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Fasten Neustart für Körper und Seele

Wer fastet, verzichtet für eine Weile freiwillig auf feste Nahrung. Ob religiös oder gesundheitlich motiviert, bildet eine Fastenkur immer eine körperliche und seelische Zäsur.

Von: Justina Schreiber

Stand: 20.02.2023

Eine Frau im Badeanzug liegt auf einer Liege mit einer Wasserflasche in der Hand. | Bild: colourbox.com

Wer fastet, verzichtet für eine Weile freiwillig auf feste Nahrung. Ob religiös oder gesundheitlich motiviert, bildet eine Fastenkur immer eine körperliche und seelische Zäsur.

Experte:

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Raus aus dem Alltag: weg von gewohnten Mahlzeiten! Hin zu ausschließlich Suppe, Saft, Tee und Wasser! Eine Zeitlang bewusst nichts zu essen, bedeutet, alte Verhaltensweisen aufzugeben. Der Körper wird auf "Null" gesetzt. Wer die Phase des Verzichts zur mentalen Umorientierung nutzt, kann danach neu beginnen, etwa mit anderem Ess- und Bewegungsverhalten

Dem Text liegt ein Interview mit Dr. Walter Kronsteiner zugrunde, dem Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen.

Buchtipp:

Prof. Dr. Andreas Michalsen:
"Mit Ernährung heilen. Besser essen. Einfach fasten. Länger leben. Neues Wissen aus Forschung und Praxis"

Insel Verlag
368 Seiten

Eine Fastenkur funktioniert nicht ohne mentalen Einsatz. Am Anfang steht der Entschluss, eine Weile keine feste Nahrung zu sich zu nehmen. Das verlangt Überwindung und Mut. Als Belohnung winkt die Chance, sich nicht nur körperlich wie neugeboren zu fühlen.

Eine Fastenkur wirkt sich umfassend aus. Während der Körper leichter wird, gewinnt das geistig-seelische Erleben an Gewicht. Man sollte sich jedoch nicht zu viel erwarten. Nur die wenigsten Menschen erleben einen echten "Flow". Wer dauerhaft Kilos verlieren möchte, muss sein Leben grundsätzlich ändern. Korrekt durchgeführtes Heilfasten kann dazu einen entscheidenden Anstoß geben.

Körperliche Vorgänge beim Fasten

  • Der Körper entwässert. Normalerweise nimmt man mit der festen Nahrung weit mehr als nötig Kochsalz, nämlich 10 bis 15 Gramm, zu sich. Während des Fastens reduziert sich der Salzgehalt des Körpers nun beträchtlich. Er lagert deshalb wesentlich weniger Wasser ein. Das führt zu einer ersten Gewichtsabnahme.
  • Fett verbrennt. Zunächst ernährt sich der Körper fastender Menschen mit Zuckerreserven aus Leber und Muskulatur. Nach etwa 24 Stunden setzt dann eine erhöhte Fettverbrennung ein. Der Körper zehrt von sogenannten Ketonen. Das sind Abbau-Produkte aus Fettgewebe, Fettsäuren und Eiweißen. Mit dieser "inneren Ernährung" schwinden weitere Pfunde.
  • Der Blutdruck sinkt, weil Stoffwechsel und Kreislauf den Umsatz herunterfahren. Patienten, die Hochdruckmittel nehmen, können während der Kur unter ärztlicher Kontrolle ihre Medikamente reduzieren.
  • Ein erhöhter Insulinspiegel normalisiert sich. Typ-2-Diabetes-Patienten, deren Bauchspeicheldrüse in der Regel immer noch aktiv ist, können meist schon am ersten Fastentag das Insulin absetzen. Denn der Verzicht auf Kohlehydrate hebelt die physiologische Unempfindlichkeit aus, die übergewichtige Menschen gegen zu viel Zucker im Blut entwickeln können.

"Beim Typ 2-Diabetes-Patienten ist die Wirkung des Fastens sehr eindrücklich, weil die Leute plötzlich eine andere Stoffwechselführung haben. Der Blutzucker kann sich im Idealfall vollkommen normalisieren. Es kommt dann allerdings darauf an, wie sie nach dem Fasten mit einer gesunden Ernährung und mehr Bewegung weitermachen."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

  • Die Darmflora verändert sich. Das menschliche Mikrobiom, das aus Milliarden von Bakterien besteht, reagiert positiv auf die veränderte beziehungsweise reduzierte Nahrung. Auch Patienten mit Reizdarm-Syndrom tut eine Fastenkur gut.

