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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Siebenschläfer

Wenn einer Mythos kann dann Bayern. Der Freistaat ist übernatürlich! Ja, wir sind „Bayerthos“. Eine Glosse von Helmut Schleich.

Von: Helmut Schleich

Stand: 28.06.2024

Diese Woche war’s mal wieder so weit. Siebenschläfer. Sie wissen ja: „Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass.“ Und „Scheint am Siebenschläfer Sonne, gibt es sieben Wochen Wonne“. Meistens gibt’s ja beides an dem Tag: Regen und Sonne.

Viel Interessanter ist die Herkunft des Namens „Siebenschläfer“. Sieben junge Christen waren es, die der Legende nach zur Zeit der Christenverfolgung lebendig in einer Höhle eingemauert worden sind. Dort sind sie nicht gestorben sondern haben 195 Jahre geschlafen, bis sie am 27. Juni 446 zufällig entdeckt und frei gelassen wurden. Dann sind sie gestorben, wobei sie vorher natürlich noch ihren Glauben bezeugt haben.

Angesichts des dampfigen Wetters der letzten Tage sagen jetzt vermutlich viele: „195 Jahre schlafen, das könnte ich im Moment auch!“. Das macht vielleicht in der Vorstellung selig, aber nicht im Glauben heilig.

Es sind unglaubliche Geschichten, die die menschliche Vorstellungskraft sprengen und dadurch zu Mythen werden

Es sind unglaubliche Geschichten, die die menschliche Vorstellungskraft sprengen und dadurch zu Mythen werden. So wie die vom heiligen Dionysos von Paris, der nach seiner Enthauptung angeblich seinen Kopf genommen, ihn gewaschen und unter den Arm geklemmt hat. Und damit ist er dann noch sechs Kilometer weit gelaufen.

Das sind Leistungen, davon können die Olympioniken in Paris demnächst nicht einmal träumen. Die dürfen ja wahrscheinlich nicht einmal in der Seine schwimmen, weil es die Gesundheit gefährden könnte. Was soll da der heilige Dionysos sagen!?

Menschen brechen Mythen eben gerne runter. Auf ein Niveau, dem der Normal Sterbliche gewachsen scheint. Im Leistungssport auf Doping und an Siebenschläfer auf ein rattenähnliches Nagetier, das 60% seines Lebens verschläft. Dieser Siebenschläfer ist uns wesentlich geheuerer. Und dann bringt man’s noch mit dem Alltäglichsten überhaupt in Verbindung, mit dem Wetter, und schon ist der Mythos auf menschliches Maß zurecht gestutzt und beherrschbar.

So ist das im Übrigen auch mit modernen Mythen, zum Beispiel der Digitalisierung. Die wird uns ja auch als Erlösungsmythos von allem Alten, Trägen und Rückständigen erzählt. In Bayern bekommen jetzt alle Schüler ab der 5. Klasse Tablets, mit denen sie sich dann digital durch die gleichen mit Altlasten vermüllten Lehrpläne wurschteln dürfen wie eh und je.

Abgesehen davon, dass die Tablets die Schüler ihre gesamte Schulzeit begleiten sollen - sie also beim Abi dann mit einem neun Jahre alten Gerät arbeiten, haha, kostet ein ipad mit Tastatur und Stift locker 700 Euro, wovon der Staat aber nur 350 übernimmt. Nicht nur digital sondern auch mega- sozial.

Und das soll dann die Verheißung sein, der Mausklick in die Zukunft. Die Maus ist übrigens auch ein Nagetier, wie der Siebenschläfer. Zufälle gibt’s…

Eben alles eine Frage der Perspektive.


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