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Eisschmelze in Arktis und Antarktis Die Polkappen schmelzen schneller

Das ewige Eis unserer Polkappen schmilzt: Am Nord- und Südpol macht sich der Klimawandel besonders bemerkbar. Könnten Arktis und Antarktis im Sommer bald eisfrei sein? Was sind die Folgen, wenn große Mengen an Eis schmelzen?

Stand: 30.05.2023

Eisberge in der Nähe von Grönland. Der Klimawandel beeinflusst besonders die Arktis um den Nordpol herum. Schmilzt dort nun das ewige Eis? | Bild: picture alliance / NurPhoto | Ulrik Pedersen

Unsere Erde befindet sich derzeit in einem Eiszeitalter: Mindestens eine Polarregion ist vergletschert oder von dicken Eisschilden bedeckt. Das ewige Eis der Antarktis auf der südlichen Halbkugel sowie der Arktis rund um den Nordpol herum ist zwar nicht ewig - aber es besteht dort in beiden Fällen seit Millionen von Jahren. Doch der Klimawandel verändert die Polkappen. Die globale Erderwärmung zeigt sich besonders in den Polregionen: Schmilzt nun das ewige Eis an Nord- und Südpol? Warum dort und was passiert, wenn das Eis an den Polkappen vollständig abschmilzt?

Kleiner Steckbrief der Polkappen: Arktis und Antarktis

Arktis:

  • Als Arktis bezeichnet man die Erdregion um den Nordpol.
  • Von Oktober bis März herrscht am Nordpol völlige Dunkelheit.
  • Die nördliche Polarregion wird unter anderem von Eisbären bewohnt.
  • Im Zentrum der Arktis, am Nordpol, liegt ein ganzjährig zugefrorenes Meer: der Arktische Ozean. Er ist von Land umgeben.
  • In der Arktis ist es zwar kalt, aber nie so kalt wie am Südpol, der Antarktis. Der Ozean unter dem arktischen Eis ist nie kälter als minus zwei Grad Celsius.
  • Im Sommer beträgt die Durchschnittstemperatur am Nordpol rund null Grad Celsius, im Winter minus vierzig Grad Celsius.

Antarktis:

  • Als Antarktis bezeichnet man die Erdregion um den Südpol. Antarktis bedeutet: 'der Arktis gegenüber'.
  • Die Antarktis wird unter anderem von Pinguinen bewohnt. Pinguine kommen nur auf der südlichen Halbkugel vor.
  • Genau wie am Nordpol geht auch am Südpol die Sonne nur einmal im Jahr auf und wieder unter - allerdings gegenläufig. Scheint die Sonne am Südpol, herrscht am Nordpol Dunkelheit.
  • Die Antarktis umfasst den Südlichen Ozean - aber vor allem einen ganzen Kontinent namens Antarktika. Fast der gesamte Kontinent ist von einem Eisschild bedeckt, der an seiner mächtigsten Stelle fast 4.900 Meter dick ist.
  • Im Sommer beträgt die Durchschnittstemperatur am Südpol rund minus dreißig Grad Celsius, im Winter rund minus sechzig Grad Celsius.
  • In den Polarregionen ist es so kalt, weil sie kaum direkte Sonnenstrahlung abbekommen. Selbst mitten im Sommer steht dort die Sonne niedrig am Horizont. Allerdings ist die Antarktis deutlich kälter als die Arktis. Das liegt daran, dass die Antarktis eine bergige Landmasse ist, die ein Ozean umgibt. Die Arktis ist ein Ozean, der von Land umgeben ist.

Warum das Polareis in der Arktis und Antarktis schmilzt  

Sonnenstrahlen, die auf die Erde treffen, werden normalerweise als Wärmestrahlung ins All zurückgeschickt. Die von Menschen verursachten Treibhausgase sammeln sich jedoch in der Atmosphäre an und verhindern, dass die Wärmestrahlung zurück ins All gelangt. Dadurch heizt sich die Erde auf: Ozeane und die Luft erwärmen sich und Meeresströmungen, Winde und Windsysteme wie der Jetstream sowie Niederschläge verändern sich. Diese Effekte stehen in Wechselwirkung zueinander und führen dazu, dass das Eis an den Polkappen schmilzt. Im Synthese-Bericht des sechsten IPCC-Sachstandesberichts, der im April 2023 erschienen ist, prognostizieren die Experten des Weltklimarates, dass die globale Erwärmung zwei Grad Celsius im Laufe des 21. Jahrhunderts weit überschreitet, wenn die weltweiten Emissionen nicht drastisch reduziert werden.