Psychologische Effekte des Fastens

  • Es wirkt antidepressiv. Oft bessert sich die Laune merklich, denn auch der Hormonhaushalt verändert sich. Der Serotoninspiegel, der die Stimmungslage beeinflusst, steigt an. Einige Menschen erleben nahezu euphorische Zustände während einer Fastenkur.

"Es kommt manchmal vor, dass Leute sagen: Es ist so schön, ich fühle mich so sauwohl, da mag ich gar nicht mehr aufhören!"

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen.

Allerdings sollten Patienten, die Antidepressiva einnehmen, diese während des Fastens auf keinen Fall absetzen.

  • Man wächst über sich selbst hinaus. Jeder erfolgreich bewältigte Kurtag fördert das Gefühl, das Leben mit all seinen Problemen in den Griff bekommen zu können. Wer beim Fasten positive Effekte verspürt, erlebt sein Handeln als selbstwirksam. Denn man hat die Verantwortung für den eigenen Körper nicht mehr an das Gesundheitssystem abgegeben, sondern ändert jetzt selbst etwas.

"Patienten erzählen regelmäßig, dass sie beim Fasten gedanklich in tiefere Dimensionen gelangen und dabei Kräfte entwickeln, im Sinne von: Ja, ich kann es (wieder) schaffen! Sie spüren, was alles möglich ist, und lernen, wieder an sich selbst zu glauben.  Im Grunde kann man das durchaus mit einer transzendenten Erfahrung gleichsetzen."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Eine Fastenkur hat nichts mit Hungern zu tun. Vor allem Anfänger sollten sich gut vorbereiten oder professionelle Begleitung wählen. Jährlich fasten etwa zwei bis drei Millionen Menschen, allein oder in Gruppen. Wer eine Kurklinik oder ähnliche Einrichtungen aufsucht, tut sich leichter als zu Hause. Je größer die Ablenkungsgefahr, umso schwerer fällt der Verzicht.

Eine gute Fastenkur verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Neben dem Verzicht auf feste Nahrung stehen stets auch Bewegung, Entspannung und geistige Anregung auf dem Programm. Nach der weit verbreiteten Schule des 1966 verstorbenen Fastenpapstes Otto Buchinger sollte man abends zum Beispiel Musik hören oder kreativ tätig sein.

Vor dem Fasten:

  • Wer nicht in eine Klinik geht, sollte Rahmenbedingungen festlegen und den Ablauf der Fastentage klar strukturieren. Es muss definierte Zeiten für Bewegung, Entspannung und Rückzug geben.

"Zu Hause können die Verpflichtungen des Alltags, Beruf, Familie usw. das Fasten erschweren. Auch moderne Kommunikationsmittel wie Handy und Internet, die einen doch etwas abhängig machen, sind eher hinderlich. Aber das Fasten gelingt auch im selbstgesteckten Rahmen, nicht nur in einer Klinik. Allerdings müssen wirklich explizite Ruhephasen eingeplant werden. Sonst klappt die Konzentration auf die vielfältigen eigenen Bedürfnisse nicht."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

  • Stimulantien reduzieren. Bereits vier, fünf Tage vor Beginn der Fastenkur empfiehlt es sich, Schwarztee, Kaffee, Alkohol und Nikotin zu streichen. So sind die Nebenwirkungen des Entzugs überwunden, bevor die eigentliche Fastentherapie beginnt. Vor allem der Verzicht auf Kaffee kann heftige Kopfschmerzen auslösen.

Entlastungstage:

Die Fastenkur beginnt mit ein, zwei Tagen, an denen man die gewohnte Nahrungszufuhr auf etwa 1.000 bis 1.200 Kilokalorien reduziert und reine Vollwertmischkost zu sich nimmt. Das heißt: Gemüse, Salat, Obst - und wenig tierisches Eiweiß.

Abführen – Der Startschuss

Der Start in die Fastentage beginnt mit einer Gabe Abführsalz, zum Beispiel Glaubersalz in Apfelsaft gelöst. Von nun an sorgt man alle zwei Tage mit Einläufen oder Bittersalz für Stuhlgang, da der Darm ohne Nahrungszufuhr träge wird. 

