Ende der Welt - Die tägliche Glosse Merkels Memoiren
Der Markus braucht keine Memoiren schreiben. Er pflegt sein tägliches Poesiealbum auf Instagram. Schon jetzt kann man die schönsten Momente seiner Karriere und Privatleben quasi in Echtzeit mitverfolgen. Wenn andere ein Buch schreiben, bringt er einen Kinofilm heraus, die besten Instagram Storys seiner achtzigjährigen Karriere ohne Kommentare hintereinander geschnitten. Bei „Drei im Weggla“ kann man sich dann einem fünf Minuten Film voller Emotionen und Glaubwürdigkeit hingeben. Der Director’s Cut dauert 8 Minuten, ist aber nur etwas für extrem psychisch stabile Zuschauer. Eine Glosse von Helmut Schleich.
Wenn eine ältere Dame schlecht aus einem monoton klingenden Text vorliest, dann ist man entweder im Gottesdienst und es ist grade die Lesung dran oder Angela Merkel stellt ihre Memoiren vor.
Letzteres geschah diese Woche in Berlin. Und offenbar strotzt das Werk derart von „Wir schaffen das“- und „auf Sicht fahren“- Selbstgerechtigkeit, dass es sogar Spiegel-Kolumnisten auffällt, die bis 2021 jede Merkel Kritik als Majestätsbeleidigung betrachtet haben.
Jetzt stellen sich ja bei Politiker-Büchern zunächst einmal immer zwei Fragen: Erstens: Wer war der Ghost- Writer und Zweitens: Wer soll das ernsthaft lesen? Der Ghost im Hintergrund, das sagt die Mutti ganz offen, war ihre Kammerzofe Baumann, die ihr 16 Jahre lang den Kalender geführt hat.
Ein Leser hat sich diese Woche allerdings schon angekündigt
Beim Lesen wird’s schon schwieriger. Ich tue mir echt schwer mit der Vorstellung, das jemand ernsthaft 42 Euro für diesen Schinken ausgibt, bei dem einem vermutlich schon nach 100 Seiten die Füße einschlafen. Und für das schöne Motto von Herbert Feuerstein: „Dieses Buch darf in keinem Haushalt fehlen, in dem ein Tischbein zu kurz ist.“ ist das Buch mit gut 700 Seiten zu dick. So kurz ist kein Tischbein. Gut, wenn man jemanden in der Familie hat, dem man Weihnachten versauen will, dann könnte man ihm das Merkel-Buch unter den Christbaum legen. Das gibt bestimmt ein langes Gesicht inklusive der Mundwinkel nach unten.
Ein Leser hat sich diese Woche allerdings schon angekündigt: Horst Seehofer. Im neuen Jahr will er die Merkel-Memoiren lesen, wenn er Zeit dafür findet, hat er gesagt. Schließlich kommt er an 13 Stellen im Buch vor. Das ist viel, besonders, wenn man bedenkt, dass sein ganz spezieller Freund Markus Söder nur drei Mal vorkommt. Der wird’s deshalb wohl auch nicht lesen, sondern darauf warten, bis es als Science Fiction verfilmt wird. Titel: „Raumschiff Mutti - lost in space.“
Der Seehofer hat übrigens noch nachgeschoben, dass er darauf verzichten wird, eine eigene Biografie zu schreiben, das wäre so wörtlich, eine „Überreaktion“. Welche Reaktion aus Ingolstadt darf man statt dessen erwarten? Vielleicht eine Lese-Tour der Merkel-Geschädigten von Seehofer über Merz und Wulff bis hin zu Horst Köhler.
Als Angela Merkel 2021 nach 16 Jahren als Kanzlerin abtrat, da sprach sie von Dankbarkeit und Demut vor dem Amt. Bescheiden, wie es ihre Art war. Keine drei Jahre später ist sie wieder da und lobt sich auf 700 Seiten über den Schellen-König. Wie sagte der französische Literat Rochefoucauld: „Bescheidenheit ist die schlimmste Form der Eitelkeit.“
Eben alles eine Frage der Perspektive.