Nordpol schmilzt: Die Arktis erwärmt sich schneller als Rest der Welt

Der im Sommer gefrorene arktische Ozean wird seit Jahren immer kleiner.

Die Region rund um die nördliche Polkappe erwärmt sich sogar noch schneller als der Rest der Welt: Von 1971 bis 2019 ist die globale Durchschnittstemperatur der Arktis um 3,1 Grad Celsius gestiegen. Dies berichtete das "Arctic Monitoring and Assessment Programme" (AMAP) im Jahr 2021 (Stand: Mai 2023).

Zum Vergleich: Laut dem Weltklimabericht 2023 hat sich der Planet als Ganzes aufgrund des Klimawandels bereits jetzt um 1,1 Grad Celsius bis 2020 gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Dass sich der Klimawandel am Nordpol stärker bemerkbar macht als im Rest der Welt, liegt an den physikalischen Gegebenheiten: Die Arktis besteht im Gegensatz zum Kontinent Antarktis aus Meereis, das von Festland umgeben ist. Helles Eis und schneebedeckte Flächen reflektieren Sonnenenergie stärker als das dunklere Meerwasser. Das nennen Forscher auch den Albedo-Effekt. Erwärmen sich Luft und der Ozean, führt das zu einer Kettenreaktion: Schmilzt mehr Eis, nimmt der Ozean mehr Wärme auf und gibt sie langsamer ab. Das wiederum führt zu weniger Eisbildung. Forscher nennen diesen Dominoeffekt "polare Verstärkung". Die Folgen sind oft unumkehrbar, weshalb bei der Eisschmelze auch von einem Kipppunkt im Klimasystem die Rede ist.

Fläche so groß wie Österreich: Arktis verliert große Mengen Meereis

Laut Klimaforschern werden die durchschnittlichen Temperaturen in den arktischen Regionen auch weiterhin mindestens zweimal so schnell ansteigen wie auf dem Rest des Planeten. Darüber hinaus sagen Klimamodelle voraus, dass die Arktis weltweit den größten Temperaturansteig an ihren kältesten Tagen verzeichnen wird. Davon geht der erste Teil des sechsten IPCC-Weltklimaberichts aus dem Jahr 2021 mit ziemlicher Sicherheit aus. Aufgrund der höheren Temperaturen gab es bereits weniger Meereis am Nordpol: Zwischen 2011 und 2020 war die jährliche durchschnittliche von Eis bedeckte Fläche im arktischen Meer so gering wie seit mindestens 1850 nicht mehr. Im Spätsommer gibt es am Nordpol immer am wenigsten Eis. Im letzten Jahrzehnt war das von Eis bedeckte Gebiet jedoch so klein wie seit mindestens tausend Jahren nicht mehr. Der Deutsche Wetterdienst stellte auch für das Jahr 2022 einen Rückgang des sommerlichen Meereises in der Arktis fest, der etwa einer Fläche von Österreich pro Jahr entspreche.

"Die Arktis erwärmt sich noch viel schneller als der Rest der Welt. Sie ist sozusagen das Epizentrum der globalen Erwärmung, mit Erwärmungsraten, die mindestens beim Doppelten des globalen Erwärmungswerts liegen."

Markus Rex, Polarforscher, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Arktis im Klimawandel: Meereis am Nordpol schmilzt

Dramatische Eisschmelze auch auf Grönland

Auch Grönland ist von einem Eisschild mit rund 1,8 Millionen Quadratkilometern Fläche bedeckt. Dieser Eispanzer schmilzt ebenfalls - und zwar rasant. Etwa die Hälfte des Eisverlustes in Grönland kommt dadurch zustande, dass Eis an der Oberfläche abschmilzt und abfließt. Die andere Hälfte des Eisverlustes entsteht durch die zunehmende Fließgeschwindigkeit der Gletscher und dem sogenannten Kalben am Meer. Das heißt, dass Eis in großen Stücken von einem Gletscher abbricht und ins Meer fällt. Laut dem sechsten Weltklimabericht hat Grönland in den Jahren 1992 bis 2020 rund 4.890 Milliarden Tonnen an Eis verloren. Dieses Eis vom Festland trägt maßgeblich zum Meeresspiegelanstieg bei: Allein das bereits geschmolzene Eis Grönlands hat den globalen Meeresspiegel schon um rund 13,5 Millimeter ansteigen lassen.

