2. Februar 1811 Delia Bacon geboren, Shakespeare-Forscherin
Der echte Shakespeare habe nicht ein einziges seiner berühmten Stücke geschrieben. Das war die fixe Idee von Delia Salter Bacon, geboren am 2. Februar 1811. Seitdem wird gestritten: Ist das auch eine gute Idee?
02. Februar
Montag, 02. Februar 2015
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Wer von uns ist schon, was er zu sein scheint. Bestes Beispiel:
William Shakespeare. Der nämlich, sagen einige Ketzer des Literaturbetriebs, kann auf keinen Fall der berühmte William Shakespeare gewesen sein. Aus all den großen Dramen spricht ein hochbelesener Mann, ein Musikliebhaber, Fachmann auf den Gebieten der Rechtsprechung und der Politik, ein Insider mit Einblick in die europäischen Königshöfe. Der historisch fassbare Shakespeare aber, Sohn der Provinzstadt Stratford-upon-Avon, verheiratet, drei Kinder, war nichts weiter als ein viertklassiger Schmierenkomödiant, der bei seinem Tod kein einziges Buch besaß, der kein einziges Stück Papier in eigener Handschrift hinterlassen hat, in dessen spärlich dokumentiertem Leben kein einziges Fitzelchen an Beweis auftaucht, dass er der berühmte Shakespeare ist.
Wer aber soll dann seine Stücke geschrieben haben? Irgendein Adeliger, ist die Antwort, ein Höfling der Königin, der seine Werke, aus Standesgründen oder was immer, diesem "Strohmann Shakespeare" in die Schuhe geschoben hat.
Mit solchen Vorwürfen muss sich die Shakespeare-Forschung seit nunmehr hundertfünfzig Jahren herumplagen.
Shakespeares Ghostwriter
Den Stein ins Rollen gebracht hat ausgerechnet eine Amerikanerin: eine Schriftstellerin namens Delia Salter Bacon. Die Dame, die am 2. Februar 1811 in einer Blockhütte in der Wildnis von Ohio geboren wurde, war die erste, die den Mumm hatte, Shakespeares Urheberschaft öffentlich anzuzweifeln. Bacon war der Meinung, Shakespeare sei gleich von drei sehr hohen Tieren als Strohmann benutzt worden, von Sir Walter Raleigh, dem Dichter Edmund Spenser und ihrem Namensvetter Sir Francis Bacon.
Um die Idee zu überprüfen, machte sich Delia Bacon im Mai 1853 an Bord des Dampfers "Pacific" auf nach England. Dort aber ging sie nicht etwa in die Archive, um die historischen Quellen zu studieren. Vielmehr mietete sie sich ein Dachkämmerlein, betrieb Textkritik und suchte in Shakespeares Dramentexten nach verborgenen Hinweisen auf die echten Verfasser.
Wer, wenn nicht er?
Nach drei Jahren vergeblichen Studiums kam sie auf die Idee, dass in Shakespeares Grab irgendwelche verräterischen Dokumente versteckt sein könnten. So ließ sie sich eines Abends in der Dreifaltigkeitskirche zu Stratford-upon-Avon einschließen, um ungestört über Nacht das Grab zu untersuchen. Dummerweise konnte sie die schwere Steinplatte nicht heben, und Shakespeares Grab blieb unangetastet.
Kurze Zeit später war Bacons kleines Vermögen aufgebraucht. Der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne, zu jener Zeit amerikanischer Konsul in Liverpool,
hatte Mitleid mit ihr und sorgte dafür, dass ihre Forschungsergebnisse als Buch erscheinen konnten. Als das nicht gleich die ersehnte Anerkennung brachte, erlitt Delia Bacon einen Nervenzusammenbruch. Man brachte sie in die Staaten zurück, kaum ein Jahr später starb sie. Die Ideen aber der alten Dame, die lebten weiter. Und beflügeln bis heute den nimmer endenden Gelehrtenstreit, ob William Shakespeare denn auch wirklich - William Shakespeare gewesen sei.