken." (Oktober 1992)
18
"Lothar ist unser Pressesprecher, aber auf dem Platz nur einer von vielen." (April 1993 über Matthäus)
19
"Viele Dinge beweisen, dass der FC Bayern nicht mehr der geistlose, rücksichtslose Moloch, der blutrünstige, gierige Geldsack ist." (Mai 1994)
Zwischen Bewunderung und Verachtung
Das Schaffen des Managers Hoeneß sorgte dabei gleichermaßen für Bewunderung ("Sein Talent, den Fußball zu vermarkten, lässt ihn als Zauberlehrling seiner Zunft erscheinen", Süddeutsche Zeitung) und skeptische Blicke ("Buhmann der Bundesliga, Störenfried, Seelenverkäufer, eiskalter Verfechter der 'Geld-kauft-alles'-Moral", SPORTS). Die "Neue Zürcher Zeitung" hat Uli Hoeneß mit dem Prädikat "der beste und bestgehasste Manager der Branche" versehen. Das Marketing-Fachblatt "Horizont" wählte ihn zum "Unternehmer des Jahres 1999", das "manager magazin" gewährte ihm eine Titelgeschichte - bis heute einmalig für einen Fußball-Manager.
Gebremste Geldmaschine
Die Wahrheit ist wie so oft vermutlich irgendwo zwischen Anbetung und Beschimpfung. Lange propagierte Hoeneß offensiv die Devise "Ich bin nicht dem Fußball verantwortlich, sondern dem FC Bayern." Entsprechend offensiv wehren sich Hoeneß und sein Klub beispielsweise gegen zentrale TV-Vermarktung - und vermeintlich zu geringe Einnahmen. Führte er den Klub national an die sportliche Spitze, dümpelt der Rekordmeister international nur zweitklassig herum. "Die Kluft der Transfermöglichkeiten ist einfach permanent größer geworden. Und das schlägt sich natürlich auch in den Mannschaften nieder", sagte Hoeneß mit Blick auf das Fernsehgeld-verwöhnte Ausland.
2003 wurde bekannt, dass der FC Bayern München einen Sondervertrag mit der Münchner Mediengruppe Kirch abgeschlossen hatte. Neben den Einnahmen aus der zentralen Vermarktung erhielten die Münchner rund 40 Millionen Mark extra. Obwohl in der Defensive, konnten Hoeneß und die Bayern die Affäre ohne bleibenden Schaden vom Verein abwenden.
Die Verwandlung
Die Diskussion um TV-Einnahmen hat Hoeneß' Position nicht geschwächt. Doch er hat sich gewandelt. Schon um die Jahrtausendwende waren von ihm Sätze wie "Inzwischen habe ich erkannt, dass du die anderen brauchst. Ich bin jetzt auch privat so, dass ich zurückzahle" zu hören. Der FC Bayern-Egomane hat sich zum allgemein anerkannten Querdenker und Visionär gewandelt.
So kämpfte er beispielsweise unverdrossen gegen den Deutschen Fußball-Bund für eine Stärkung der Profiklubs. Das Resultat: Die Gründung der heute nicht mehr wegzudenkenden Deutschen Fußball-Liga. Nach dem EM-Debakel 2004 bekannte sich Hoeneß klar zur Nationalmannschaft und sagte uneingeschränkte Unterstützung zu. Ein Jahr später gab er - obwohl er dessen schärfster Kritiker war - den mäßigenden Vermittler beim Disput zwischen Bundestrainer Jürgen Klinsmann und der Deutschen Fußball-Liga. Die Branche schätzt und respektiert seine Meinung. Zwar sagt er mit Blick auf "seinen" FC Bayern immer noch: "Für mich ist das kein Job, für mich ist das Leidenschaft!" Doch von seinen Ideen und seiner Vision eines international konkurrenzfähigen deutschen Fußballs könnte vielleicht irgendwann die gesamte Bundesliga und das Nationalteam profitieren.
Der unerfüllte Traum
Einzig der fehlende internationale Durchbruch mit den Bayern schien ihn zu frustrieren. 16 Mal Deutscher Meister, neun Mal Pokalsieger - eine stolze Bilanz in 30 Jahren Manager-Tätigkeit. Doch nur einmal klappte der Sieg in der Champions League. "Schauen Sie die vier im Halbfinale dieses Jahr an", sagt Hoeneß im Mai 2009 anlässlich seines 30-jährigen Dienstjubiläums: "Die haben zusammen so viele Schulden wie der FC Bayern wert ist. Wenn ich die Champions League gewinne, will ich Gewinn machen, darauf wäre ich stolz. Aber nicht auf Erfolge, die man mit Krediten kauft."