Wird die Arktis im Sommer bald eisfrei sein?

Der erste Teil des sechsten IPCC-Sachstandberichts des Weltklimarates aus dem Jahr 2021 warnt, dass die Arktis bald eisfrei sein wird - zumindest im Sommer. Dieser Weltklimabericht erstellt Zukunftsprognosen, die fünf verschiedene Klimaszenarien zeigen: Von 'Wir schaffen es, die Emissionen an Treibhausgasen zu verringern' bis zu 'Die menschengemachte Erderwärmung schreitet ungebremst fort'.

"Die Polarregionen als Frühwarnsystem unseres Planeten schlagen eindeutig Alarm: Schon vor 2050 werden wir in der Arktis aller Voraussicht nach zum ersten Mal einen Sommer erleben, in dem das Nordpolarmeer weitestgehend frei von Meereis sein wird - und zwar in allen untersuchten Zukunftsszenarien."

Dirk Notz, Leiter der Forschungsgruppe Meereis, Universität Hamburg

Eisschmelze in der Antarktis durch höhere Temperaturen

Der eisbedeckte Kontinent Antarktis ist aus dem All (noch) als "weißer Fleck" auf der Erde erkennbar.

Auch am Südpol macht sich der Klimawandel durch ungewöhlich hohe Lufttemperaturen bemerkbar. Dabei spielt auch eine Rolle, wann und wo in der Antarktis die Temperaturen gemessen werden. Am 6. Februar 2020 wurden im Norden der Antarktis Rekordtemperaturen gemessen. An diesem Tag war es dort genauso warm wie in Los Angeles: 18,3 Grad Celsius. Eine Hitzewelle wie die aus dem Jahr 2020 ist nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist aber, dass die Häufigkeit und Intenstität derartiger Hitzewellen aufgrund des Klimawandels zunehmen. Auch im Jahr 2022 wurden wieder außergewöhnlich hohe Temperaturen in der Antarktis festgestellt: Die Forschungsstation Dome Concordia hat in einer Höhe von 3.000 Metern minus 11,5 Grad Celsius gemessen - eine Höchsttemperatur für die Lage und Jahreszeit. Aufgrund der höheren Temperaturen von Luft und Ozean schmilzt das Eis in der Antarktis - und es schmilzt immer schneller, derzeit etwa sechsmal so schnell wie in den 1980er-Jahren.

"Ich habe noch nie gesehen, dass sich in der Antarktis so schnell Schmelzwasserseen bilden. Man sieht solche Ereignisse in Alaska und Grönland, üblicherweise jedoch nicht in der Antarktis."

Mauri Pelto, Glaziologe, Nichols College in Massachusetts, USA

Südpol: Eisschmelze in der Antarktis lässt Meeresspiegel steigen

Schmelzendes Eis in der Antarktis.

Dass die Antarktis ebenfalls von Eisschmelze betroffen ist, macht auch der erste Teil des sechsten IPCC-Sachstandsberichts des Weltklimarats aus dem Jahr 2021 deutlich: Demnach hat der antarktische Eisschild in den Jahren von 1992 bis 2020 rund 2.670 Milliarden Tonnen an Eis verloren. Damit hat er rund 7,4 Millimeter zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beigetragen. Die größten Eisverluste gibt es in der Westantarktis. In der Ostantarktis ist die Lage etwas weniger eindeutig. Aber auch dort gehen Klimaforscher davon aus, dass der ostantarktische Eisschild seit 1979 an Masse verloren hat.