Die Fastentage

Wer als Gesunder zu Hause fastet, sollte fünf bis acht Fastentage einplanen. Bei einer dreiwöchigen Klinik-Kur können es bis zu 14 Tage sein. Es gibt verschiedene Methoden wie Tee-Saft-Fasten nach Otto Buchinger oder die Mayr-Kur, bei der man morgens eine Semmel isst, um das bewusste Kauen zu schulen. Aber im Grunde ähneln sich alle Fastenkuren in ihrem Ziel:

  • die hypokalorische Kost (reduzierte Energiezufuhr) soll Selbstregulationsmechanismen des Körpers in Gang setzen.

Und so sieht ein guter Fasten-Speise-Plan z. B. nach Otto Buchinger aus:

  • morgens Tee mit Honig und Zitrone,
  • mittags eine kochsalzhaltige Suppe
  • abends Saft oder Suppe

+ viel trinken! Mindestens zwei Liter energiefreie Flüssigkeit (Wasser oder Kräutertee) = circa 200 Kilokalorien pro Tag.

Ganz wichtig dabei: ausreichend Bewegung, damit die Muskulatur erhalten bleibt bzw. trainiert wird. Außerdem fördert es die Durchblutung und sorgt für Körperwärme, wenn man eine gute Runde spazieren geht.

"Sportliche, aber nicht übertriebene Bewegung ist gut. Die Atemfrequenz sollte erhöht sein, um die Abatmung der Säureprodukte, der sogenannten Ketone, zu verstärken, die durch den Abbau des Fetts zur Energiegewinnung entstehen. Wenn Patienten zu wenig trinken, riecht man manchmal förmlich den Ketongeruch im Atem."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Vorteile einer Fastenklinik

  • Man ist Mitglied einer Gruppe, in der man sich über Tipps und Zipperlein austauschen kann. Vor allem während der ersten Tage, wenn etwa der Kaffeeentzug Probleme macht, tut Austausch gut (eine kleine Tasse Kaffee kann übrigens gegen das anfängliche Kopfweh helfen!).
  • In der Lehrküche und bei Vorträgen lernen Fasten-Kurende in Theorie und Praxis, wie gesunde Ernährung aussieht.
  • Ärztliche Kontrolle und Fürsorge vermitteln vor allem chronisch kranken Leuten, wie Typ-2-Diabetes-Patienten, ein Gefühl der Sicherheit. Außerdem muss jede vorhandene Medikation ärztlich überwacht werden.

Aufbautage

Nach der Fastenphase folgen drei Aufbautage, um langsam von innerer auf äußere Ernährung umzustellen. Es gibt kleine Portionen leicht verdaulicher Kost: gedünstetes Gemüse, noch keinen Fisch, kein Fleisch, keine Wurst, wenig tierische Eiweiße in Form von Quark, Joghurt oder Buttermilch und Suppe oder Salate.

"Bei uns in der Klinik beginnen wir das Fastenbrechen mit einem Ritual: In gemeinsamer Runde bekommt jeder einen Apfel zu essen, der genussvoll verspeist wird. Dabei kann jedem klarwerden, wie wertvoll Nahrung ist."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Langsam kauen: Bewusstes Zerkleinern der Bissen ist an den Aufbautagen besonders wichtig, damit es der Verdauungsapparat nicht zu schwer hat, wenn er seine Arbeit wiederaufnimmt. Außerdem achtet man so besser auf das Sättigungsgefühl, das sich jetzt schon nach kleineren Essensmengen einstellt.

Regel für die Zukunft: Es muss nicht alles aufgegessen werden!

1. Sich vom Alltag lösen. Heraus aus beruflichen und familiären Bindungen. Weg von Terminkalender und Telefon. Verzicht auf Radio, Fernsehen, Nachrichten. Keine Reizüberflutung.

2. Sich natürlich verhalten. Tun, was der Körper verlangt. Der Erschöpfte soll schlafen, der Bewegungsfreudige soll wandern und schwimmen. Tun, was Spaß macht: bummeln, lesen, tanzen, Musik hören, Hobbys pflegen.

Eine Fastenkur gilt vor allem als präventive Maßnahme. Sie gibt den Impuls, einen neuen Zugang zu sich und zum eigenen Körper zu finden.

Saft, Brühe und morgens 1 Löffel Honig in den Tee. Etwa 200 Kilokalorien nimmt man beim Fasten täglich zu sich. Am Alltag sind es meist mehr als zehnmal so viele. Die reduzierte Energiezufuhr ermöglicht dem Körper, Selbstregulationsmechanismen in Gang zu setzen. Vor allem Typ-2-Diabetes-Patienten, aber auch Menschen, die an anderen chronischen Krankheiten leiden, profitieren von einer Fastenkur.

