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Mehr hilft mehr? Nicht immer Gründe für die Überversorgung

Ärzte wollen sichergehen, Patienten wollen die beste Behandlung – daher fällt es allen Beteiligten schwer, auf Überflüssiges zu verzichten.

Von: Uli Hesse

Stand: 25.02.2020

Geld und eine Gesundheitskarte in einer Hosentasche. | Bild: BR/Julia Müller

Gründe für die Überversorgung gibt es viele, sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten: Beide neigen zu dem Glauben, jede Behandlung sei besser als einfach abzuwarten. In vielen Fällen reicht die Zeit nicht für ein ausführliches Patientengespräch, bei dem gemeinsam das Für und Wider abgewogen wird. Manche Patienten haben übertriebene Erwartungen oder sind bestimmte Behandlungsmethoden gewohnt. Der Arzt möchte sie vielleicht nicht enttäuschen. Außerdem gibt es natürlich die Hoffnung, dass neue Untersuchungsmethoden bessere Ergebnisse liefern, auch wenn dem vielleicht nicht so ist.

Ärzte können mit überflüssigen privaten Leistungen dazuverdienen. Sie können auch Befürchtungen von Haftungsklagen oder Beschwerden mindern, weil "zu viel" rechtlich bisher kaum ein Problem war, die Unterlassung einer Maßnahme aber schon. Manche Ärzte kennen möglicherweise aktuelle Studien nicht, die den Nutzen bestimmter, althergebrachter Behandlungsmethoden in Frage stellen. Manche wollen vielleicht auch vorhandene technische Ressourcen, wie teure Geräte und Praxispersonal, möglichst effektiv nutzen.

"Ich halte es für eine Mischung aus Enthusiasmus und finanziellen Vorteilen: Die meisten Ärzte, die überflüssige Behandlungen und Diagnosen anbieten, glauben, damit Gutes zu tun. Sie profitieren emotional und finanziell. Diese Kombination macht es schwierig, sie nüchtern und wissenschaftlich mit Studienergebnissen vom Gegenteil zu überzeugen."

Prof. Dr. David Klemperer

Fachärzte

Die Möglichkeit, statt zuerst zum Hausarzt direkt zum Spezialisten zu gehen, hat zu vielen überflüssigen Untersuchungen geführt.

"Fachärzte neigen dazu, ungezielt alle Register ihrer diagnostischen Möglichkeiten zu ziehen – was aber bei unkomplizierten Problemen die Behandlung nicht verbessert."

Prof. Dr. David Klemperer

Zum Facharzt sollte man nur in Absprache mit dem Hausarzt gehen, da sonst möglicherweise unnötige Untersuchungen gemacht werden.

Krankenhäuser

In Deutschland gibt es nach Ansicht von Prof. Klemperer zu viele Krankenhäuser und in der Folge werden zu viele Patienten im Krankenhaus behandelt. Andere Länder, wie z.B. Dänemark, kommen mit der Hälfte der Krankenhausbetten und halb so viel Krankenhausbehandlungen aus.

Die in Deutschland vorhandenen Krankenhäuser sind aber finanziell darauf angewiesen, ihre Betten mit Patienten zu füllen. Wenn Patienten die Notaufnahmen von Krankenhäusern aufsuchen, kann es durchaus sein, dass je nach Anzahl der freien Betten die Indikation zur Aufnahme mehr oder weniger großzügig gestellt wird. Bei Bedarf auf Seiten des Krankenhauses werden dann womöglich mehr Patienten aufgenommen.

Nachteile der Überversorgung

Überversorgung ist für Patienten oft schädlich. Sie werden unnötigen Risiken ausgesetzt, verlieren Zeit, Geld und Lebensmut durch unnötige Behandlungen oder versprechen sich unrealistische Heilungschancen. Durch die Überversorgung werden dem Gesundheitswesen Ressourcen entzogen, die an anderer Stelle für eine Verbesserung der Versorgung sinnvoll eingesetzt werden könnten.


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