Antarktis: Auch Schelfeis und Gletscher schmelzen schneller

In der Antarktis münden Gletscher auf dem Festland in sogenanntes Schelfeis auf dem Meer. Das Schelfeis verhindert, dass Schmelzwasser und Eis vom Festland in den Ozean fließt. Erwärmt sich der Ozean, gelangt verhältnismäßig warmes Wasser von unten an das Schelfeis: Die untere Schicht des Schelfeises schmilzt. Dadurch verschiebt sich die Aufsetzlinie des Gletschers auf dem Meer immer mehr nach hinten. Das führt auch zum Kalben des Schelfeises: Eis bricht von den Rändern des Schelfeises ab. Mittlerweile sind in der Antarktis auch Schelfeisflächen von Schmelzwasserseen übersäht.

Die Westantarktis ist deshalb besonders von Eisschmelze betroffen, weil dort der Boden trichterförmig in die Tiefe geht, erklärt Klaus Grosfeld, Polarforscher und Leiter der Helmholtz Climate Initiative REKLIM am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Das führt dazu, dass das warme Wasser schneller unter die Gletscher auf dem Festland fließen kann. Die Folge: Die Eisschicht der Gletscher wird dünner und das Eis der Gletscher zersetzt sich. Weil es bereits auf dem Meer liegt, führt das Schmelzen des Meereises nicht zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Ohne das schützende Schelfeis als Barriere aber fließt Gletscherwasser und Eis ungebremst ins Meer und erhöht den Meeresspiegel.

Risse im Schelfeis der Antarktis.

Auch in der Ostantarktis geht das Schelfeis zurück. Weil kältere Luft schwerer ist als wärmere, sinkt sie nach unten und kühlt das Eis der Antarktis von oben. Ein um die Arktis kreisendes Windfeld sorgt dafür, dass die Oberfläche gefriert. Erwärmt sich die Luft verschiebt sich auch das Windfeld und der kühlende Effekt verringert sich. Das EU-Projekt TiPACCs untersucht, wie diese Wechselwirkungen zu Kipppunkten im Klimasystem führen können und die Antarktis von einem kalten in einen warmen Zustand kippen könnte.

Eisschmelze: Die Zukunft der Antarktis ist unsicher

"Einige der Veränderungen, mit denen die Antarktis konfrontiert ist, sind bereits irreversibel, wie der Verlust einiger Schelfeisgebiete. Aber es gibt vieles, was wir verhindern oder rückgängig machen können."

Martin Siegert, Polarforscher, Imperial College London

Was passiert, wenn das Polareis in der Antarktis schmilzt?

Dies hätte wohl einen Anstieg des globalen Meeresspiegels um 58 Meter zur Folge. Gemessen wird in der Antarktis der Zuwachs durch Schnee, der Verlust durch Schmelzen, das Kalben der Gletscher und der Abfluss des Eises. Der Zuwachs durch Schnee kann allerdings die Eisschmelze nicht kompensieren. Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, dass sich dieser Trend der Eisschmelze an den Polkappen im 21. Jahrhundert fortsetzen wird. Wie sich der antarktische Eisschild als Ganzes entwickeln wird, wenn aufgrund der Erderwärmung immer mehr Eis immer schneller schmilzt, können sie derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Allerdings würde sich ohne den Albedo-Effekt des Eises in der Arktis und Antarktis die globale Erwärmung noch verstärken.

Welche Folgen hat die Eisschmelze an Nord- und Südpol?

Die Eisschmelze am Südpol und auf Grönland hat nicht nur einen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge, sondern kann sich zudem auf Meeresströmungen wie den Golfstrom und auf Ökosysteme, zum Beispiel in der Nordsee, auswirken. Ein weiteres Problem: Die Klimaerwärmung beeinflusst auch die Permafrostböden in der Arktis. Permafrostböden gibt es in den Hochgebirgen und in kalten Klimazonen der hohen Breitengrade, also auch in den arktischen Zonen: Man findet sie in Alaska, Skandinavien, Russland, Kanada, China und Grönland und auch in Deutschland auf der Zugspitze. Ein Sechstel der gesamten Erdoberfläche gilt als Permafrostgebiet. Seit Tausenden von Jahren ist der Boden dort gefroren. Manche Permafrostschichten sind mehrere hundert Meter dick. Durch das Auftauen von Permafrost können Treibhausgase freigesetzt werden.

Sendungen: Mehr zu Eisschmelze in der Arktis und Antarktis