Wer auf keinen Fall fasten sollte:

  • Menschen, die an akuten Psychosen oder auszehrenden Krankheiten wie Krebs leiden und noch nicht stabil behandelt sind
  • Patienten mit entgleisten Stoffwechselzuständen wie Typ-1-Diabetes oder einer Schilddrüsenüberfunktion
  • Schwangere, stillende Mütter, Kinder und Jugendliche
  • Demenzkranke und alte Menschen mit Untergewicht

Wann Fasten gut tut:

  • Bei Depressionen und Erschöpfungszuständen wie "Burnout"
  • Bei chronischen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht, kurz bei Fettstoffwechselstörungen oder dem metabolischen Syndrom
  • Bei Rheuma und anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen

Während des Fastens tritt eine tiefgehende Veränderung im Organismus ein. Aber: Wer sich nicht um grundsätzliche Verhaltensänderungen bemüht, verschenkt die positive Wirkung einer Kur. Sprich: Erst ein neuer, gesünderer Lebensstil garantiert langfristige Erfolge wie dauerhaft verbesserte Laborwerte oder eine Gewichtsreduktion.

"Gute Ernährung und Fasten gehören zusammen. Die Fastenkur soll Impulse für ein in Zukunft genussvolleres und gesünderes Leben liefern, indem sie die Achtsamkeit für Körperbedürfnisse weckt."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Wie geht es weiter?

Eine gelungene Fastenkur wirkt meist sehr motivierend. Sie stellt ein echtes Erlebnis dar. Man spürt ganz konkret, dass und wie man Einfluss auf das eigene Wohlbefinden nehmen kann.

"Das ist eine Art erlebnisorientierter Lernprozess, weil zum Beispiel Typ-2-Diabetes-Patienten direkt merken, die Werte werden nicht ein Vierteljahr später besser, sondern innerhalb weniger Tage. Das ist ein enormes Motivationsinstrument für viele Menschen, aus einer etwas verfahren erscheinenden Situation einen Neuanfang aus eigenen Kräften heraus zu wagen."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Neuanfang wagen

Ein erster Schritt ist getan. Nun gilt es, das in der Klinik oder beim Selbststudium Erlernte anzuwenden. Und zwar:

  • Sich vollwertig und - bei Übergewicht - kalorienreduziert zu ernähren
  • Sich täglich zu bewegen: Eine halbe Stunde spazieren gehen genügt!
  • Sich regelmäßig Pausen und inneren Rückzug zu gönnen  

Die Gefahr besteht, dass die geschmolzenen Pfunde schnell wieder auf den Rippen sind. Deshalb müssen Übergewichtige umso konsequenter darauf achten, dass sie langfristig weniger Kalorien als vor der Kur zu sich nehmen und sich deutlich mehr bewegen.

Und noch etwas hilft, das Gewicht zu halten:

  • Sich an die Freiwilligkeit des Verzichts und den seelischen Gewinn zu erinnern

Immer wieder fasten

Nicht wenige Menschen machen einmal im Jahr eine Fastenkur, für sich allein oder in einer Gruppe. Es gibt auch die Variante des intermittierenden Fastens: Man legt einmal pro Woche 16 Stunden ohne feste Nahrung ein oder macht sogar zwei Tage lang Tee-/Saftfasten. Empfehlenswert sind auch sogenannte Entlastungstage mit jeweils ausschließlich rohem oder gedünstetem Gemüse oder auch Reistage. Es geht darum, sich hypokalorisch, also unterkalorisch, zu ernähren und den normalen Grundumsatz des Körpers zu unterschreiten. Rohkosttage haben den Vorteil, dass man sich mit dem ungekochten Gemüse viele Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine zuführt. Oder man isst morgens ein kleines Müsli, mittags gedünstetes Gemüse und abends eine Suppe, so dass man auf maximal 500 Kilokalorien kommt.

"Das ist schon so wenig im Vergleich zur alltäglichen Ernährung der meisten Menschen, dass es dieselben körperlichen Reaktionen bewirkt, wie wenn sie nur Suppe und Tee zu sich nehmen würden."

Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Lese-Tipps:

Ein Klassiker zum Thema:
Dr. Hellmut Lützner: "Wie neugeboren durch Fasten", GU Ratgeber Gesundheit