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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Aussetzen als Erziehungsmethode

Ist es eine adäquate erzieherische Maßnahme, seine Tochter wegen einer Latein-fünf am Straßenrand auszusetzen? So geschehen in Rom… Auf der anderen Seite könnte man es ja mal probieren: Von Putin bis zu den Ponyclub-Grölenden von Sylt. Eine Glosse von Johannes Marchl.

Von: Johannes Marchl

Stand: 31.05.2024

Wenn ich zur Zeit des Öfteren mal die Pforte zu unserem Garten schließe, muss ich an den Namensgeber dieser Art von abgemessener Parzelle denken, die von ihren Gärtnerinnen und Gärtnern so unterschiedlich interpretiert wird. Würde der Herr Schreber meine Art der Aufzucht von Salat, Rosmarin und Holler gutieren? Die ja eher im „in Ruhe lassen“ besteht, als in der Auf-Zucht an sich…

Wahrscheinlich eher nicht, und das beruht ja dann doch auch auf Gegenseitigkeit… Denn Moritz Schreber war nicht nur Namensgeber der Schrebergärten, er war auch erziehungstechnisch ein schlimmer Finger. Ein schwarzer Pädagoge. Der nicht nur seine Kinder dazu „erzog“, ihn als Gottähnliche Gestalt zu verehren, sondern auch mit mechanischen Geräten experimentierte: Ziel war Kinder zu geradem Sitzen zu zwingen und sie am masturbieren zu hindern.

Gesunde Triebabfuhr – wie Schreber das nannte – musste anders erfolgen. - Erziehung – ein weites Feld… Wird sich auch die italienische Mutter einer Sechzehnjährigen gedacht haben, einer eigentlich recht guten Schülerin. Sie merken schon, dass sich in dem Wörtchen „eigentlich“ eine gute Schülerin eine schlechte Note versteckt. In Latein. Porca Miseria! Ausgerechnet! Und was macht Frau da als Mutter? Erziehungsmaßnahmen ergreifen. Fragt sich nur welche die richtigen sind… Jedenfalls fand die Polizei das Mädchen mit der Fünf in Latein verstört im Appia-Tunnel nahe Rom umherirren, berichten Medien.

„Non scholae sed vitae discimus“

Bleibt die Frage, ob Aussetzen eine hilfreiche Erziehungsmethode sein kann. Zum Beispiel für die Grölerinnen und Gröler aus dem Ponyclub auf Sylt - die Nachbarinsel Norderoogsand böte sich da an. Garantiert deutsch, ausländer- weil menschenleer, wo sich Seehund und Sandregenpfeifer gute Nacht sagen.

Da könnte man sie gleich mit Putin, Trump und Netanjahu zusammenspannen. Vielleicht lassen wir die drei noch vorher in der Apotheke auf Sylt Cannabis einkaufen, wegen der anderen Perspektive und dem einfach mal ausspannen und so. Aber zurück zur italienischen Schülerin und ihrer Mutter.

Vielleicht sollte die Mama wieder mal in ihrer alten Lateinlektüre kramen. Und auf Seneca stoßen, den alten Stoiker. Weil der nicht nur die Gelassenheitslehre vertritt, sondern auch den wunderbaren Satz geprägt hat: „Non scholae sed vitae discimus“ – Und wenn wir nicht für die Schule sondern für´s Leben lernen, ehrlich: dann ist so ein Latein-Fünfer am Ende auch nur eine Zahl zwischen null und Unendlich. Und wenn ich meine Lateinnoten von früher anschau´, dann bin ich echt froh, dass unsere Eltern kein Auto hatten.


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